Neuartige Form der Herzschwäche und deren Mechanismus identifiziert

Wissenschaftler des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) identifizierten das Protein Nexilin und fanden heraus, dass Mutationen des Proteins zu einer starken Beeinträchtigung der Herzmuskelfunktion und damit zu einer neuartigen Form der Herzschwäche führen. Sie konnten zeigen, dass Nexilin den Herzmuskel vor Schädigung schützt und entscheidend für seine enorme Leistungskraft ist.

Die unter Federführung von Privatdozent Dr. Wolfgang Rottbauer und Prof. Dr. Hugo A. Katus, Universitätsklinikum Heidelberg, in Kooperation mit mehreren NGFN-Standorten durchgeführte Studie zeigt damit erstmalig eine neuartige Form der Herzmuskelschwäche und ihren Pathomechanismus. Die Ergebnisse wurden jetzt in „Nature Medicine“ veröffentlicht.

Das Herz eines Menschen schlägt in seinem Leben etwa 2,5 Milliarden Mal und pumpt dabei etwa 250 Millionen Liter Blut durch den Körper. Um diese enorme Leistung zu verrichten, müssen Herzmuskelfasern extrem belastbar sein. Herzmuskelerkrankungen mit Erweiterung des Herzens (Dilatative Kardiomyopathien) gehören zu den häufigsten Ursachen einer chronischen Herzschwäche. In ihrer Folge sind Herzkammern und Vorhöfe erweitert und können nicht mehr kräftig genug pumpen. Das Herz wird schwach.

Im Sarkomer, der kleinsten Muskelfasereinheit, findet die Muskelbewegung statt. Dort ziehen sich bei entsprechendem Reiz Aktin- und Myosinfilamente ineinander und verkürzen dadurch den Muskel. Diese beweglichen Elemente sind in der sogenannten Z-Scheibe, einem Strukturelement des Muskels, verankert. Bei jedem Herzschlag wirken enorme Kräfte auf die Z-Scheiben. Die Arbeitsgruppe um PD Dr. Wolfgang Rottbauer konnte nun ein neues Schlüsselmolekül identifizieren, das den Z-Scheiben ermöglicht, der großen Belastung während der Muskelkontraktionen standzuhalten. Sie konnten auch nachweisen, dass Veränderungen oder der Verlust dieses Proteins zu chronischer Herzschwäche führen.

„Wir haben in unseren Untersuchungen an Zebrafischen ein Protein identifiziert, welches unabdingbar notwendig ist, um die Z-Scheiben zu stabilisieren. Ist dieses Protein (Nexilin) genetisch verändert, so sind die beweglichen Muskelelemente nicht mehr ausreichend fest verankert. Die Z-Scheiben zerreißen und die Muskeln verlieren dadurch an Kraft“, erläutert Dr. Tillman Dahme, Assistenzarzt und Co-Autor der Studie.

Um die Rolle von Nexilin bei Patienten mit Herzschwäche zu bewerten, untersuchten die Forscher um PD Dr. Rottbauer in Kooperation mit weiteren NGFN Wissenschaftlern, darunter den Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Jeanette Erdmann und Prof. Dr. Heribert Schunkert aus Lübeck sowie von Prof. Dr. Monika Stoll aus Münster und Prof. Dr. Peter Nürnberg aus Köln, betroffene Patienten und konnten bei 9 von 1000 Studienteilnehmern Mutationen im Z-Scheiben-Protein Nexilin nachweisen, die zu der Herzmuskelerkrankung geführt hatten. „Wir konnten mit der Nexilin-Dilatativen-Kardiomyopathie erstmalig eine neuartige Form der Herzmuskelerweiterung beschreiben und hierfür den Mechanismus, nämlich die Destabilisierung der Z-Scheiben, definieren“, so Dahme.

Durch die Studien konnte auch eine direkte Abhängigkeit zwischen der Arbeitsbelastung des Herzens und dem Ausmaß der Zerstörung der Z-Scheiben gezeigt werden. Diese Erkenntnis kann den Einsatz klinischer Therapien optimieren. „Patienten mit einer genetischen Veränderung des Nexilin Gens könnten davon profitieren, frühzeitig mit Medikamenten behandelt zu werden, die die Herzarbeit erleichtern. Dadurch könnte die Belastung der Z-Scheiben gesenkt und der fortschreitenden Zerstörung des Herzmuskels vorgebeugt werden“, erklärt Privatdozent Dr. Rottbauer.

Originalarbeit:
Nexilin mutations destabilize cardiac Z-disks and lead to dilated cardiomyopathy. David Hassel, Tillman Dahme, Jeanette Erdmann, Benjamin Meder, Andreas Huge, Monika Stoll, Steffen Just, Alexander Hess, Philipp Ehlermann, Dieter Weichenhan, Matthias Grimmler, Henrike Liptau, Roland Hetzer, Vera Regitz-Zagrosek, Christine Fischer, Peter Nürnberg, Heribert Schunkert, Hugo A Katus & Wolfgang Rottbauer, Nature Medicine, published online 1 Nov 2009, DOI 10.1038/nm.2037

Link: http://dx.doi.org/10.1038/nm.2037

17.11.2009

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