Die verzögerte Time-to-Peak (TTP) und die verlängerte mittlere Transitzeit (MTT) zeigen eine Verzögerung des Blutflusses im gesamten linken PCA-Gebiet einschließlich des Thalamus und des linken Hirnschenkels, wobei das zerebrale Blutvolumen (CBV) und der zerebrale Blutfluss (CBF) unververändert bleiben.

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Schlaganfall: CT oder MRT?

Halbseitige Lähmung, Sprachstörungen, Schwindel – äußere Symptome, die auf einen möglichen Schlaganfall hinweisen, sind selbst für Nichtmediziner relativ einfach zu erkennen.

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Prof. Dr. Michael Forsting ist Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie des Universitätsklinikums Essen.

Welche morphologischen Ursachen aber genau dahinterstecken und welche Therapiemaßnahmen dementsprechend eingeleitet werden müssen, das kann noch nicht einmal der Arzt genau sagen, ohne dass zuvor eine bildgebende Diagnostik durchgeführt wurde. Sowohl die CT als auch die MRT liefern detaillierte Aufnahmen des Gehirns. Doch wann ist welche Methode anzuwenden?

„Wenn man eines in einer Akutsituation nicht hat, dann ist es Zeit. Schneller ist bei einem Notfall immer besser und deshalb ist die CT stets der erste Schritt zu einer Differenzialdiagnose beim Schlaganfall“, macht Prof. Dr. Michael Forsting, Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie am Universitätsklinikum Essen, deutlich. Das Haus implementierte 1994 eine der ersten Schlaganfallstationen in Deutschland. Beide Modalitäten, CT und MRT, stehen hier rund um die Uhr zur Verfügung. Forsting schätzt jedoch, dass er etwa 90 Prozent der therapierelevanten Fragen beim Hirninfarkt mit der CT abklären kann. „Es ist ein bisschen einfacher, den Schlaganfall im MRT zu detektieren, insbesondere in der Frühphase, aber der Aufwand steht häufig kaum im Verhältnis zum diagnostischen Nutzen. Hinzu kommt, dass die Strahlendosis bei den neuen CT-Geräten so gering geworden ist, dass die Strahlenbelastung – zumindest in der Notfalldiagnostik – kein Argument mehr gegen die CT darstellt.“

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CT-Angiographie (CTA) zeigt die P1-Segment-Okklusion (Verstopfung) auf der linken Seite (Pfeil).

In den meisten Fällen, in denen Schlaganfallsymptome auftreten, liegt eine Durchblutungsstörung aufgrund eines Gefäßverschlusses vor. Bei sehr viel weniger Patienten handelt es sich um eine Hirnblutung. In sehr seltenen Fällen erleiden die Patienten weder das eine noch das andere, sondern die neurologischen Störungen rühren beispielsweise von einem Tumor oder einem Migräneanfall her. Die wichtigste Frage, die es also zunächst zu klären gilt, lautet: Blutung – ja oder nein? „Eine Hämorrhagie im CT festzustellen ist einfach, eine Ischämie zu diagnostizieren schon etwas komplizierter“, erklärt der Essener Neuroradiologe, „es braucht ungefähr vier Stunden nach Symptombeginn, bevor ein Infarkt mit der CT sicher zu sehen ist, mit der MRT nur Minuten. Diese zeitliche Verzögerung lässt sich jedoch ausgleichen, indem man eine CT-Angiographie durchführt. Die Gefäßdarstellung ist therapieentscheidend, weil wir in etwa 90 Prozent der Fälle den Thrombus mithilfe eines Katheters wieder öffnen können, um die Spätfolgen für den Patienten möglichst gering zu halten.“ Ob eine interventionelle Behandlung zu dem gewünschten Erfolg führt oder nicht, hängt auch davon ab, wie sehr das umliegende Hirngewebe bereits geschädigt ist. Mithilfe der MRT kann die Größe des Infarkts genau erfasst werden. Dennoch, so der Experte, spielt der Faktor Zeit für die Therapieentscheidung eine gleichwertig wichtige Rolle: „Wenn der Patient den Gefäßverschluss seit zwei Stunden hat, wird man das Gerinnsel in jedem Fall wieder öffnen. Wenn der Patient den Gefäßverschluss bereits seit zehn Stunden hat, dann nicht, weil das Risiko hoch ist, mehr Schaden als Nutzen anzurichten. Dazwischen gibt es eine Grauzone, in der man abwägen muss.“

Ein wenig diagnostische Unsicherheit kann immer bleiben

Michael Forsting

Das MRT liefert also zusätzliche Informationen, nicht immer sind diese aber allein ausschlaggebend für das weitere Vorgehen. Das gilt beispielsweise auch für den Hirnstamminfarkt. Im Hirnstamm sind die Strukturen nicht nur sehr klein, sondern liegen auch versteckt in der hinteren Schädelgrube. Die CT ist im Gegensatz zur MRT in diesem Bereich sehr störanfällig. Das heißt, bereits ein leichter Schlaganfall im Hirnstamm kann zu ausgeprägten Symptomen führen, ohne dass man etwas in der CT sieht. Ob diese Patienten jedoch wirklich eine MRT-Untersuchung zur 100-prozentigen Abklärung benötigen oder ohnehin die gleiche Therapie erhalten, bleibe dahingestellt, meint Forsting und geht die Sache pragmatisch an: „Ein wenig diagnostische Unsicherheit kann immer bleiben. Jede weitere Untersuchung bedeutet mehr Zeit und kann dem Patienten schaden. Kann sein, dass wir in zehn Jahren über MRT-Geräte verfügen, die nur noch fünf Minuten für eine Untersuchung brauchen. Aber die Vorbereitungszeiten, die im Zusammenhang mit dem Magnetfeld notwendig sind, lassen sich nicht umgehen oder verkürzen. Und das wird auch immer so bleiben.“


Profil:
Prof. Dr. Michael Forsting ist Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie des Universitätsklinikums Essen, Prodekan für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen sowie Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie e. V. Von 2011 bis 2013 übernahm er die Präsidentschaft der Deutschen Röntgengesellschaft. Forsting wurde bereits mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, unter anderem mit dem Kurt-Decker-Preis der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie, dem Wilhelm-Conrad-Röntgen-Preis der Deutschen Röntgengesellschaft und dem Wissenschaftspreis der Europäischen Gesellschaft für Neuroradiologie.

04.05.2016

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