Eine Frau mit VR-Headset und VR-Controllern steht vor einem großen Bildschirm,...
Die im Projekt EPSILON entwickelten VR-Tools lassen sich für kognitive Belastungs- und räumliche Gedächtnistests einsetzen.

© Fraunhofer HHI 

News • Präzise Zuordnung von Symptomen

Post-Covid: Bessere Diagnostik mit VR

An Covid-19 Erkrankte können noch lange nach ihrer Akutbehandlung an körperlichen und psychischen Beschwerden leiden. Um Betroffene zielgerichtet therapieren zu können, ist eine präzise Diagnostik der Spätfolgen erforderlich.

Ziel des Projekts EPSILON ist es, mithilfe interaktiver Virtual Reality-Technologien und am Körper getragener Sensoren die häufigsten Symptome – Fatigue und kognitive Defizite – genau zu charakterisieren, zu unterscheiden und voneinander abzugrenzen. Das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut, HHI koordiniert das Projekt und entwickelt in enger Kooperation mit den Partnern VR-gestützte, Diagnostikmethoden zur Erfassung und Analyse von Post-Covid-Symptomen. 

Die Infektion ist vorbei, doch die Symptome bleiben: Weltweit leiden Millionen Menschen unter Post-Covid. Mehr als 200 Symptome sind inzwischen bekannt, sie können nahezu jedes Organ betreffen: Herz oder Lungen, Nieren oder Magen-Darm-Trakt, Sinnessystem oder Stoffwechsel, Muskeln oder Gehirn. Betroffene schildern etwa Muskel- und Brustschmerzen, Atemnot, Husten, Gedächtnis-, Schlaf-, Riech- und Geschmacksstörungen oder Herzklopfen. Zu den häufigsten Spätfolgen gehören kognitive Defizite und Erschöpfungszustände wie das Fatigue-Syndrom. Die Beschwerden sind noch länger als drei Monate nach Beginn der Sars-CoV-2-Infektion vorhanden. Neben dem persönlichen Leid sind die ökonomischen und sozialen Auswirkungen für die Gesellschaft groß. 

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Noch Jahre nach dem ersten Ausbruch und Verbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 ist der Einfluss auf das tägliche Leben zu spüren. Insbesondere das Krankheitsbild Post-Covid ist noch in weiten Teilen ungeklärt. Lesen Sie hier aktuelle Entwicklungen aus Forschung und Politik sowie die Hintergründe zu Covid-19.

Patienten mit Post-Covid-Beschwerden fühlen sich krank, oftmals gibt es jedoch keine eindeutige Bezeichnung für ihr Leiden

Paul Chojecki

So verschieden die Symptome sind, so unterschiedlich fallen auch die Erfordernisse einer passenden Behandlung aus. Neben einer präzisen Diagnostik ist eine zuverlässige Abgrenzung zu anderen Erkrankungen wie Depressionen oder dem Burn-out-Syndrom bei beruflicher Überlastung erforderlich. Dieser Aufgabe widmen sich die Forschenden im Projekt EPSILON. Um zielgerichtete Therapien einleiten zu können, erarbeiten sie unter der Koordination des Fraunhofer HHI objektive und präzise Unter-scheidungskriterien für die beiden häufigsten Beschwerdebilder der Post-Covid-Erkrankung: kognitive Defizite wie beispielsweise Konzentrationsschwächen oder eingeschränkte Gedächtnisleistungen sowie das Fatigue-Syndrom, ein Gefühl anhaltender Erschöpfung, Müdigkeit und Antriebslosigkeit. Ziel der Projektpartner ist es, mit einem Set an multimodalen Diagnostikwerkzeugen den kognitiven und vegetativen Zustand sowie Verhaltensmuster von Erkrankten objektiv zu erfassen. "Patienten mit Post-Covid-Beschwerden fühlen sich krank, oftmals gibt es jedoch keine eindeutige Bezeichnung für ihr Leiden. Mit unseren in den Tests erhobenen Gesundheitsdaten entwickeln wir ein Analysewerkzeug, das einfach und schnell die Schwere der kognitiv- und Fatigue-assoziierten Einschränkung attestiert. Damit können sich Betroffene an ihren Hausarzt oder eine Post-Covid-Anlaufstelle zur gezielten Behandlung wenden", sagt Paul Chojecki, Wissenschaftler am Fraunhofer HHI und Koordinator von EPSILON. 

Für den Aufbau eines individualisierten Datenprofils werden Post-Covid-Patienten aufwändigen Vorab-Screenings in Post-Covid-Ambulanzen und Tests in den am Projekt teilnehmenden Kliniken unterzogen. Diese Untersuchungen werden durch weitere Tests ergänzt, für die die Forschenden neben VR-Technologien mit eigens entwickelten Apps auch Smart Watches, am Körper angebrachte Sensoren sowie digitalisierte psychologische Tests nutzen. Während die Wearables Vital- und Schlafdaten aufzeichnen, erfassen die interaktiven VR-Tools Blicke, Gesten und Körperbewegungen, und nutzen die ermittelten Parameter für die Diagnostik – etwa um den Grad der körperlichen Anstrengung abzuleiten und zu beurteilen. Die VR-Tools lassen sich zudem für kognitive Belastungs- und räumliche Gedächtnistests einsetzen. Bei diesen dreidimensionalen Memory-Aufgaben müssen die Betroffenen unter anderem die richtige Position von Objekten im Raum erinnern und wiederherstellen. 

Die so erhobenen Daten werden in einem vom Fraunhofer HHI entwickelten interaktiven Datenraum, der webbasierten Analyseplattform EPSILON, gesammelt, zusammengeführt und automatisch mit KI-Algorithmen analysiert. Auf dieser Datenbasis wollen die Projektpartner das multimodale Modell zur Charakterisierung der Post-Covid-Subtypen implementieren. Damit sollen die Nutzenden eine Visualisierung der Ergebnisse in Echtzeit erhalten. Die Auswertung der Daten mit Erläuterungen steht nicht nur medizinischem Fachpersonal und Forschenden zur Verfügung. Geplant ist, auch Patienten den Zugriff auf die Ergebnisse über ein Visualisierungs-Dashboard mit einer eigens konzipierten Oberfläche zu ermöglichen. Dieses Vorgehen soll Post-Covid-Anlaufstellen entlasten und eine wertvolle Datenbasis für die zukünftige Covid-Forschung und weitere Anwendungen schaffen. 

Aktuell befindet sich das Projekt noch in der Phase der Datenerhebung. Künftig wollen Chojecki und sein Team den interaktiven Datenraum auch an die Erforschung anderer Erkrankungen anpassen. Geplant ist beispielsweise, die Auswertungsplattform im Projekt TeMoRett zu nutzen, in dem die Forscher am Fraunhofer HHI technische Methoden für Übungsprogramme entwickeln, die Kindern mit Rett-Syndrom zugutekommen, einer sehr seltenen genetischen Erkrankung. 


Quelle: Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut, HHI 

03.10.2025

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