Primäre Knochentumoren – selten, aber da

Diagnostik jenseits der radiologischen Routine

Haben Sie in Ihrer Berufspraxis schon einmal ein Osteosarkom gesehen? Oder ein Chondrosarkom? Maligne primäre Knochentumoren sind derart selten, dass viele Radiologen ihnen nur wenige Male in ihrem Arbeitsleben begegnen.

Dr. Herbert Rosenthal
Dr. Herbert Rosenthal

Die Zahl der Neuerkrankungen in Deutschland liegt bei etwa 700 bis 1.000 Fällen im Jahr. Diagnostische Erfahrungswerte mit diesen Tumorerkrankungen sind also rar gesät und dementsprechend schwierig gestaltet sich die diagnostische Zuordnung. Hinzu kommt, dass die primären Knochentumoren trotz ihrer Seltenheit sehr unterschiedliche und vielfältige Formen annehmen. Deshalb geht hier ohne das spezifische Fachwissen verschiedener Experten häufig nichts, weiß Dr. Herbert Rosenthal, Leitender Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Medizinischen Hochschule Hannover.

„Im Gegensatz zu den Metastasen tritt eine Vielzahl primärer Knochentumoren bereits im Kindes- und Jugendalter auf“, erklärt Dr. Rosenthal, „sie werden durch Schwellungen und Schmerzen symptomatisch. Ein häufig auftauchendes Problem bei diesen noch sehr jungen Patienten ist es, einen Knochentumor von anderen Pathologien wie Überlastungsschäden oder Stressfrakturen zu unterscheiden.“ Eine Früherkennung wird dadurch außerordentlich erschwert, ist aber auch besonders wichtig, da sich die Heilungschancen durch moderne Behandlungskonzepte in Verbindung mit Chemotherapie deutlich verbessert haben. Dennoch haben die meisten bösartigen Knochentumoren zum Zeitpunkt ihrer Diagnose bereits einen Durchmesser von mehr als 5 Zentimetern erreicht.

Hinsichtlich der artdiagnostischen Zuordnung von Knochentumoren dient auch heute noch das konventionelle Röntgenbild als Basis. „In vielen Fällen kann man jedoch allein aufgrund der Röntgenbilder keine 100-prozentige Artdiagnose stellen“, berichtet der Leitende Oberarzt, „teilweise kommen bis zu 50 verschiedene Tumorarten und tumorähnliche Läsionen infrage. Deshalb ist es grundsätzlich notwendig, vor der Behandlung eine Gewebeprobe zu entnehmen, um eine zweifelsfreie diagnostische Zuordnung zu treffen.“

Um zu entscheiden, über welchen Weg und wo im Tumor die Biopsie stattfinden soll, stellt die Schnittbildgebung mit MRT oder CT das primäre Planungstool dar. Die kontrastmittelgestützte MRT bietet hervorragende Möglichkeiten, um die durchbluteten Tumorareale und ihre Ausdehnung zu bestimmen. „Allerdings ist ein wesentlicher Nachteil der Methode bei der Bildgebung des Knochens, dass sich nicht gut einschätzen lässt, ob der Tumor die Stabilität des Knochens gefährdet, zum Beispiel ob die Wirbelsäule frakturgefährdet ist. Bei dieser Fragestellung zeigt die CT deutliche Vorteile“, ergänzt der Experte.

Gerade weil es sich bei primären Knochentumoren um sehr seltene Erkrankungen handelt, sollte man nicht außer Acht lassen, dass die Pathologen vor demselben Problem stehen wie die Radiologen: Es fehlt zum einen an Erfahrung und zum anderen kann das Krankheitsbild sehr vielgestaltig ausfallen“, gibt Rosenthal zu bedenken, „das heißt, die enge Absprache zwischen Radiologen und Pathologen, aber auch der Abgleich mit den diagnostischen Ergebnissen weiterer Fachärzte in einem Tumorboard sind hier absolut essenziell.“

Auf die abschließende Frage, ob molekulare Bildgebungsverfahren wie PET-CT oder MR/PET die Bildgebung der Knochentumoren in Zukunft verbessern könnten, antwortet Rosenthal: „Bei der Diagnostik von Primärtumoren nicht, eben weil diese Erkrankungen so selten auftauchen, dass eine Frühdiagnostik im Grunde nicht möglich ist. Für die Erkennung von Metastasen sowie zur Therapiekontrolle sind PET-CT- oder MR/PET-Untersuchungen aber durchaus denkbar, auch wenn man ihren zukünftigen Stellenwert jetzt noch nicht quantifizieren kann.“

IM PROFIL
Dr. Herbert Rosenthal ist seit 1993 Leitender Oberarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Nach dem Studium der Humanmedizin und der Promotion an der Universität Göttingen hat er in Hannover die Facharztweiterbildung abgeschlossen, unterbrochen von einem einjährigen Forschungsaufenthalt am Massachusetts General Hospital der Harvard Medical School in Boston. Seit 2006 leitet er die neu geschaffene Sektion Muskuloskelettale Radiologie mit den Schwerpunkten Tumorerkrankungen, Rheumatologie und Traumatologie an der MHH.

29.05.2013

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