Fallpauschalen
Kliniken entlassen Patienten immer früher in die Reha
Akut-Kliniken verlegen ihre Patienten nach einer Operation aus Kostengründen immer früher in Rehabilitations-Kliniken. Diese versorgen die Neuankömmlinge mit Schmerzmitteln und Antibiotika und übernehmen mit dem Wundmanagement zunehmend Aufgaben analog zum Krankenhaus. In Einzelfällen werden Patienten in Abstimmung zwischen Operateur und Reha-Mediziner auch wieder zurück in die Klinik geschickt, wenn Komplikationen den Reha-Erfolg gefährden. Die Rahmenbedingungen für Reha-Leistungen bedürfen daher dringend einer Neuordnung, fordern Experten im Rahmen des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU), der vom 20. bis 23. Oktober in Berlin stattfindet.
Jede dritte genehmigte Reha-Maßnahme bezieht sich auf orthopädische Erkrankungen, etwa um Schmerzen nach einer Rücken-, Schulter-, Hüft- oder Knieoperation zu mindern. „Für viele Senioren ist eine Reha die einzige Chance, wieder in ihr altes Leben zurückzukehren“, so Dr. med. Hans-Jürgen Hesselschwerdt, einer der Kongresspräsidenten des DKOU 2015. Und nicht nur der Patient profitiert davon: Einer Studie des Prognos-Instituts zufolge erhält die Volkswirtschaft für jeden in die Rehabilitation investierten Euro fünf Euro zurück.
Bedingt durch das deutsche Gesundheitssystem kämpfen Reha-Einrichtungen jedoch zunehmend mit Problemen. „Immer häufiger entlassen Akut-Kliniken ihre Patienten zu früh“, warnt Hesselschwerdt. Besonders häufig handele es sich dabei um betagte Patienten, die ein neues Hüft- oder Kniegelenk bekommen haben. Ihr durchschnittlicher Aufenthalt in der Akut-Klinik hat sich zwischen 2003 und 2011 um etwa fünf Tage reduziert. Dieser Trend setzt sich fort, wie aktuelle Zahlen des Barmer GEK Krankenhausreports 2015 zeigen.
Den falschen Anreiz für die frühe Klinikentlassung schaffen nach Meinung der Orthopäden und Unfallchirurgen die Fallpauschalen, nach denen Klinikleistungen vergütet werden. Die Konsequenzen tragen die Patienten und Reha-Kliniken: „Etwa jeder vierte Patient benötigt ein umfangreiches medizinisches Monitoring in engem Austausch mit dem Operateur. Vereinzelt sind auch Rückverlegungen bei Komplikationen notwendig“, sagt Hesselschwerdt, Chefarzt der Theresienklinik in Bad Krozingen, einer Reha-Klinik. Auf diesen erhöhten medizinischen und pflegerischen Aufwand sind wir eingestellt, er wird jedoch nicht in den Reha-Sätzen abgebildet, kritisiert Hesselschwerdt und fordert verbindliche Kriterien zur Festlegung der Reha-Fähigkeit frisch operierter Patienten: „Wir brauchen einen Index, der den Zustand der Patienten erfasst und der an einen bestimmten Reha-Satz gekoppelt ist, analog dem neurologischen Phasenmodell.“
2012 haben die Krankenkassen in Deutschland etwas mehr als eine Million medizinische Reha-Maßnahmen finanziert, knapp 700.000 Anträge wurden abgelehnt. Die Kassen geben nur 2,9 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben für Rehabilitations-Leistungen aus – ein Zehntel der Kosten, die sie für Krankenhausbehandlungen ausgeben. „Ein unausgeglichenes Verhältnis“, finden die DKOU-Präsidenten. „Vor allem wenn man bedenkt, dass wir in der Reha einmalig etwa 4.000 Euro benötigen, um einen älteren Patienten wieder fit zu bekommen, wohingegen ein Jahr stationäre Pflege 40.000 Euro kostet.“
Wie Orthopäden und Unfallchirurgen bessere Rahmenbedingungen für die Rehabilitation schaffen wollen, diskutieren die Experten anlässlich des DKOU 2015 in Berlin, der vom Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU), der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) sowie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädischen Chirurgie (DGOOC) ausgerichtet wird.
Quelle: Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie
06.08.2015