Neue Erkenntnisse
Schädel-Hirn-Trauma: Schnelle Operation rettet leben
Menschen, die nach einer Kopfverletzung bewusstlos sind, sollten schnellstmöglich in ein Krankenhaus transportiert werden, wo eine CT zur Diagnose von Hirnblutungen und ein neurochirurgischer Bereitschaftsdienst ständig vorhanden sind. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass eine Kompression oder Verletzung des Hirnstamms das Koma auslöst. Eine rechtzeitige Operation kann dann lebensrettend sein, erklärt Professor Dr. Raimund Firsching, Kongresspräsident der 68. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC), auf der Pressekonferenz am 16. Mai in Magdeburg.
Jedes Jahr erleiden in Deutschland etwa 250 000 Menschen eine schwere Hirnverletzung, die 2 750 von ihnen nicht überleben. „Das Schädel-Hirn-Trauma ist weltweit eine der häufigsten Todesursachen bis zum frühen Erwachsenenalter“ erklärt Professor Dr. Raimund Firsching, Kongresspräsident und Direktor der Universitätsklinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Magdeburg. Viele könnten überleben, wenn sie rechtzeitig eine Klinik erreichen würden, wo ständig ein Gerät zur CT zur Verfügung steht und Neurochirurgen eine Notoperation durchführen können. Die Operation besteht in der Ausräumung eines Blutergusses oder in einer Öffnung des Schädeldachs. Diese Kraniektomie kann notwendig werden, wenn das Gehirn nach dem Schädel-Hirn-Trauma anschwellt. „Die Drucksteigerung schädigt dann die Hirnzellen“, erläutert Professor Firsching: „Der Knochendeckel wird aufbewahrt und später, wenn sich das Gehirn erholt hat, wieder eingesetzt.“
Entscheidend ist ein schneller Transport in die Klinik. „Zwischen dem Unfall und dem CT sollten nicht mehr als eine Stunde liegen“, fordert Professor Firsching: „Hirnblutungen können sich schnell ausdehnen und das umliegende Hirngewebe schädigen, das im Schädel dem Druck nicht ausweichen kann.“ Bei einer Hirnschwellung versuchen die Ärzte zunächst, die Hirnschwellung mit Medikamenten zu behandeln. „Führt dies nicht zum Erfolg, sollte rasch eine Kraniektomie folgen“, so Firsching.
Wie es zur Bewusstlosigkeit kommt, war lange Zeit unklar. Früher nahm die Forschung an, dass durch den Aufprall Nervenfasern zerreißen, die vom Hirnstamm zur Hirnrinde verlaufen. Die Kernspintomographie, die krankhafte Veränderungen im Gewebe darstellt, hat zu neuen Erkenntnissen geführt. „Wir vermuten, dass die Bewusstlosigkeit Folge einer Funktionsstörung im Hirnstamm ist“, berichtet Firsching, der gerade eine neue Studie dazu publiziert hat. „Bei einer acht Tage anhaltenden Bewusstlosigkeit sind hier immer Veränderungen erkennbar“, berichtet der Kongresspräsident. Die neue Erkenntnis sei für die Behandlung des Schädel-Hirn-Traumas von großer Bedeutung. „Wir achten heute mehr darauf, ob es im Bereich des Hirnstammes zu Einengungen kommt“, sagt der Neurochirurg. „In diesem Fall entscheiden wir uns frühzeitig für eine Operation, um den Hirnstamm zu entlasten.“
Wie lange die Bewusstlosigkeit anhält, können die Mediziner im Einzelfall nicht vorhersagen. Professor Firsching: „Es gibt keine Untersuchung, die vorhersagen könnte, ob ein Patient in den nächsten Stunden aufwacht oder im Koma verbleibt.“ Sicher ist jedoch, dass sich mit der Dauer des Komas die Überlebenschancen der Patienten verschlechtern. Auch das Alter der Patienten spielt eine Rolle. Jüngere Patienten haben laut Firsching größere Chancen, sich von einem Schädel-Hirn-Trauma mit längerer Bewusstlosigkeit zu erholen.
Literatur:
Firsching R: Coma after acute head injury. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 313–20. DOI: 10.3238/arztebl.2017.0313
Quelle: Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie
16.05.2017