Können radiologische Praxisverbünde wirtschaftlich überleben?

Mit 300.000 Untersuchungen pro Jahr an 15 Standorten in Nordrhein-Westfalen ist die radprax-Gruppe eine der größten radiologischen Einrichtungen in Deutschland. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine solche Praxisgruppe wirtschaftlich arbeiten kann?

André Hoppen
André Hoppen

Und wie reagiert man auf die unzureichende Vergütung durch die gesetzlichen Krankenkassen? „RöKo Heute“ sprach mit André Hoppen, der als Ökonom bei radprax die Bereiche Controlling, Finanzen, Personal und Unternehmenskommunikation leitet.

Herr Hoppen, kann ein radiologischer Verbund unter den gegebenen Bedingungen in Deutschland überhaupt noch wirtschaftlich arbeiten?
André Hoppen: Eindeutig ja, allerdings nur, wenn die Praxen technisch mit der Entwicklung standhalten. Zeitgemäße Technik ist eine wichtige Voraussetzung für die dauerhafte Bindung von gutem Personal und den Unternehmenserfolg. Die Technik muss ressourcensparend eingesetzt werden – das betrifft sowohl den Faktor Mensch als auch die Energie sowie die Strahlenbelastung. In den vergangenen Jahren ist die Vergütung für eine MRT-Untersuchung von 130 auf knapp 70 Euro gesunken. Deshalb ist die Untersuchungszeit ganz entscheidend. Mit alten Systemen schafft man zwei Patienten in der Stunde, mit Geräten der neuesten Generation bis zu vier. Ganz abgesehen vom Stromverbrauch, der bei neuen Systemen deutlich gesunken ist – Stromkosten also, die sich bei uns im Verbund schnell auf mehrere Tausend Euro im Monat belaufen. Leider gehören wir nicht zu den energieintensiven Branchen, die die Regierung von Aufschlägen befreit. Die Vergütungslage zwingt uns also dazu, Prozesse zu rationalisieren, zu optimieren und zu modernisieren.

Inwiefern ist die Anzahl der Kassenzulassungen entscheidend für einen radiologischen Praxisverbund?
Erst ab einer gewissen Praxisgröße kann man sich überhaupt mit bestimmten Fragen der Rationalisierung und Optimierung befassen. Die kritische Größe, um einen Mindestkostenapparat zu haben, beschäftigt uns sehr. Mit nur ein bis zwei Zulassungen ist es nicht sinnvoll, sich darüber Gedanken zu machen, ob mehrere Geräte im Einschichtdienst betrieben werden sollen oder lieber ein Gerät im Zweischichtdienst. Wir haben uns entschieden, zwei Geräte parallel zu betreiben, um die Personalzuschläge in Früh- und Spätschichten einzusparen und bei einem Geräteausfall die Alternative eines Zweischichtdienstes zu haben.

Wie viele Kassenzulassungen beziehungsweise Patienten sind nötig, um langfristig bestehen zu können?
Diese Frage kann man nicht pauschal beantworten. Es kommt auf den Standort und den Mix an, ob die Praxis zum Beispiel eine Krankenhausanbindung hat und ob sie viele oder wenige Privatpatienten betreut. Optimal ist eine Praxis mit zwei bis drei Kassenzulassungen und der Anbindung an ein Akutkrankenhaus. Ab dieser Größe kann man sich auch fragen, ob man telemedizinische Leistungen erbringen möchte, wobei für die Abdeckung der Rufbereitschaft vier bis fünf Fachärzte benötigt werden. Um wirtschaftlich zu arbeiten, müssen 25 bis 30 MRT-Untersuchungen pro Tag durchgeführt werden. Bei uns sind es 35 bis 40 MRT-, bis zu 60 CT-, 100 Röntgen- und etwa fünf bis zehn Ultraschalluntersuchungen am Tag. In der Strahlentherapie werden mindestens 50 bis 60 Bestrahlungen pro Tag für den wirtschaftlichen Betrieb eines Geräts benötigt.

Warum sind Privatpatienten unerlässlich für die Wirtschaftlichkeit einer radiologischen Gruppe?
Nach meiner Erfahrung sollten die Privatpatienten einen Umsatzanteil von mindestens 25 Prozent am Gesamterlös der Praxis haben beziehungsweise knapp 10 Prozent der Patienten ausmachen. Eine EBM-Vergütung allein reicht zum Unterhalt einer Praxis nicht aus, es müssen immer auch Leistungen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung – sogenannte extrabudgetäre Leistungen – erbracht werden. Nur so kann der Radiologe eine zeitgemäße Diagnostik erbringen. Die Kassenpatienten profitieren also von den Privatpatienten, denn sie subventionieren die moderne Technik und sorgen dafür, dass der Kassenpatient nicht mit abgeschriebenen – und damit veralteten und in der Regel belastenden Geräten – untersucht wird.

Im Profil:
Nach zwei Jahren als Zeitsoldat bei der Bundeswehr hat André Hoppen in Mainz Medizin und in Köln Gesundheitsökonomie studiert. Als Account Manager betreute er bei Siemens die Bereiche CT, MRT, STR und IKT. Vor seinem Eintritt bei radprax hat er neun Jahre bei einem genossenschaftlichen Finanzverbund Kredite für die Finanzierung von Krankenhäusern, Praxen und Seniorenheimen vergeben, zuletzt in der Position als Prokurist und Leiter Vertrieb Deutschland im Gesundheitswesen.

31.05.2013

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