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Artikel • ECR-Session beleuchtet gesellschaftliche und ethische Auswirkungen
Wie KI die Radiologie (und Radiologen) verändert
Chatbots für bessere Patientenkommunikation, optimierte Bildqualität durch maschinelles Lernen: Künstliche Intelligenz (KI) hält mit Hochdruck Einzug in die Radiologie und verändert das Fachgebiet grundlegend. Wie wird also die Zukunft der diagnostischen Bildgebung unter dem Einfluss von KI aussehen, und welche Rolle wird der Mensch dabei noch spielen? Auf dem ECR-Kongress in Wien befassten sich Experten mit den gesellschaftlichen und ethischen Auswirkungen von KI auf die Gesundheitsversorgung, die Patientenbeteiligung und die berufliche Praxis in der Radiologie.
Artikel: Wolfgang Behrends
Zu Beginn der Gesprächsrunde erklärte Dr. Erik Briers, wie KI dazu beitragen kann, den Patienten aus der Rolle des passiven Empfängers in einen aktiven Mitgestalter bei der Lösung seines medizinischen Problems zu bringen. Anstatt „Dr. Google“ zu konsultieren, sind Patienten in vielen Fällen besser dran, wenn sie KI-gestützte große Sprachmodelle (LLMs) verwenden, so der stellvertretende Vorsitzende der Europäischen Prostatakrebs-Koalition (Europa Uomo): Während eine klassische Suchmaschine oft widersprüchliche und unzuverlässige Ergebnisse liefert, synthetisiert ein LLM medizinische Informationen und präsentiert sie auf verständliche Weise. Allerdings stellt keine der beiden Quellen einen echten Ersatz für professionelle medizinische Beratung dar, betonte der Experte.
Will der Patient die Vorteile der KI für seine Gesundheit nutzen, entsteht oft eine Beziehung der wechselseitigen Unterstützung, so Briers: Einerseits stellen die Patienten ihre Gesundheitsdaten zur Verfügung, um die diagnostischen Fähigkeiten des Algorithmus zu verbessern, andererseits kann die KI diese Daten nutzen, um maßgeschneiderte medizinische Ratschläge zu geben. Auf diese Weise tragen viele Patienten zur Qualität des KI-Systems bei, so dass viele weitere davon profitieren können, so sein Argument. Auch medizinische Experten spielen bei diesem Austausch eine wichtige Rolle, denn Ihnen fällt die Aufgabe zu, die Daten so annotieren, dass die KI sie sinnvoll nutzen kann.
Verstärkte Vorurteile und Energiehunger
Neben dem immensen Potenzial für die Verbesserung der medizinischen Kommunikation, Ausbildung und Arbeitsabläufe birgt der niedrigschwellige Zugang zu LLMs aber auch neue Herausforderungen, warnte Hendrik Erenstein. Zum einen selbst überzeugend wirkende KI-Antworten ungenaue oder unvollständige Informationen enthalten. Verschärft wird das Problem dieser „Konfabulationen“ durch den sogenannten Automation Bias – die menschliche Tendenz, automatisierte Antworten zu akzeptieren, ohne sie weiter zu hinterfragen. „Dies ist ein sehr reales Problem, dessen wir uns bewusst sein sollten“, betonte der Experte von der Hanze University of Applied Sciences in Groningen.
Auch Nachhaltigkeit sei ein wichtiger Aspekt beim Einsatz von LLMs, fuhr er fort. Zwar stehe der hohe Energieverbrauch dieser Modelle in der Kritik, dennoch plädierte Erenstein für eine differenziertere Betrachtung: Zwar verschlinge das Training der Modelle tatsächlich sehr viel Energie, doch die eigentliche Nutzung für das Verfassen von Texten sei nachweislich energieeffizienter als ihr menschliches Gegenstück.1 „Die Skalierbarkeit dieser Modelle macht sie tatsächlich zugänglicher“, schloss er.

Bildquelle: Tomlinson B, Black RW, Patterson DJ, Torrance AW; Scientific Reports 2024 (CC BY 4.0)
Vertrauen durch verantwortungsvollen Einsatz schaffen
Im Anschluss machte Mélanie Champendal deutlich, wie grundlegend KI die Arbeit von Radiologen in Zukunft prägen wird. Die Expertin von der Hochschule für Gesundheitswissenschaften in Lausanne erläuterte mit Bezug auf aktuelle Studien, dass KI-basierte Tools in praktisch jeder Phase des radiologischen Arbeitsablaufs zum Einsatz kommen können – von der Patientenvorbereitung und -planung bis hin zur Bilderfassung, -verarbeitung und Befundung.2,3 Um nicht nur eine breite Einführung, sondern auch die Akzeptanz von KI in der Radiologie zu erreichen, reiche es jedoch nicht aus, nur die technologische und organisatorische Ebene zu betrachten, betonte die Expertin. „Es müssen auch soziale und menschliche Faktoren berücksichtigt werden.“ Daher plädieren Experten für den Einsatz ‚verantwortungsvoller KI‘, die auf Werten wie Gleichheit und Fairness aufbaut, den Datenschutz wahrt, Bias minimiert und Informationen transparent und erklärbar bereitstellt. „Das ist ein Bekenntnis zu einer ethischen, inklusiven Zusammenarbeit, die Vertrauen schafft“, fasste Champendal zusammen.
