Herzbiopsie von einem Patienten mit Covid-19. Mithilfe neuer Technologien kann...
Herzbiopsie von einem Patienten mit Covid-19. Mithilfe neuer Technologien kann die zelluläre Landschaft von klinisch gewonnenen Herzbiopsien dargestellt werden. Die Grenzflächen der Zellen sind grün angefärbt, die Zellkerne blau.

 © Eric Lindberg, Max Delbrück Center / LMU Klinikum

News • Forschung zu Covid-19, Impfung und anderen Ursachen

Myokarditis: Unterschiede nach Auslöser

Herzmuskelentzündungen unterscheiden sich je nach Auslöser – seien es Covid-19, die mRNA-Impfung gegen Covid-19 oder andere Ursachen.

Die Immunsignaturen bei Herzmuskelentzündungen (Myokarditis) unterscheiden sich je nach Ursache. Sie variieren je nachdem, ob sie durch Infektionen mit Sars-CoV-2 und durch mRNA-Impfstoffe ausgelöst wurden, im Vergleich zu Herzmuskelentzündungen ohne Zusammenhang mit Covid-19. Das zeigte eine Kollaboration unter der Leitung von Dr. Henrike Maatz, Wissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe „Genetik und Genomik von Herz-Kreislauferkrankungen“ von Professor Norbert Hübner am Max Delbrück Center in Berlin. Die Studie ist in „Nature Cardiovascular Research“ erschienen. „Wir haben signifikante Unterschiede bei der Immunaktivierung gefunden“, sagt Maatz, Co-Erstautorin der Studie. „Dieses Wissen könnte dazu beitragen, neue und passgenauere Therapien zu entwickeln, die auf bestimmte Entzündungstypen zugeschnitten sind.“

Myokarditis wird durch verschiedene Infektionen, Autoimmunerkrankungen, genetische und umweltbedingte Faktoren sowie in selten Fällen durch Impfungen verursacht. Covid-19 ist in erster Linie eine Atemwegserkrankung, aber es ist bekannt, dass eine Infektion mit Sars-CoV-2 auch das Herz schädigen kann. Bei Kindern und jungen Erwachsenen löst Sars-CoV-2 in seltenen Fällen ein multisystemisches Entzündungssyndrom aus. Die Myokarditis ist dabei das häufigste klinische Merkmal.  

Den Forschenden des Max Delbrück Center, des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) und der Charité – Universitätsmedizin Berlin bot die Pandemie eine einmalige Gelegenheit: Sie konnten untersuchen, ob sich Herzmuskelentzündungen je nach Ursache auch auf zellulärer und molekularer Ebene voneinander unterscheiden. 

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Noch Jahre nach dem ersten Ausbruch und Verbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 ist der Einfluss auf das tägliche Leben zu spüren. Insbesondere das Krankheitsbild Post-Covid ist noch in weiten Teilen ungeklärt. Lesen Sie hier aktuelle Entwicklungen aus Forschung und Politik sowie die Hintergründe zu Covid-19.

Hübners Arbeitsgruppe erforscht Herzerkrankungen bereits seit langem auf Einzelzellebene. Für die Studie kooperierten die Wissenschaftler mit Professor Carsten Tschöpe, Kardiologe am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC), Leiter der BIH-Forschungsgruppe „Immunokardiologie“ und Forscher am Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). Sein Team hatte Patienten mit Verdacht auf Herzmuskelentzündung Biopsien entnommen. „Wir haben am DHZC eine renommierte Ambulanz für Schwere Herzinsuffizienz und Kardiomyopathien. Die Ärzte sind darauf spezialisiert ist, in Einzelfällen Endomyokard-Biopsien durchzuführen“, sagt Tschöpe. 

Diese Ergebnisse deuten insgesamt auf eine stärkere Immunantwort bei Covid-19-Myokarditis im Vergleich zu Myokarditisformen hin, die wir vor der Pandemie kannten. Dagegen ist die Entzündung des Herzmuskels nach einer Impfung anscheinend weniger ausgeprägt

