Keimkiller
Säureschutzmantel bekämpft multiresistente Keime
„Die Gefahr an einer nosokomialen Infektion zu versterben, ist doppelt so hoch wie bei einem Verkehrsunfall ums Leben zu kommen“, veranschaulichte Prof. Dr. Josef Peter Guggenbichler, emeritierter Infektiologe der Universität Erlangen, die statistischen Daten. Noch immer werde das Risiko, an einer Infektion mit multiresistenten Keimen (MRSA) zu erkranken, unterschätzt und sei vielfach nicht ausreichend im Fokus der Klinikverantwortlichen angekommen, betonte Guggenbichler.
Grund genug für den Experten in seinem „Unruhestand“ eine Start-up-Unternehmen auf die Beine zu stellen, das mit einem neuartigen Verfahren das Problem angehen will: Mithilfe einer von ihm entwickelten Beschichtung aus Übergangsmetalloxiden können Keime und Bakterien auf medizinischen Instrumenten und anderswo abgetötet werden. Mit großem Elan stellte der Infektiologe am Donnerstag, dem letzten Messetag, das Produkt vor und präsentierte einige beschichtete Musterbeispiele aus seinem „Bauchladen“ (wie er seine Aktentasche bezeichnete).
Das Verfahren macht sich die Tatsache zunutze, dass ein Säureschutzmantel, wie beispielsweise auch auf der menschlichen Haut vorhanden, antibakteriell wirkt und potenzielle Krankheitserreger abtötet. Um diesen Säureschutzmantel zu schaffen, werden Oxide von Übergangsmetallen wie Molybdän und Wolfram eingesetzt. „Die Oxidpartikel, die sich auf der Oberfläche der Beschichtung befinden, bilden mit dem Wasser aus der Umgebungsluft saure Gruppen, die den pH-Wert auf 4,5 einstellen“, erläuterte Guggenbichler. Eine Luftfeuchtigkeit von 25 Prozent reiche aus, um genügend Wassermoleküle für die Reaktion zur Verfügung zu stellen. Darüber wurden paramagnetische Eigenschaften von Molybdän, die an der antibakteriellen Wirkung beteiligt sind, nachgewiesen.
Die Übergangsmetalloxide werden Kunststoffen, Farben und Lacken als Zusatz beigefügt. Medizinische Geräte aber auch das Mobiliar könne auf diese Weise von Krankheitskeimen befreit werden, betonte der Experte. Eine Beimischung oder Beschichtung sei viel eleganter als die Keime durch Antibiotika oder Desinfektionsmitteln abzutöten. „Die Übergangsmetalloxide müssen erst gar nicht in den Stoffwechsel der Keime eingebracht werden, wodurch die Resistenzproblematik viel geringer ist.“ Die Zusätze sind laut dem Infektiologen unlöslich in Wasser und Alkohol, hitzestabil und werden bei einer Reinigung nicht herausgewaschen.
„Mit unserem in situ generierten Biozid gehen wir das Problem an der Wurzel an“, warb Guggenbichler. Erste Aufträge und Kooperationen sind eigenem Bekunden zufolge schon bei dem „Jung-Unternehmer“ eingegangen. Er plant einen weiteren Ausbau der Geschäftsaktivitäten und setzt auf ein wachsendes Interesse des Klinikmarktes.
17.11.2016