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RescueWave bringt Ordnung ins Chaos bei Großschadensfällen
Das elektronische Sensorsystem RescueWave soll Rettungseinsätze effizienter machen – Grundlagenforschung und Technologietransfer aus dem KIT
Die Reihenfolge, nach der Opfer bei einem sogenannten „Massenanfall von Verletzten“ erstversorgt und abtransportiert werden, wird bisher nach einem System festgelegt, das aus der Militärmedizin stammt: Farbige Anhängekarten entscheiden über die Priorität eines medizinischen Notfalls. Ein neues elektronisches System mit dem Namen RescueWave soll jetzt die Einsatzführung effizienter machen. Die Idee dafür stammt auch aus dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
An die 3.000 Rettungskräfte mit fast 250 Fahrzeugen waren damals an der Rettung beteiligt, aber die Lage war höchst unübersichtlich
Wilhelm Stork
Beim Unfall von Eschede 1998, dem schwersten Zugunglück in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, bei dem ein ICE entgleiste, kamen 101 Menschen ums Leben und 88 wurden schwer verletzt. An den Eindruck, den er einige Jahre später beim Sehen einer TV-Dokumentation gewann, erinnert sich Professor Wilhelm Stork vom Institut für Technik der Informationsverarbeitung (ITIV) des KIT und Direktor am FZI Forschungszentrum Informatik noch heute: „An die 3.000 Rettungskräfte mit fast 250 Fahrzeugen waren damals an der Rettung beteiligt, aber die Lage war höchst unübersichtlich.“
Der Leiter des Bereichs Mikrosystemtechnik am ITIV initiierte daraufhin innerhalb des Graduiertenkollegs Sensornetze am KIT ein Projekt, in dem der damalige Doktorand Ashok Kumar Chandrasekaran mithalf, die Grundlagen für eine Lösung zu schaffen, die Ordnung in dieses Chaos bringen soll: das softwaregestützte System RescueWave. Sowohl die Forschung am KIT als auch die weiterführende am FZI Forschungszentrum Informatik am Karlsruher Institut für Technologie erfolgte mit den Partnern VOMATEC Innovations GmbH und antwortING Beratende Ingenieure PartGmbB. Die Weiterentwicklung zur Marktreife verantwortete das Technologieunternehmen ITK Engineering.
So entstand schließlich RescueWave: Anstelle von Karten verteilt der Notarzt elektronische Sichtungsgeräte, die es erlauben, Betroffene und Verletzte automatisch zu lokalisieren, Patienteninformationen zu erfassen und in Echtzeit an die Einsatzleitung zu übermitteln. Diese kann mithilfe der Daten aus den funkvernetzten Geräten und einer speziell auf den Einsatz zugeschnittenen Software Fahrzeuge und Einsatzkräfte vor Ort koordinieren und auch unter chaotischsten Bedingungen nach Dringlichkeit zu den Opfern schicken. Durch die technischen Möglichkeiten der Vernetzung können auch Krankenhäuser, Leitstellen und Krisenstäbe angebunden werden. Alle ermittelten Informationen stehen Einsatzleitung und Führungskräften jederzeit zur Verfügung; Karten, Strichlisten, Klemmbretter und Kladden werden überflüssig und Missverständnisse vermieden, sodass Entscheidungen schneller und auf gesicherter Datengrundlage getroffen werden können.
Zwischen Idee und finaler Umsetzung vergingen mehr als zehn Jahre – dies war der Komplexität der Problemstellung geschuldet, wie Dr. Stephan Heuer, der die Systemumsetzung bei ITK Engineering leitete und wissenschaftlicher Mitarbeiter am FZI war, erläutert: „Technische Systeme im Rettungsdienst sind immer besonders anspruchsvoll. In einer Situation maximaler Belastung müssen sich Rettungskräfte voll auf ihre eigentliche, notfallmedizinische Arbeit konzentrieren können. Ein Assistenzsystem darf daher keine unnötigen Entscheidungen vom Anwender verlangen, es muss übersichtlich, intuitiv bedienbar und zudem robust sein. Die RescueWave-Sichtungsgeräte sind beispielsweise auf Temperaturen zwischen minus 20 und plus 50 Grad Celsius ausgelegt und spritzwassergeschützt.“
In einem Praxistest durch Katastrophenschutzeinheiten aus dem rheinland-pfälzischen Landkreis Germersheim hat sich das System bereits bewährt. Wilhelm Stork zeigt sich zuversichtlich, dass es sich am Markt durchsetzen wird: „Das Konzept hat auf der Fachmesse RETTmobil 2017 unter Katastrophenschützern voll eingeschlagen. Mehrere deutsche Großstädte und Landkreise haben bereits Interesse bekundet.“
Quelle: Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
26.02.2018