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Ultraschallinterventionen per Sensor dirigieren

Dank Bildgebung muss schon lange kein Arzt mehr auf „gut Glück“ mittels Ultraschall punktieren. Für schlecht sichtbare oder schwer erreichbare Läsionen gibt es jedoch mittlerweile zusätzliche Unterstützung.

Bericht: Daniela Zimmermann

Verschiedene technische Hilfsmittel sorgen dafür, dass diese Interventionen auch bei schlechter Sicht oder an gefährlichen Stellen akkurat durchgeführt werden können. Prof. Dr. Dirk-André Clevert, Leiter des Interdisziplinären Ultraschall-Zentrums in der Klinik und Poliklinik für Radiologie, des Klinikums der Ludwig Maximilians Universität in München erklärt, welche Techniken wann zum Einsatz kommen.

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Prof. Dr. Dirk-André Clevert, Leiter des Interdisziplinären Ultraschall-Zentrums am Klinikum der Universität München, Campus Großhadern.

Grundsätzlich können dank Ultraschall bei vielen Organen Interventionen durchgeführt werden, allerdings nur, wenn das Zielgewebe auch sonographisch sichtbar ist. „Knochen- oder Lungenmetastasen sind im Ultraschallbild schwierig zu erfassen, der Schwerpunkt der Ultraschallintervention liegt daher auf Leberherden, Mamma-, Prostata-, Nierentumoren oder Lymphknoten“, erläutert Clevert. Bisher war die Freihandbiopsie die federführende Methode bei der Intervention. „Der Interventionalist positioniert den Schallkopf, wählt die optimale Bildeinstellung für die Läsion und punktiert anschließend gezielt in Freihandtechnik.“ Diese Praxis ist allerdings stark vom Untersucher abhängig. „Für erprobte Kollegen ist die Freihandpunktion fast immer das Mittel der Wahl, weil sie schnell und kostengünstig ist. Insbesondere medizinische Nachwuchskräfte müssen jedoch erst an diese Technik herangeführt werden“, beschreibt Clevert. Eine Chance für die Industrie, passende Lösungen zu entwickeln. 

Eines der ersten Hilfsmittel im Markt war eine Führungshilfe, die an den Schallkopf angeklemmt wird. Sie bewirkt, dass die Biopsienadel innerhalb der Führungskanüle verläuft und somit immer im B-Bild erscheint. Neben der im B-Bild sichtbaren Biopsienadel, wird der theoretische Stichkanal visuell als Linie in das Ultraschallbild projiziert. Somit lassen sich der Verlauf der Punktionsnadel und die Nadelposition im Ultraschallbild vorhersagen. Verschiedene auswählbare Punktionswinkel ermöglichen den optimalen Zugangsweg. „Die Biopsienadel wird so lange manuell austariert, bis sich die virtuelle Punktionslinie auf dem Monitor und die Läsion im B-Bild kreuzen. Danach kann die Punktionsnadel durch die Führungshilfe am Schallkopf eingeführt und im weiteren Verlauf gezielt punktiert werden“, so der Radiologe. Das Problem: „Nicht immer kann man genau in Schallrichtung punktieren, manchmal geht es nur off-plane“, so Clevert. Um auch für diese Fälle gerüstet zu sein, wurde die Technologie weiterentwickelt und es entstanden Punktionshilfen unter Verwendung der Fusionstechnik.

Sensoren für die korrekte Platzierung

Diese Weiterentwicklung umfasst die Verwendung der Fusionsbildgebung – also der Kombination aus der Ultraschallbildbegebung mit Datensätzen aus dem CT oder MRT. Hierbei werden spezielle Punktionslösungen verwendet. Entweder kann der Sensor in der Nadelspitze platziert werden oder er wird seitlich an die Biopsienadel angeschraubt.

A: Adaptiver Needletracker, der seitlich an die Biopsienadel angeschraubt...
A: Adaptiver Needletracker, der seitlich an die Biopsienadel angeschraubt wird
B: Bei diesem System befindet sich der Sensor in der Nadelspitze. Nach regelrechter Platzierung werden der Sensor und die Punktionsnadel zurückgezogen, nur das koaxiale System verbleibt an der Position und die Biopsienadel wird hierüber eingeführt.
C: Führungshilfe für eine Punktion, die seitlich am Schallkopf fixiert wird

Sensor in der Nadelspitze:

Ist die Platzierung korrekt, kann die Sensornadel entfernt und die eigentliche Biopsienadel über das verbleibende Koaxialsystem, das als Führungshilfe genutzt wird, eingeführt werden und eine Punktion oder Drainage erfolgen

