Mit MRT in der ersten Reihe – kardiologische Bildgebung heute
Die Magnetresonanztomografie des Herzens etabliert sich neben der klassischen Computertomografie und drängt die Einzelphotonen-Emissionscomputertomografie in den Hintergrund.
Warum das so ist, erklärt Prof. Dr. med. Stefan Schönberg, Direktor des Instituts für Klinische Radiologie und Nuklearmedizin an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg: Funktions- und Perfusionsanalyse gemeinsam in einer Untersuchung zu haben, bietet einen Marker für klinische Endpunkte und erhöht so den prädiktiven Wert der bildgebenden Diagnostik.
„Mittels EKG-getriggerter Computertomografie gelingt es zwar, eine Koronararterienstenose 100-prozentig genau auszuschließen“, sagt Schönberg, „aber trotz aller technischen Fortschritte können wir den Grad einer Stenose nur mit 70- bis 80-prozentiger Genauigkeit bestimmen“. Doch in der Verantwortung des Radiologen liegt es eben auch, diesen Stenosegrad möglichst exakt zu ermitteln. Mit der Adenosin-Stress-MRT, so Schönberg weiter, kann vor einer geplanten elektiven Revaskularisation die hämodynamische Signifikanz einer Stenose erfasst werden (Abb. 1). Seit mehr als einem Jahrzehnt in der technischen Etablierung, „liefert die MRT bessere Ergebnisse als das gerade unter Kardiologen oft noch als Goldstandard angesehene kompetitive funktionelle Verfahren, die SPECT“. Gute Studien untermauern inzwischen diese These.
Genauer als SPECT
So publizierte Juerg Schwitter, assoziierter Professor am Universitätsklinikum Lausanne, im Namen der MR-IMPACT Untersucher gerade die Ergebnisse von 515 Patienten, die in 33 Zentren sowohl einer SPECT als auch einer MRT unterzogen wurden, um den Nachweis einer Myokardischämie zu erbringen. Die Koronarangiografie als Referenzmethode ergab für die koronare Herzerkrankung eine Prävalenz von 49 Prozent. Dabei war die Sensitivität der MRT mit einem Score von 0,67 höher als die der SPECT mit 0,59 und die Spezifität der MRT mit einem Score von 0,61 geringer als die der SPECT mit 0,72. Überlegenheit in der Sensitivität bei Unterlegenheit in der Spezifität bestätigen die MRT als sichere Alternative zur SPECT bei der Erkennung einer Minderperfusion der Koronararterien [Quelle: Eur Heart J (2012), doi: 10.1093/eurheartj/ehs022].
Mehr als nur Ischämienachweis
Reichert sich ein MR-Kontrastmittel in einer kardialen Struktur an, kann dies etwa 10 bis 15 Minuten später mit geeigneten MRT-Sequenzen signalstark dargestellt werden. Diese sogenannte späte Signalanhebung (delayed contrast enhancement, DCE) erlaubt, das ist lange bekannt, den Nachweis einer Infarktnarbe unabhängig davon, wie alt diese ist. Gleichzeitig kann aber mit der Analyse der Verteilungsmuster dieses DCE im Herzen eine hervorragende Differenzialdiagnose gegenüber anderen Kardiomyopathien durchgeführt werden. Und Schönberg geht noch einen Schritt weiter: „Hier in Mannheim konnten wir zusammen mit dem Kardiologen Professor Martin Borggrefe, ein Spezialist auf dem Gebiet der strukturellen Herzerkrankungen, zeigen, dass die Menge des DCE und damit die Myokardstrukturabnormalität bei der hypertrophen Kardiomyopathie (HCM) mit klinischen Faktoren für das Auftreten des plötzliches kardialen Todes und mit der Induzierbarkeit ventrikulärer Tachyarrhythmien unter programmierter Stimulation korreliert.“ [ Quelle: J Cardiovasc Magn Reson 2010;12:30] (Abb. 2). Weiterhin fanden Prof. Papavassiliu et al bei 87 Patienten mit einer HCM, welche sich mit (n=37, 42%) und ohne Vorhofflimmern (AF) präsentierten, dass das Ausmaß von DCE bei HCM Patienten mit AF signifikant größer ist als bei denen ohne AF [Quelle: J Cardiovasc Magn Reson 2009;11:34]. Zwar kann so das Auftreten von Vorhofflimmern noch nicht in gleicher Weise vorhergesagt werden wie durch die Vermessung des linken Vorhofs, doch Schönberg findet, „dass wir auch in der Radiologie lernen müssen, nicht nur die Phänomenologie zur Differenzialdiagnose einzusetzen, sondern auch den prädiktiven Wert hinsichtlich klinischer Endpunkte.“ Auftreten von höhergradigen ventrikulären Tachyarrhythmien sei zum Beispiel ein solcher Parameter, damit würde die MRT zunehmend zu einem Marker für das Patienten-Outcome.
