Artikel • Von der Krebsforschung in die Praxis
Onkologie: Harte Fakten sind gefragt
Anlässlich der gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO, OeGHO, SGMO und SGH) betonten Fachexperten die Wichtigkeit valider, gut aufbereiteter Informationen für den klinischen Alltag und für versorgungspolitische Diskussionen.
Bericht: Michael Krassnitzer
„Das Gebiet der Hämatologie und Onkologie wird immer komplexer und dynamischer. Wie wichtig hier Kommunikation ist und wie sehr sie in der Pandemie fehlte, hat sich in den letzten Monaten auf sämtlichen Ebenen gezeigt“, erklärte Prof. Dr. Andreas Mackensen, Präsident der gemeinsamen Jahrestagung sowie Direktor der Medizinischen Klinik – Hämatologie und Internistische Onkologie des Universitätsklinikums Erlangen. „Man konnte sehr deutlich wahrnehmen, wie sehr die Teilnehmer vor Ort es genossen haben, sich wieder einmal in persona zu treffen“, resümierte Mackensen zum Abschluss der Tagung, die von 1. bis 4. Oktober 2021 als Hybridveranstaltung – teils virtuell, teils vor Ort in Berlin – über die Bühne ging. Die behandelten Themen reichten von der Präzisions- und Immunonkologie und CAR-T-Zell-Therapie bis zur Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz sowie Arzneimitteltherapiesicherheit. Zudem stand das gesellschaftspolitisch wichtige Thema der assistierten Selbsttötung auf der Agenda.
Im Zentrum der Jahrestagung stand der Austausch über den aktuellen Stand der medikamentösen Tumortherapie. Wichtige Innovationen der letzten Jahre wie Immuncheckpoint-Inhibitoren und monoklonale Antikörper haben die Prognose für Patienten mit ganz unterschiedlichen Krebserkrankungen teilweise bedeutsam verbessert. „Trotz der Covid-19-Pandemie konnten die zahlreichen Innovationen – besonders in der medikamentösen Therapie – erfolgreich in die flächendeckende Versorgung von Patienten mit hämatologischen und onkologischen Erkrankungen integriert werden“, unterstrich Prof. Dr. Markus Manz, Past-President der Schweizerischen Gesellschaft für Hämatologie (SGH) und Direktor der Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie am Universitätsspital Zürich: „Wissenschaft muss in Pandemie-Zeiten weitergehen und darf nicht stillstehen.“
Die rasante Entwicklung der Hämatologie und Medizinischen Onkologie stellt die betroffenen wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften vor große Herausforderungen. „Denn der Wissenszuwachs im Bereich der Diagnostik und Therapie von hämatologischen und onkologischen Erkrankungen muss schnell in die Versorgung von Patienten integriert werden“, erläuterte Prof. Dr. Lorenz Trümper, Geschäftsführender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) sowie Vorstand Krankenversorgung der Universitätsmedizin Göttingen. Dazu müssen sich ändernde Diagnostik- und Therapiestandards seitens der Fachgesellschaften so aufbereitet und den behandelnden Ärzten zur Verfügung gestellt werden, dass sie diese im klinischen Alltag gut umsetzen können.
Onkopedia bringt Leitlinien-Wissen in jede Medizinertasche
Zu diesem Zweck wurde die Internet-Plattform Onkopedia aufgebaut, die den aktuellen Stand des Wissens auf dem Fachgebiet bereitstellt und in Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie übersetzt. „Im deutschsprachigen Raum hat sich die Onkopedia als die Referenz etabliert, die tatsächlich im klinischen Alltag genutzt wird“, betonte Trümper. Autorengruppen mit fünf bis 15 Fachmedizinern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz kümmern sich um die Redaktion der Onkopedia-Leitlinien und können kurzfristig Änderungen vornehmen. Bis zu 80.000 User klicken das Online-Angebot pro Monat an. „Besonders die in Onkopedia enthaltenen Algorithmen sind für den klinischen Alltag und die notwendigen Entscheidungen in der Hämatologie und Onkologie mittlerweile zu einem unentbehrlichen Instrument geworden“, sagte Trümper. Onkopedia ist auch als App verfügbar und kann daher zum Beispiel auf jenen Tablets bzw. Pads installiert werden, die Ärzte im klinischen Alltag mit sich herumtragen.
In Österreich wird gerade an intensiv an einem anderen Instrument gearbeitet, das im Zeichen der sachlichen Darstellung und gut verständlichen Aufbereitung von Informationen in Sachen Krebs steht: dem ersten Österreichischen Krebsreport, der den Status Quo der landesweiten Krebsversorgung darstellen soll. „Der Österreichische Krebsreport ist als unabhängige und referenzierbare Informationsgrundlage für Diskussionen bezüglich der Krebsversorgung gedacht“, erklärte Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (OeGHO) sowie Vorstand der 1. Medizinischen Abteilung am Zentrum für Onkologie und Hämatologie der Klinik Ottakring in Wien. „Die Zukunft der onkologischen Entwicklung soll auf Zahlen, Daten und Fakten aufbauen“, betonte Hilbe. Der Österreichische Krebsreport wird zukünftig jährlich am 4. Februar, dem Weltkrebstag, präsentiert werden. Ein – wenig überraschendes – Ergebnis des Berichtes verrät der Wiener Onkologe bereits jetzt: „Bei den Früherkennungsuntersuchungen ist es im ersten pandemiebedingten Lockdown zu einem teils drastischen Rückgang gekommen.“
12.10.2021