Datenmodell
Portal für medizinische Formulare
In der Medizin werden Prozesse zur Abstimmung von Datenmodellen momentan durch einen Mangel an Transparenz stark behindert. Das Team um Prof. Martin Dugas, geschäftsführender Direktor des Instituts für Medizinische Informatik an der Westfälischen Wihelms-Universität Münster, hat aus diesem Grund ein Open Access-Portal für medizinische Datenmodelle (MDM) ins Leben gerufen.
Interview: Melanie Günther
Praktisch alle Formulararten, insbesondere zur medizinischen Dokumentation, Leistungserfassung, Abrechnungsdokumentation und Qualitätssicherung, werden dort öffentlich zugänglich gemacht, sofern rechtlich möglich. Wissenschaftler und Kliniker können hier ihr Wissen über Formulare teilen, diskutieren und somit langfristig einheitliche Standards generieren, von denen auch der Patient profitiert.
Herr Prof. Dugas, worin besteht die Notwendigkeit Datenmodelle zu sammeln und sie in einem Online-Portal zur Verfügung zu stellen?
Martin Dugas: In der aktuellen Diskussion über Interoperabilität wird klar, dass der Austausch medizinischer Daten derzeit nicht richtig funktioniert. Das liegt daran, dass wir es im Gesundheitssektor mit verschiedenen Anbietern zu tun haben, die ihre Datenmodelle nicht offen legen. Unterschiedliche Systeme bedingen daher unterschiedliche Dokumentationsarten. Schon aus der Vielfalt der Datenmodelle kann man die These ableiten, dass nicht alle optimal sind. Solang die Modelle zudem geheim gehalten werden, ist eine inhaltliche Diskussion durch Fachexperten nicht möglich. Das führt vor allem bei wissenschaftlichen Fragestellungen dazu, dass die Daten nicht sinnvoll ausgewertet werden können.
Woher beziehen Sie die Datensätze und wie umfassend soll das Projekt werden?
Dugas: Die Formulare stammen teilweise aus Publikationen, die im Internet frei zugänglich sind. Andererseits sprechen wir Organisationen, Fachgesellschaften und Kliniken an, ob sie ihre Formulare zur Verfügung stellen wollen. Die Resonanz ist sehr positiv. Der Schwerpunkt unseres Portals liegt momentan im Bereich der Tumorforschung. Viele Inhalte stammen beispielsweise vom European Leukemia Network oder der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie.
Aktuell sind ungefähr 4.000 Formulare im System hinterlegt. Zählt man die verschiedenen Versionen hinzu, gibt es über 9.000. Des Weiteren haben wir eine Förderung von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erhalten, um eine Informationsinfrastruktur für Forschungsdaten zu etablieren. Im Rahmen dieser Förderung wollen wir 20.000 zusätzliche Datenmodelle aufbereiten.
Wie ist das Portal aufgebaut und wie bereiten Sie die Daten auf?
Dugas: Es handelt sich bei dem MDM-Portal um ein Open Access System. Interessierten bieten wir die Möglichkeit, Formulare einzustellen, sofern sie sich verpflichten, die urheberrechtlichen Vorgaben einzuhalten. Wir wollen eine Community aufbauen, in der sich jeder beteiligen kann, indem er Materialien einbringt und sie diskutiert.
Das Portal erhält seine Struktur über Suchmechanismen. Es kann nach Stichwörtern, der Art des Formulars, Studiennummern oder -titeln gesucht werden. Es gibt außerdem ein System von Schlüsselbegriffen, die den einzelnen Formularen hinterlegt werden. Neben diesen Funktionen können die User eine Bewertungsfunktion nutzen. Dabei vergeben sie null bis fünf Sterne, um die Datenmodelle qualitativ zu beurteilen. Eine weitere Idee ist es, Downloadstatistiken zu etablieren, um den gleichen Effekt zu erzielen.
In unserem Portal kann ein und dasselbe Datenmodell in vielen verschiedenen Formaten – wie CDISC ODM, HL7 CDA, SQL, Office-Formate – heruntergeladen und direkt in das IT-System importiert werden. Übertragungsfehler werden somit vermieden und eine Weiterverarbeitung der Modelle ermöglicht.
Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich konfrontiert?
Dugas: Der urheberrechtliche Status ist bei einigen Datenmodellen nicht geklärt. Es gibt eine Reihe von Formularen, die bereits öffentlich zugänglich sind. Andere sind nur kommerziell verfügbar. Diese können wir nicht verwenden, weil sie nur über die jeweilige Lizenz erhältlich sind und komplizierte Verträge abgeschlossen werden müssen. Es wäre viel einfacher, wenn beispielsweise Creative Commons Lizenzen eingesetzt und die Softwarehersteller sowie medizinische Fachgesellschaften Datenmodelle publizieren würden.
Inwieweit soll das MDM-Portal dazu beitragen sinnvolle Datenstandards, auch auf internationaler Ebene zu etablieren?
Dugas: Das ist ein mittel- und langfristiges Vorhaben. Das MDM-Portal unterstützt bereits jetzt die Entwicklung von Datenstandards, indem es einen Austausch zwischen den Experten ermöglicht. Bereitgestellte Datenmodelle können via Link mit den Kollegen geteilt und über eine Kommentarfunktion elektronisch diskutiert werden. Die Anmerkungen können dann dazu beitragen, eine verbesserte Version des Datenmodells zu etablieren. Das bringt Vorteile auf unterschiedlichen Ebenen mit sich: Der Wissenschaftler erhält auswertbare und einheitliche Daten. Kliniker und Ärzte benötigen weniger Zeit für die Dokumentation und letztendlich profitiert der Patient von einem intensiveren Arzt-Patienten-Verhältnis.
Weitere Informationen rund um das Open Access Portal finden Sie unter: https://medical-data-models.org
PROFIL:
Prof. Dr. Martin Dugas ist geschäftsführender Direktor des Instituts für Medizinische Informatik an der Westfälischen Wihelms-Universität Münster und hauptverantwortlich tätig bei der Entwicklung und Konzeption des Open Access Portals. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Informatik in der klinischen und translationalen Forschung, der Single-Source-Informationssysteme sowie der integrierten Analyse von molekularen und klinischen Daten.
18.06.2015