Hohe Evidenz
„Die Koronarstenose, die nicht relevant ist, muss auch nicht gestentet werden – und vermeidet damit natürlich auch Kosten“, sagt Schönberg, und bekräftigt: „Entscheidend wird sein, dass wir als Radiologen lernen, diese klinischen Endpunkte auch zu verstehen. Ein junger Sportler, der das erste Mal höhergradige Herzrhythmusstörungen hat, braucht eine Herz-MRT, weil man damit auch sagen kann, wie hoch letztlich das Risiko für weitere lebensbedrohliche Tachyarrhythmien ist. Das sind die Endpunkte, die wir einsetzen müssen, um gegenüber den Kostenträgern noch intensiver zu argumentieren.“ Es geht ihm um den Ausschluss schwerer Ereignisse, um den Evidenzgrad der radiologischen Befundung: „Mittels kardialer MRT kann man in vielen Fällen das proarrhythmogene Substrat erkennen, sogar abgrenzen und somit eine Risikostratifizierung für den jeweiligen Patienten vornehmen, um auch die entsprechende Therapie einleiten zu können. Wenn ich sicher sagen kann, dieser Patient hat so und so viel DCE, also ein signifikant erhöhtes Risiko für das Auftreten von schweren Herzrhythmusstörungen, und braucht deshalb prophylaktisch einen Defibrillator, dann ist das echtes Vermeiden von Mortalität, der so häufig – und völlig zu Recht – geforderte Evidenzgrad I.“ Voraussetzung ist allerdings, dass Radiologen und Kardiologen so gut wie am Universitätsklinikum Mannheim zusammenarbeiten.
Und die Zukunft?
Erste Untersuchungen mit 7-Tesla-Geräten legen nahe, dass man vielleicht noch genauer arbeiten, vielleicht noch kleinere strukturelle Veränderungen zu sehen bekommen wird. Die X-Kern Bildgebung, z.B. das Natrium-Imaging, wird langsam zur Routine bei 3-Tesla-Geräten. Die in den 1980er Jahren entwickelte Diffusions-Tensor-Bildgebung erlaubt zunehmend auch Einblicke in die tiefere Struktur des Herzens. Schönberg ist sicher: „Man braucht eben immer erst eine hohe Standardisierung bei guter Genauigkeit und Robustheit, bevor die Methoden sinnhaft in den klinischen Ablauf integriert werden können und auch in der Breite Anwendung finden. Aber da sind wir jetzt angekommen. Bei 3 Tesla werden heutzutage in Echtzeit hochauflösende Perfusionsmaps generiert.“ Das sichert einen Platz in der ersten Reihe.
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Im Profil
Prof. Dr. Stefan Schönberg begann seinen beruflichen Werdegang in Heidelberg: Hier studierte er Humanmedizin an der Ruprecht-Karls-Universität und ließ sich danach am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) zum Radiologen weiterbilden. 2001 wechselte er an das Institut für Klinische Radiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er zunächst als Oberarzt und Leiter der Magnetresonanztomografie und später als geschäftsführender Oberarzt tätig war.
Seit 2007 ist Schönberg Direktor des Instituts für Klinische Radiologie und Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Mannheim, an dem MRT- und PET-CT Systeme der modernsten Bauart installiert sind. Schönberg ist Träger des Hermann-Holthusen-Rings 2006 der Deutschen Röntgengesellschaft für seine wissenschaftlichen Arbeiten in nationalen und internationalen Publikationen.
Fokus seiner Veröffentlichungen sind vor allem die vaskuläre und abdominelle Bildgebung, funktionelle Magnetresonanztomografie, Hochfeldmagnetresonanztomografie und onkologische Bildgebung. Prof. Schönberg ist medizinischer Koordinator des europäischen Infrastrukturprogramms EuroBioImaging.
09.05.2012