
© MUI; David Bullock
News • Angepasste Infusion
Nierenersatztherapie: neuer Ansatz hilft Intensivpatienten
Ein akutes Nierenversagen hat eine schädliche Übersäuerung des Körpers zur Folge. Rund 100 kritisch kranke Patienten sind in Innsbruck jährlich auf eine kontinuierliche Nierenersatztherapie angewiesen.
Mediziner um Michael Joannidis und Fabian Perschinka forschen an der Medizinischen Universität Innsbruck daran, die kontinuierliche Nierenersatztherapie auf Intensivstationen zu optimieren und die Mortalität zu senken. Im Rahmen einer Untersuchung, die nun im Fachjournal Intensive Care Medicine publiziert wurde, sind die Wissenschafter einen großen Schritt vorangekommen. Die Innsbrucker Patienten profitieren bereits davon.

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Die Niere ist ein lebenswichtiges Organ, das für die Entgiftung von Stoffwechselprodukten und die Aufrechterhaltung des Säure-Basen Haushaltes essentiell ist. Die kontinuierliche Nierenersatztherapie (Hämofiltration) ist ein extrakorporales Blutreinigungsverfahren, das diese Funktion bei Intensivpatienten rund um die Uhr übernimmt. „Wenn die Nieren versagen, würde man innerhalb kurzer Zeit sterben. Die Nierenersatztherapie auf der Intensivstation verhindert das“, sagt Joannidis, der an der Univ.-Klinik für Innere Medizin I (Direktor: Herbert Tilg) die Gemeinsame Einrichtung für Internistische Intensiv- und Notfallmedizin leitet. Dennoch ist die Sterblichkeit hoch. Nur etwa 60 von 100 Intensivpatienten, die mit einer Nierenersatztherapie behandelt werden müssen, überleben.
Vor diesem Hintergrund haben Joannidis (Seniorautor) und Perschinka (Erstautor) ihre Studie konzipiert. Sie setzten bei einer Gerinnungshemmung an, die gleichzeitig den Säure-Basen Haushalt kontrolliert. Bei jedem extrakorporalen Verfahren muss die Blutgerinnung gehemmt werden, wie Joannidis erklärt. Andernfalls würde bei der Nierenersatztherapie der Filter verkleben. Vor rund 20 Jahren wurde bei der kontinuierlichen Nierenersatztherapie erstmals anstatt einer systemischen Blutverdünnung mit Heparin die regionale Gerinnungshemmung (i.e. Antikoagulation) mit Citrat eingeführt. Seit etwa zehn Jahren wird sie im deutschsprachigen Raum großflächig eingesetzt. „Das war ein großer Fortschritt. Früher hatten die Patienten ein hohes Blutungsrisiko und konnten etwa im Falle einer dringlich notwendigen Operation oft nicht sofort operiert werden. Das Citrat wirkt ausschließlich im Blut, das sich außerhalb des Körpers befindet, und wird im Körper zu Bicarbonat abgebaut“, erläutert Joannidis die Vorteile der Methode. Das entstehende Bicarbonat wirkt zudem der Übersäuerung entgegen, die durch den Ausfall der Nierenfunktion entsteht.
Es gibt Hinweise dafür, dass eine Alkalose, ebenso wie eine Azidose, zu einer erhöhten Sterblichkeit führen kann, weil sich der Sauerstofftransport und die Aktivität der körpereigenen Proteine verändern
Michael Joannidis
Aber: Die Substitutionslösung, die den Patienten zum Ausgleich des Flüssigkeitsverlusts, der bei der Hämofiltration entsteht, gegeben werden muss, ist mit der Änderung der Antikoagulationsmethode nicht angepasst worden. „Wir haben schon in früheren Arbeiten festgestellt, dass eine Azidose (Übersäuerung) unter dieser Therapie zwar rasch ausgeglichen wird, aber 40% der Patienten dann eine Alkalose (Basenüberschuss) entwickeln. Das heißt, sie entwickeln einen pH-Wert, der über dem Normalwert liegt.“, sagt Perschinka. „Es gibt Hinweise dafür, dass eine Alkalose, ebenso wie eine Azidose, zu einer erhöhten Sterblichkeit führen kann, weil sich der Sauerstofftransport und die Aktivität der körpereigenen Proteine verändern“, bringt es Joannidis auf den Punkt.
Die Idee der Mediziner: Besser wäre eine weniger basische Substitutionslösung. Entgegen aller Bedenken, dass eine Lösung mit weniger Basen den ohnehin übersäuerten, kritisch kranken Patienten zusätzlich schaden könnte, bestätigte sich die Hypothese von Joannidis Team. „Die bisherige Lösung hat 30 Millimol Bicarbonat, die neue Lösung hat 22 Millimol und wir haben im Körper normalerweise 24 Millimol. Wir führen mit der neuen Lösung also etwas weniger Basen zu, um gegenzusteuern.“
Bei 88 Probanden haben die Forscher einem randomisierten Studiendesign zufolge die Untersuchung 96 Stunden lang durchgeführt und bei allen nach der Hälfte der Zeit die Infusionslösung ausgetauscht. Dabei behielten sie ständig den pH-Wert im Auge. „Wir haben die Studie so konzipiert, um zu sehen, ob die Veränderungen im Säure-Basen-Haushalt wirklich mit der jeweils verwendeten Lösung zusammenhängen.“ Die Mediziner konnten damit zeigen, dass die weniger basische Lösung keine Gefahr für die Patienten darstellt und, dass sich der pH-Wert genauso schnell normalisiert wie mit der bisherigen Ersatzflüssigkeit. Insgesamt ermöglichte sie eine bessere metabolische Kontrolle und Stabilität.
Es zeichnete sich außerdem ein nicht signifikanter Trend zu einer reduzierten Sterblichkeit bei jenen Probanden ab, die zuerst die Substitutionslösung mit weniger Bicarbonat erhielten (23% gegenüber 39%). Nun ist eine multizentrische Studie geplant, in der die Wissenschafter überprüfen wollen, ob die bessere metabolische Kontrolle auch zu einem besseren Langzeitüberleben führt. In der Zwischenzeit kommen die Studienergebnisse den Innsbrucker Patienten bereits zugute. An der internistischen Intensivstation wird für die kontinuierliche Nierenersatztherapie nun die offenbar besser geeignete Infusionslösung in Kombination mit der Citrat-Antikoagulation verwendet. „Das ist jetzt unsere Hauptstrategie“, sagt Joannidis.
Quelle: Medizinische Universität Innsbruck; Text: D. Mair
16.12.2025




