Bildquelle: Darvis
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KI nimmt Sterilgutkreislauf in den Blick
Diagnostik, Medikamentenentwicklung, digital-assistierte Operationen – der Wert künstlicher Intelligenz (KI) ist im Gesundheitswesen längst anerkannt. Doch KI kann mehr, auch über die genannten Einsatzbereiche hinaus. Die Asklepios Klinik Nord – Heidberg beschreitet neue Wege und setzt Computer Vision und künstliche Intelligenz im Sterilgutkreislauf ein.
So können Prozesse auf vollkommen neue Art eingesehen, analysiert und bei Bedarf durch Automatisierung optimiert werden. Wichtig: Der Daten- und Persönlichkeitsschutz bleibt vollständig gewahrt.
Wo genau befinden sich die Instrumente für die anstehende OP? Ist das Sieb komplett? Ist zusätzliches OP-Besteck ad-hoc verfügbar, falls während des Eingriffs unerwartet benötigt? Wann sind bestimmte Siebe wieder einsatzbereit? Typische Fragen im OP-Betrieb. Fragen, die Zeit und Wege kosten und das Personal in OP und Sterilgutversorgung ablenken und zusätzlich belasten können. Die Folge: OPs werden weniger effizient und planbar.
Um dem entgegenzuwirken, setzt die Hamburger Asklepios Klinik Nord – Heidberg seit August 2021 auf ein Projekt mit dem KI-Spezialunternehmen Darvis, initiiert vom Ärztlichen Direktor des Hauses, Prof. Dr. Klaus Herrlinger. Optische Sensoren schaffen Einblicke in die einzelnen Prozessschritte und Überblick über den gesamten Instrumentenkreislauf. Objekte wie Transportwagen, Container und einzelne Instrumentensiebe sind damit auf ihrem ständigen Weg zwischen Nutzung, Reinigung, Packvorgang, Sterilisation und erneuter Nutzung jederzeit sichtbar. Wichtig: Im Fokus der Sensoren stehen ausschließlich vordefinierte im Raum befindliche und sich bewegende metallische Objekte. Bilder werden in einem individualisierbaren Dashboard schematisch anhand eines Grundrisses dargestellt und das Sterilgut in Form farbiger Punkte angezeigt. Eine Erfassung von Personen unterbleibt komplett – eine wichtige Voraussetzung für die hohe Akzeptanz in Betriebsrat und Belegschaft.
Prof. Dr. Klaus Herrlinger, Chefarzt der Inneren Medizin I, erklärt: „Die Echtzeitinformation darüber, wo sich Sterilgut befindet, hilft uns bei der Planung von OPs enorm. Wird etwa ein Wagen auf einem Gang automatisch erkannt, kann er sofort abgeholt und benutzte Instrumente ohne Zeitverlust neu aufbereitet werden, sodass sie kurze Zeit später wieder für den nächsten Eingriff zur Verfügung stehen.“
Im ersten Schritt wurden 21 Sensoren auf der OP-Etage installiert. Die Ausweitung des Projekts auf die Medizinprodukteaufbereitung (AEMP) ist bereits in der Umsetzung. „Das Wissen über das Sterilgutaufkommen und die Position bestimmter Siebe innerhalb der verschiedenen Zonen der AEMP ermöglicht deutlich mehr Planbarkeit und daraus folgend die Entlastung der Mitarbeitenden im OP-Betrieb“, ergänzt Jörg Dornbusch, Prozessmanager im OP.
Perspektivisch kann die KI weitere Aufgaben im Sterilgutkreislauf übernehmen. So trainiert Darvis das System kontinuierlich darauf, auch einzelne Instrumente zu identifizieren. Künftig soll so unter anderem das Team der AEMP nach dem vier-Augen Prinzip beim Packen der Siebe unterstützt werden. Ein weiterer Mehrwert: Kennt die KI den Inhalt eines bestimmten Siebs, kann sie abgeworfenes Besteck nach der OP auf Vollständigkeit prüfen – zusätzlich zu den unverzichtbaren menschlichen Kontrollen. Jan Schlüter, Mitgründer und COO von Darvis, ergänzt: „Unsere Plattform ermöglicht auch eine effizientere Bestückung der Instrumentensiebe – beispielsweise für unsere Kunden in den USA ein wichtiger Punkt.“ Denn: Studien zufolge kommen dort durchschnittlich nur 60% der für eine OP bereitgestellten Instrumente zum Einsatz. 40% verbleiben ungenutzt im Sieb – um dann wieder aufwendig und kostenintensiv aufbereitet zu werden.
KI kann im Alltag eines jedes einzelnen Mitarbeitenden Entlastung und Mehrwert bieten, sofern man über die bisher bekannten Einsatzmöglichkeiten hinausblickt
Ulrich Knopp
Auch Dr. Ulrich Knopp, Geschäftsführender Direktor der Asklepios Klinik Nord, setzt auf das vielfältige, Potenzial von künstlicher Intelligenz im Krankenhaus. „KI kann im Alltag eines jedes einzelnen Mitarbeitenden Entlastung und Mehrwert bieten, sofern man über die bisher bekannten Einsatzmöglichkeiten hinausblickt.“ Das habe sich in der Klinik bereits mehrfach gezeigt – unter anderem als 2020 ebenfalls in Kooperation mit Darvis ein KI-basierter „Schutzkleidungs-Check“ entwickelt und in den Klinikalltag integriert wurde. Sekundenschnell können Mitarbeitende mit der Anwendung ihre (Covid-19-)Schutzkleidung auf Vollständigkeit und korrekten Sitz prüfen. Die Auswertung erfolgt anonymisiert per Tablet, sodass auch hier keine Rückschlüsse auf Personen möglich sind. Jan Schlüter: „Unsere Plattform ist flexibel und die Anwendungsmöglichkeiten breit. Wir analysieren genau die Daten, die für unsere Kunden wichtig sind und können schnell Antworten auf spezifische Fragestellungen liefern.“
Quelle: Darvis/Asklepios Klinik Nord
25.04.2022