Norbert Hübner

„Das von der Charité während der Covid-19-Krise initiierte Forschungsprogramm wurde in den Versorgungsplan integriert und ist Teil des vom DZHK geförderten PERSONIFY-Programms. Patienten mit Myokarditis werden in diesem Programm sehr spezifisch und gezielt untersucht. Das ermöglicht umfassende und fortschrittliche Ansätze für die klinische und wissenschaftliche Auswertung“, sagt Tschöpe. „Wir sind den Patienten für ihr Vertrauen und ihren unschätzbar wertvollen Beitrag sehr dankbar. Gleiches gilt für die Leistung unseres auf Herzinsuffizienz spezialisierten Pflegepersonals. Die Pflegenden spielten eine entscheidende Rolle bei der Identifizierung der Patienten, der sorgfältigen Datenverwaltung, der Handhabung von Gewebe und Blut und vor allem bei der Versorgung der Patienten.“ 

Das Herzgewebe aus den Biopsien nutzten die Forschenden des Max Delbrück Center, um die RNA in den Zellkernen (snRNA-seq) zu sequenzieren. So konnten sie die Genexpression analysieren, Transkriptionsprofile jeder einzelnen Zelle erstellen und mithilfe der Profile die verschiedenen Zelltypen des Herzens identifizieren. Sie haben die molekularen Veränderungen in jeder Zelle und die Häufigkeit der verschiedenen Zelltypen im Herzmuskelgewebe von drei verschiedenen Gruppen untersucht: Proben, die Covid-19-positiv waren, Fälle, die durch mRNA-Impfstoffe verursacht wurden, und nicht-Covid-induzierte Herzmuskelentzündungen, die auf Virusinfektionen vor der Pandemie zurückgeführt werden konnten. 

Einige Veränderungen in der Genexpression ähnelten sich zwar in allen drei Gruppen, stellten die Wissenschaftler fest. Aber es gab erhebliche Unterschiede in der Genexpression der Immunzellen. Außerdem zeigten die Transkriptionsprofile, dass die Immunzellen je nach Ursache der Herzmuskelentzündung unterschiedlich häufig vorkamen. „Derartige Unterschiede waren überraschend“, sagt Dr. Eric Lindberg, Co-Erstautor der Studie und ehemaliger Postdoc im Forschungsteam von Hübner. Mittlerweile leitet er eine eigene Arbeitsgruppe am LMU-Klinikum in München. So beobachteten die Forschenden beispielsweise, dass nach der Impfung CD4-T-Zellen häufiger waren, während nach einer Sars-CoV-2-Infektion eher CD8-T-Zellen dominierten. In den Proben von Herzmuskelentzündung ohne Covid lag das Verhältnis von CD4- zu CD8-Zellen bei etwa 50:50. Die Genexpressionsdaten deuteten außerdem darauf hin, dass die CD8-T-Zellen in der Covid-19-Gruppe aggressiver erschienen als bei Myokarditis ohne Covid-Erkrankung. Die Forschenden fanden zudem in der Post-Covid-Myokarditis eine kleine Population von T-Zellen, die zuvor nur im Blut von schwerkranken Covid-19-Patienten beobachtet worden war. 

„Diese Ergebnisse deuten insgesamt auf eine stärkere Immunantwort bei Covid-19-Myokarditis im Vergleich zu Myokarditisformen hin, die wir vor der Pandemie kannten. Dagegen ist die Entzündung des Herzmuskels nach einer Impfung anscheinend weniger ausgeprägt“, sagt Professor Norbert Hübner vom Max Delbrück Center und der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Er forscht außerdem am DZHK und ist korrespondierender Autor der Studie. „Die Stichprobengröße bei den Herzmuskelentzündungen nach einer Impfung war zwar klein. Aber die Ergebnisse passen zu denen anderer Studien zur Myokarditis nach einer Impfung.“ 

Zwischen Entzündungen unterscheiden zu können, die durch verschiedene Infektionen und Impfungen verursacht sind, ebnet den Weg für eine bessere Behandlung, erläutert Maatz. Sie wäre dann auf die jeweilige Entzündung zugeschnitten. Basierend auf dieser Forschung könnten auch neue Therapien entwickelt werden, um beispielsweise die Nebenwirkungen von Impfstoffen zu kontrollieren. 

Proben aus Herzbiopsien seien außerdem meist winzig, oft nicht größer als ein Stecknadelkopf. Es sei eine Herausforderung gewesen, die snRNA-seq-Technik mit so kleinen Gewebemengen zu ermöglichen, erinnert sich Maatz: „Aber der Detailreichtum und die Tiefenschärfe der gewonnenen Erkenntnisse zeigen, wie leistungsfähig diese Methode ist – in Zukunft möglicherweise auch bei der Diagnose.“ 


Quelle: Max Delbrück Center

25.02.2025

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