Reif für die Klinik!

Es wurde viel geforscht, getestet und diskutiert in den vergangenen Jahren und nun endlich tritt die molekulare Bildgebung aus dem präklinischen Schatten hinaus in die klinische Welt. „Die bewährten Ergebnisse der Forschungen jetzt auch in den Dienst der Patienten zu stellen, das ist derzeit die Hauptmarschroute in der molekularen Bildgebung“, so Prof. Dr. Fabian Kiessling, Leiter des Lehrstuhls für Experimentelle Molekulare Bildgebung am Universitätsklinikum Aachen. Welche Methoden und Modalitäten das genau sind, darüber berichtete der Experte auf dem diesjährigen RadiologieKongressRuhr.

Prof. Dr. Fabian Kiesslig
Prof. Dr. Fabian Kiesslig

Bereits etabliert hat sich die Positronen-Emissions-Tomographie. Als Tool für das onkologische Ganzkörper-Staging, also zur Diagnose und Charakterisierung eines Tumors wird die Methode zunehmend an Bedeutung gewinnen und die Kombination mit CT und MR weiter in den Fokus rücken. „Insbesondere die Kombination PET/MR wird sich meiner Meinung zunehmend durchsetzen und eine echte Konkurrenz zum PET/CT darstellen. Auch wenn es heute noch viele kritische Stimmen gibt, die sich vor allem auf Zeit- und Kostenargumente berufen, wird die weitere Entwicklung der Methode noch etliche Vorteile zu Tage fördern“, so Kiessling.
Darüber hinaus findet die optische Bildgebung mehr und mehr Beachtung bei der Darstellung und Untersuchung molekularer Prozesse. In der Augenheilkunde konnten sich Fluoreszenzfarbstoffe für die Retina-Diagnostik bereits etablieren, mittels fluoreszierender Sonden sollen sie künftig auch für den Einsatz in der abdominellen Chirurgie verfügbar sein und den Operateur bei der Detektierung von Mikrometastasen unterstützen. Aber auch bei der Lymphknoten- und Arthritis-Diagnostik kommt die optische Bildgebung im Nahinfrarot-Bereich ins Spiel.
Als dritten klinikrelevanten Bereich der molekularen Bildgebung sieht Kiessling den Ultraschall: „Die ersten klinischen Studien zur vaskulären Charakterisierung und Diagnose mittels kontrastmittelbasiertem Ultraschall haben gerade begonnen. Ziel ist es, einzelne Läsionen über einen längeren Zeitraum kontinuierlich beobachten zu können oder Primärdiagnosen auch in einem ambulanten Umfeld effektiver zu gestalten.“
In der praktischen Anwendung wird es wohl der Mix der Methoden sein, der sich auch im Sinne eines effizienten Patientenmanagements durchsetzt, denn: „PET beispielsweise ist für die therapeutische Verlaufskontrolle unersetzlich, allerdings können wir die Patienten nicht alle drei Woche einer solchen Untersuchung unterziehen. Beschränken wir uns jedoch nur auf die morphologische Untersuchung, können wir die Aktivität der Metastasen nicht beurteilen. Eine sinnvolle Kombination könnte hier ein regelmäßiges Ganzkörper-Staging mittels PET oder PET-Hybrid in Kombination mit einer kontinuierlichen Therapiekontrolle anhand einer Läsion mittels Ultraschall sein.“
Nicht nur die Methoden gilt es zu mixen, entscheidend für die klinische Umsetzung der molekularen Bildgebung ist die Kombination und Kooperation der unterschiedlichen Fachrichtungen. „Um molekulare Bildgebung zu betreiben, bedarf es eines komplexen Netzwerkes aus Pharmazeuten, Pathologen, Biologen, Informatikern, Ingenieuren und Chemikern. Die Mediziner – Radiologen und Nuklearmediziner gleichermaßen - sind zwar das ausführende Organ, ohne die interdisziplinäre Zusammenarbeit wüssten wir aber beispielsweise nicht, welche Targets verfolgt werden müssen oder wie die diagnostischen Bilder sinnvoll zusammengefügt werden“, weiß Kiessling aus Erfahrung.
Trotz dieser Interdisziplinarität kommen laut Kiessling aber auch die Radiologen nicht darum herum, sich intensiver mit der Molekularbiologie und zellulären Mechanismen auseinander zu setzen: „Was uns die molekulare Bildgebung liefert sind keine schlichten Bilder, es sind funktionelle Daten über die Eigenschaften von Gewebe. Um daraus relevante Schlüsse ziehen zu können, muss man wissen, wie diese Eigenschaften einzuordnen sind. Hierzu gehören auch Grundkenntnisse im Bereich Pharmakokinetik, um beispielswiese bestimmen zu können, wie sich bestimmte Substanzen im Körper verhalten und welche Effekte sie erzielen.“
Bei der molekularen Bildgebung handelt es sich also um weit mehr als die Summe der Modalitäten, gefragt sind neue Strukturen und Prozesse, die über die Fachbereichsgrenzen hinausgehen.
 

30.10.2010

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