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Koronare Herzkrankheit: CT als Alternative zum Herzkatheter
Die Hauptauswertung einer Studie legt nahe, dass die Erkrankung mittels Computertomografie (CT) des Herzens ähnlich sicher erkannt werden kann, bei geringerem Komplikationsrisiko.
Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist weitverbreitet. Insbesondere in entwickelten und alternden Gesellschaften zählt sie zu den häufigsten Todesursachen. Die Erkrankung ist mit einem verminderten Blutfluss in den Herzkranzgefäßen, den Koronararterien, verbunden. Diese versorgen das Herz mit Sauerstoff. Schmerzen in der Brust, Kurzatmigkeit oder eine verminderte Belastbarkeit weisen auf eine chronische oder eine akute Erkrankung hin. In beiden Fällen besteht ein erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder einen Herzkreislauftod, insgesamt kardiovaskuläre Ereignisse genannt. Ursache der Beschwerden sind im Laufe der Jahre entstehende Ablagerungen in den Gefäßen.
Standard für die Diagnose einer koronaren Herzkrankheit ist die minimal-invasiv durchgeführte Katheteruntersuchung. Sie zeigt, ob das Herz ausreichend über die Kranzgefäße versorgt wird oder ob Engstellen den Blutfluss behindern. Ist das der Fall, können diese während der Untersuchung sofort beseitigt werden – beispielsweise mithilfe kleiner, aufblasbarer Ballone und hauchdünner Gefäßstützen, sogenannter Stents. In Europa werden derzeit jährlich mehr als 3,5 Millionen solcher Untersuchungen in Herzkatheterlaboren durchgeführt, mit steigender Tendenz. Deutlich mehr als die Hälfte, rund zwei Millionen dieser minimal-invasiven Eingriffe, bleiben ohne Behandlung im Labor. Verengungen oder Verschlüsse der Herzkranzgefäße konnten in diesen Fällen ausgeschlossen werden.
Unter Leitung der Charité – Universitätsmedizin haben Forschende in der DISCHARGE-Studie untersucht, ob die risikoarme und nicht-invasive Methode der CT für bestimmte Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf eine KHK eine sichere Alternative zur Katheteruntersuchung darstellen kann? Beide vorhandenen diagnostischen Bildgebungsstrategien bei stabilen Brustschmerzen sind im Projekt über vier Jahre hinweg an einer Stichprobe von mehr als 3500 Teilnehmenden mit mittlerer Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung hinsichtlich ihrer Wirksamkeit ausgewertet worden. Dazu wurden die Verfahren randomisiert in zwei Gruppen angewendet, Patientinnen und Patienten erhielten also im Zufallsverfahren entweder eine Computertomographie oder einen Herzkatheter. Blieb die Eingangsuntersuchung ohne Befund einer KHK, wurden Teilnehmende zurück an die überweisenden Ärztinnen und Ärzte zur weiteren Behandlung entlassen – daher der Name der Studie „DISCHARGE“, der englische Begriff für „Entlassung“. Patientinnen und Patienten mit nachgewiesener Erkrankung dagegen wurden gemäß den europäischen Leitlinien während der Studie behandelt.
Insgesamt 31 Partnereinrichtungen in 18 europäischen Ländern haben sich an dem Projekt beteiligt. „Es hat sich gezeigt, dass die CT-Untersuchung ein sicheres Verfahren für Patientinnen und Patienten mit stabilen, also nicht akuten Brustschmerzen und dem Verdacht auf eine KHK ist“, sagt Gesamtprojektleiter Dr. Marc Dewey, stellvertretender Direktor der Klinik für Radiologie am Campus Charité Mitte, zu den klinischen Langzeitergebnissen der Studie. Zur Bewertung herangezogen wurde in erster Linie das Auftreten schwerer kardiovaskulärer Ereignisse über einen Zeitraum von bis zu vier Jahren. „Bei Patientinnen und Patienten, die im Zuge der Studie zu einem Herzkatheter überwiesen wurden, war das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse in der CT-Gruppe und der Herzkatheter-Gruppe mit 2,1 und 3 Prozent ähnlich. Die Häufigkeit schwerer verfahrensbedingter Komplikationen war bei einer anfänglichen CT-Strategie geringer“, so der Radiologe.
Prof. Dr. Henryk Dreger, stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie und Angiologie der Charité, hat die Untersuchungen an der Charité im Herzkatheterlabor begleitet. Sein Fazit der Auswertung: „Für ausgewählte Patientinnen und Patienten kann die CT eine sichere Alternative zum Herzkatheter sein. Bei Patientinnen und Patienten mit geringer Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein einer KHK kann sie helfen, unnötige Herzkatheter zu vermeiden.“ In die Gesamtbetrachtung eingeflossen sind weiterhin Kriterien wie die Verbesserung der Brustschmerzen und der Lebensqualität im Verlauf. Der neue Ansatz könnte dazu beitragen, die hohe Zahl der Herzkatheteruntersuchungen zu reduzieren und auf diese Weise die Gesundheitssysteme entlasten zu helfen: „Die durch uns in der DISCHARGE-Studie standardisierte und qualitätsgesichert durchgeführte Methode könnte in der Routineversorgung für Menschen mit mittlerem Krankheitsrisiko verstärkt angeboten werden“, resümiert Prof. Dewey. Ein Nutzenbewertungsverfahren wurde vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bereits auf den Weg gebracht. Zudem muss die für die Studie entwickelte Methode zur Einschätzung der klinischen Wahrscheinlichkeit einer KHK in einem nächsten Schritt daraufhin geprüft werden, ob sie zur Verbesserung der Routineversorgung von Patientinnen und Patienten beitragen kann.
Die Studie ist im New England Journal of Medicine erschienen.
Quelle: Charité – Universitätsmedizin Berlin
07.03.2022