Dirk-André Clevert

„Im Kopf dieser Nadeln ist ein millimeterdünner Sensor integriert, der die Platzierung der Nadel auf dem Monitor wiedergibt. Ist die Platzierung korrekt, kann die Sensornadel entfernt und die eigentliche Biopsienadel über das verbleibende Koaxialsystem, das als Führungshilfe genutzt wird, eingeführt werden und eine Punktion oder Drainage erfolgen“, erklärt der Spezialist. Dieses Punktionssystem ist sehr präzise, allerdings ein Einmalartikel und nicht wiederverwendbar. Die kostenintensiven Sensornadeln können schnell erhebliche Sachkosten verursachen. Deshalb wurde eine kostengünstigere Alternative gesucht und gefunden.

Adaptiver Nadeltracker:

Hierbei handelt es sich um einen Sensor, der seitlich an die Biopsienadel oder Drainage anschraubt wird. Er kommt ohne spezielle Nadeln aus und kann mehrfach verwendet werden. Der adaptive Needletracker wird einfach an einer passenden Stelle auf die Biopsienadel geschraubt und verbleibt außerhalb des Körpers. Die in ihm enthaltene Technik verarbeitet zuerst den eigentlichen Sensorstandort, berechnet anschließend in Abhängigkeit der eingegebenen Daten (Abstand der Nadelspitze zum Sensor) die virtuelle Platzierung der Nadelposition und erzeugt dann ein virtuelles Abbild der Biopsienadel auf dem Monitor. Off-plane Punktierungen sind damit ohne weiteres möglich. „Wichtig zu wissen ist jedoch, dass die virtuell erzeugte Nadel auf dem Bildschirm eine reine Projektierung ist, also nicht die eigentliche Position der Nadel wiedergibt, da sich der Sensor außerhalb des Körpers und nicht an der Spitze der Nadel befindet. Der Sensor geht davon aus, dass die Nadel völlig gerade ist und berechnet auf dieser Grundlage die endgültige Position“, schildert Clevert. „Wird die Nadel beispielsweise durch die Atmung des Patienten oder Druckausübung gebogen, spiegelt sich diese Krümmung nicht auf dem Monitor wieder. Solche Schwankungen können zwar leicht ausgeglichen werden, aber der Benutzer muss wissen, dass die Technik sie nicht abbildet.“

Tief liegende Läsionen gut erreichen

Die virtuelle Anzeige der Nadelpositionierung ist eine sinnvolle Unterstützung

Dirk-André Clevert

Die technischen Hilfsmittel sind nicht nur für Anfänger geeignet. „Auch ich behandele pro Woche zwischen fünf und zehn Patienten, bei denen ich eine Form der Punktionshilfe nutze“, berichtet der Experte. Liegt eine Läsion tief im Körper oder an einer gefährlichen Stelle, sind die Positionierungshilfen auch für erfahrene Interventionalisten hilfreich. „Muss beispielsweise ein Lymphknoten punktiert werden, der genau zwischen der Aorta und der Vena cava liegt, oder eine Läsion im Leberdom kurz vor der Zwerchfellkuppel, ist höchste Präzision gefragt ebenso so wie bei der Prostatafusionsbildgebung. Dann ist die virtuelle Anzeige der Nadelpositionierung eine sinnvolle Unterstützung.“ Hilfsmittel werden die Freihandtechnik niemals ersetzen, aber auch erfahrene Interventionalisten profitieren im Einzelfall von ihren Vorteilen.


Profil:

Prof. Dr. Dirk-André Clevert begann seine berufliche Laufbahn am MRT-Diagnostik-Institut Westend in Berlin und in der Abteilung Innere Medizin am Waldkrankenhaus Gransee. Danach war er drei Jahre lang Assistenzarzt in der Radiologischen Abteilung des Klinikums Passau. 2003 siedelte der waschechte Berliner nach München um. Von der ersten Stunde an betreute er das im August 2004 gegründete Interdisziplinäre Ultraschall-Zentrum am Universitätsklinikum München-Großhadern, an dem viele Ultraschallaktivitäten des Hauses zusammenlaufen. Als Kursdirektor und Kongresspräsident organisiert er zahlreiche nationale und internationale Ultraschallkurse sowie Kongresse. Im Rahmen des 80-jährigen Gründungsjubiläums der medizinischen Fakultät der Tbilisi State Medical University wurde Clevert, Leiter des Interdisziplinären Ultraschall-Zentrums am Klinikum der Universität München, Campus Großhadern, die Ehrendoktorwürde verliehen.

09.05.2018

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