Twittern im OP gefährdet Sicherheit von Patienten
Während einer Operation warten Angehörige oft voller Sorge auf Nachricht über den Zustand des Patienten. In den USA informieren Krankenhäuser die Wartenden jetzt mit Kurztexten via ‚Twitter’ aus dem Operationssaal über den Verlauf des Eingriffs. Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) warnt vor dieser Entwicklung. Während des Eingriffs könne die Übertragung den reibungslosen Ablauf im OP stören.
Ende August dieses Jahres entfernten Chirurgen des St. Luke’s Hospital in Cedar Rapids im US-Bundesstaat Iowa einer 70 Jahre alten Frau die Gebärmutter. Direkt aus dem Operationssaal dokumentierte eine Mitarbeiterin der Klinik den dreistündigen Eingriff über den Netzdienst ‚Twitter’ mit rund 300 Kurznachrichten, wie etwa „Lokale Betäubung an der Einstichstelle, jetzt wird der erste Stich angesetzt“.
Hunderte Empfänger verfolgten das Geschehen am Computer oder per Mobiltelefon. Dazu zählten nicht nur Freunde und Verwandte der Patientin, sondern auch gänzlich Unbeteiligte. Das Twitter-Projekt solle die Angehörigen informieren und gleichzeitig zur allgemeinen medizinischen Aufklärung beitragen, erläuterte das Krankenhaus. Auch andere US-Kliniken übertragen seit Januar Operationen live per Twitter. Voraussetzung ist jeweils, dass sowohl die Patienten als auch die Chirurgen dem Projekt zustimmen.
In Deutschland hat dieses Beispiel noch nicht Schule gemacht. Dennoch beobachtet die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie die Entwicklung nicht nur unter Aspekten des Datenschutzes mit Sorge. Sie befürwortet zwar die zeitnahe Information auch unter Nutzung neuer Medien. „Es gehört längst zum Standard, dass die Angehörigen unmittelbar nach dem Eingriff vom Arzt informiert werden“, sagt DGCH-Generalsekretär Professor Dr. med. Hartwig Bauer, „doch während der Operation muss sich das Personal ausschließlich auf den Patienten konzentrieren.“ Zudem sollen die Beteiligten während eines Eingriffs möglichst wenig reden. Einerseits um sich nicht gegenseitig abzulenken aber auch, um das Infektionsrisiko für den Patienten zu minimieren. „Die Sicherheit des Patienten hat oberste Priorität“, betont Professor Bauer. Für das Twittern aus dem OP müsste der Chirurg fortwährend Kurzkommentare über den Verlauf abgeben, die dann weitergeleitet werden.
Darüber hinaus verweist er auf ein weiteres grundsätzliches Problem der Nachrichten-Übertragungen aus dem OP: Sollten bei einem Eingriff plötzlich Komplikationen auftreten, würde sowohl eine entsprechende Mitteilung als auch ein plötzlicher Stopp des Informationsflusses die Angehörigen eher beunruhigen und möglicherweise unnötig aufregen anstatt das Gegenteil zu bewirken, gibt Professor Bauer zu bedenken. Ob Angehörige tatsächlich über jedes Detail einer Operation unterrichtet werden wollen, hält der Experte für fraglich: Ich bezweifle, dass Kommentare wie „Der Tumor sitzt auf dem Harnleiter auf“ oder „Die Milz muss wegen einer schwer zu stillenden Blutung mit entfernt werden“ für Außenstehende hilfreich sind.
Bildquelle: pixelio/Christoph Droste
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15.12.2009