Statement
Kinderchirurgen fordern die Behandlung von Kindern in Fachzentren
Fast ein Viertel aller Säuglinge und etwa ein Drittel der Kleinkinder werden hierzulande von Erwachsenenchirurgen operiert. Doch Kinder dieser Altersgruppen sollten nur von Kinderchirurgen, Kindermedizinern und speziell für diese Altersgruppe geschultem Fachpersonal behandelt werden, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH). Denn durch die Zusammenarbeit von Kinderanästhesisten, Kinderintensivmedizinern und Kinderkrankenpflegekräften ließen sich die besten Behandlungsergebnisse und höchstmögliche Patientensicherheit erzielen.
Im Jahr 2013 fanden hierzulande knapp 50 000 vollstationäre Operationen an Kinder bis zu ihrem fünften Lebensjahr statt. Etwa 20 000 der kleinen Patienten wurden dabei nicht von Kinderchirurgen, sondern von Erwachsenenmedizinern behandelt. Dies geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamts hervor. Herz- und neurochirurgische Eingriffe, sowie Operationen durch Augen- und Hals-Nasen-Ohrenärzte sind dabei nicht erfasst, da sie nicht generell ins Spektrum der Kinderchirurgie fallen.
Professor Dr. med. Bernd Tillig, Präsident der DGKCH, kritisiert die Behandlung von Säuglingen und Kleinkindern in der Erwachsenenchirurgie: „Die meisten Krankheitsbilder unterscheiden sich deutlich von denen Erwachsener", sagt er. So stünden im ersten Lebensjahr die Behandlung von angeborenen Erkrankungen – wie etwa Fehlbildungen, Magenpförtnerkrampf, Störung der Blasen- und Darmentleerung – im Vordergrund. Diese zögen in den Folgejahren eine intensive Betreuung und oft weitere Operationen nach sich. „Es liegt deshalb auf der Hand, dass für die fachgerechte Behandlung eine Spezialisierung auf Kinder erforderlich ist", betont Tillig, der Chefarzt der Kinderchirurgie am Klinikum Vivantes in Berlin ist. Dies gelte ganz besonders für angeborene Fehlbildungen. „Sie sind zum einen zu selten, als dass jeder Chirurg ausreichend Übung darin erlangen könnte. Zum anderen sind diese Eingriffe aufgrund der filigranen und teilweise noch unreifen Gewebestrukturen eine operative Herausforderung – und setzen viel Spezialwissen, Erfahrung und Fingerfertigkeit voraus."
Unverzichtbar für eine optimale chirurgische Versorgung sei auch die Kooperation mit erfahrenen, gesondert ausgebildeten Teams, etwa Kinderanästhesisten, Kinderintensivmedizinern, Kinderradiologen, Kinderkardiologen. Hier komme es nicht nur auf den Einsatz miniaturisierter Instrumente an. Es gehe auch um schonende kindgerechte Narkosetechniken sowie eine altersentsprechende Risikobeurteilung und intensive Überwachung und Betreuung nach der Operation. „Kinder haben im Vergleich zu Erwachsenen andere und oftmals erhöhte Risiken", führt Professor Dr. med. Stuart Hosie, Kongresspräsident der DGKCH 2016 aus München aus. „So besteht bei Kleinkindern etwa bis zu sechs Wochen nach einem Atemwegsinfekt ein erhöhtes Risiko, bei einer Operation einen Herzstillstand zu erleiden." Angesichts der sechs bis acht Infekte der Luftwege, an denen kleine Kinder jährlich erkranken, sei das durchaus ein Thema.
„Insgesamt ist die Kinderchirurgie in den vergangenen Jahren immer sicherer und besser geworden", sagt Hosie. Sie müsse bei Kindern jedoch auch flächendeckend zum Einsatz kommen, fordert Tillig. „Aus Kostengründen ist das leider nicht gegeben – hier ist die Politik gefordert", mahnt er.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie
27.08.2015