KI erweitert die Rolle der Radiologen und schafft für sie neue Möglichkeiten der Spezialisierung und Führung
Mélanie Champendal
Eine in diesem Sinne wirklich ‚verantwortungsvolle‘ KI könne nur im Hinblick auf die Umwelt entwickelt und eingesetzt werden, argumentierte sie.4 Dies lasse sich in zwei Bereiche aufteilen: Nachhaltige KI und KI für Nachhaltigkeit. Während sich der erste Aspekt auf die Reduzierung des CO2-Fußabdrucks eines KI-Modells bezieht – etwa durch erneuerbare Energiequellen oder eine optimierte Datenspeicherung –, untersucht der zweite, wie die KI dazu beitragen kann, nachhaltige klinische Praktiken zu etablieren. Beispiele hierfür sind verkürzte Scanzeiten, effizientere Stand-by-Modi für bildgebende Systeme, weniger Kontrastmittel oder sogar die Vermeidung unnötiger Scanvorgänge zur Senkung des Energieverbrauchs.5,6
Neue Möglichkeiten, neues Rollenverständnis
Die zunehmende Zahl der KI-Anwendungen wecke bei vielen Radiologen auch Bedenken, betonte Champendal. Während einige den KI-generierten Ergebnissen wegen ihrer fehlenden Transparenz misstrauen, befürchten andere sogar, dass die Maschine ihren Arbeitsplatz übernehmen werde. Um hier zwischen berechtigten und unbegründeten Befürchtungen unterscheiden zu können, riet die Expertin ihren Kollegen, sich ein grundlegendes Maß an KI- Kompetenz anzueignen – um besser zu verstehen, was die Algorithmen können und was nicht.
„KI erweitert die Rolle der Radiologen und schafft für sie neue Möglichkeiten der Spezialisierung und Führung“, sagte sie. So werden beispielsweise ihre einzigartigen Fähigkeiten im Bereich der Qualitätssicherung oder des Datenmanagements zunehmend wertvoll werden. „Sie spielen eine zentrale Rolle dabei, sicherzustellen, dass KI sicher und effektiv in die Patientenversorgung integriert wird. Indem sie diese neuen Rollen annehmen, können Radiologen auch weiterhin eine Vorreiterrolle bei Innovationen in der Bildgebung einnehmen. KI sollte medizinisches Fachpersonal nicht ersetzen. Stattdessen sollte sie sie ermächtigen und dabei unterstützen, bessere Behandlungsergebnisse zu erzielen“, schloss sie.
Profile:
Dr Erik Briers, MS, PhD, ist stellvertretender Vorsitzender und einer der Gründer der European Prostate Cancer Coalition (Europa Uomo) im belgischen Hasselt. Darüber hinaus ist er Mitglied der Patientenberatungsgruppe der Europäischen Gesellschaft für Radiologie (ESR-PAG).
Hendrik Erenstein ist Dozent und Forscher an der Hanze University of Applied Sciences in Groningen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Radiographie, Strahlenschutz und KI-Implementierung in der diagnostischen Bildgebung.
Mélanie Champendal ist Radiologieassistentin/-technologin an der Hochschule für Gesundheitswissenschaften (Haute École de Santé Vaud; HESAV) in Lausanne.
Literatur:
- Tomlinson B, Black RW, Patterson DJ, Torrance AW: The carbon emissions of writing and illustrating are lower for AI than for humans; Scientific Reports 2024; https://doi.org/10.1038/s41598-024-54271-x
- Hardy M, Harvey H: Artificial intelligence in diagnostic imaging: impact on the radiography profession; British Journal of Radiology 2020; https://doi.org/10.1259/bjr.20190840
- Nensa F, Demircioglu A, Rischpler C: Artificial Intelligence in Nuclear Medicine; Journal of Nuclear Medicine 2019; https://doi.org/10.2967/jnumed.118.220590
- Stogiannos N, Georgiadou E, Rarri N, Malamateniou C: Ethical AI: A qualitative study exploring ethical challenges and solutions on the use of AI in medical imaging; European Journal of Radiology: Artificial Intelligence 2025; https://doi.org/10.1016/j.ejrai.2025.100006
- Jobin A, Lenca M, Vayena E: The global landscape of AI ethics guidelines; Nature Machine Intelligence 2019; https://doi.org/10.1038/s42256-019-0088-2
- Doo FX, Vosshenrich J, Cook TS et al.: Environmental Sustainability and AI in Radiology: A Double-Edged Sword; Radiology 2024; https://doi.org/10.1148/radiol.232030
10.03.2025