Bildquelle: FAU/Andreas Rowald
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Personalisierte Elektro-Therapien dank 'digitalem Zwilling'
Die Idee, bestimmte Leiden mit elektrischem Strom zu behandeln, ist nicht neu. Doch wenn man ausgefeiltes physikalisches und medizinisches Know-how sowie moderne Medizintechnik richtig einzusetzen weiß, sind die Effekte, die sich damit erzielen lassen, eindrucksvoll.
Das beweisen Wissenschaftler um Dr. Andreas Rowald vom Lehrstuhl für Digital Health an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Sie entwickeln maßgeschneiderte Therapien sowie Alltagsunterstützung für Patienten mit neurologischen Leiden wie Parkinson, Schäden durch Schlaganfälle oder Wirbelsäulenverletzungen.
In einem aktuellen Paper im Fachjournal Nature Medicine stellt die Fachgruppe ihre Erkenntnisse vor.
Mit personalisierter Elektrostimulation [können wir] oftmals schon in der ersten Sitzung kleine, manchmal auch größere Erfolge erzielen
Andreas Rowald
Mit Elektro-Therapien lassen sich bei einer Vielzahl von Krankheiten beachtliche Erfolge erreichen, zum Beispiel lassen sich die Auswirkungen neurodegenerativen Erkrankungen, bei denen wichtige Nervenzellen im Körper abgebaut werden, lindern. Verletzte Nervenzellen und -stränge können reaktiviert werden. Hilfreich kann schwacher elektrischer Strom auch dabei sein, bestimmte Körperfunktionen, wie den Schmerz abzuschalten. Im besten Fall macht eine solche Behandlung Medikamente überflüssig; Nebenwirkungen treten nur sehr selten auf.
Doch: „Ein Geheimnis der Medizin ist, dass man oftmals gar nicht so recht versteht, wie eine Behandlung ganz genau wirkt“, erklärt Dr. Andreas Rowald, der die Arbeitsgruppe 'ProModell: Interaktive Erzeugung und Simulation von prognostischen, personalisierten digitalen Patientenmodellen' leitet. „Man weiß nur, dass sie einen Heilerfolg bringt, sich aber trotz gleicher Mittel bei verschiedenen Menschen unterschiedlich auswirkt. Das gilt für Medikamente ebenso wie für die Behandlung mit elektrischem Strom.“
Deshalb ist es das Ziel des Physikers, die Mechanismen der Elektrotherapie besser zu verstehen. Der erste Schritt: den Patienten so gut wie möglich kennenlernen – und zwar von innen. Mittels moderner bildgebender Verfahren wie MRT oder CT sowie tragbarer Sensoren sammelt er wichtige Daten: über die Beschaffenheit von Fett und Knochen, über Stärke und Größe von Muskeln, über die Verschaltung der Nerven, den elektrischen Widerstand der Gewebe und vieles mehr. Daraus konstruiert Rowald dann im Computer einen digitalen Zwilling des Patienten und kann dort simulieren, was passiert, wenn man die eine oder andere Stelle mit elektrischem Strom anregt. „Wenn wir verstehen, was im Körper abläuft, dann können wir im zweiten Schritt die besten Behandlungsmöglichkeiten für den einzelnen Patienten bzw. Patientin ausloten“, erklärt Rowald.
Das heißt, Andreas Rowald und sein Team suchen mithilfe komplexer physikalischer Berechnungen nach den Stellen, an denen idealerweise Elektroden angelegt werden sollen, sie berechnen die optimale Spannung und Stromstärke, loten aus, ob dauerhaft oder in Pulsen stimuliert werden soll. „Natürlich verändern die Therapeuten bei der herkömmlichen Behandlung ohne Personalisierung auch die Art der Stimulation. Doch hier zeigt die Erfahrung, dass die Therapie sehr viel länger dauert und von Patient/innen und Betreuer/innen sehr viel mehr Geduld fordert, während wir mit personalisierter Elektrostimulation oftmals schon in der ersten Sitzung kleine, manchmal auch größere Erfolge erzielen“, sagt Rowald.
Ein Ziel der Forschungsarbeit von Andreas Rowald und seinem Team ist es daher, Computermodelle für die Personalisierung von Therapien zu entwickeln, die zwar bestmöglich auf eine Person zugeschnitten sind, aber auf weniger aufwändig erhobenen Daten basieren. Am Lehrstuhl für Digital Health werden Computermodelle und digitale Zwillinge für eine Vielzahl medizinischer Anwendungen entwickelt und analysiert.
Für wissenschaftliche Studien sucht das ProModell-Team immer nach Patienten mit neurologischen Erkrankungen. Auch sucht das ProModell-Team Nachwuchswissenschaftler, die Interesse an Forschungsarbeiten rund um das Thema digitale Zwillinge zur Behandlung von neurologischen Störungen haben.
Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
15.02.2022