Kernspintomographie ohne teure Magnete

Kernspin- oder Magnetresonanz-tomographien sind in der heutigen Medizin aus der Diagnostik und Behandlung nicht mehr wegzudenken.

Copyright: Deutsches Krebsforschungszentrum
Copyright: Deutsches Krebsforschungszentrum

Obwohl hochentwickelt, nutzt die teure Technik bislang nur einen Bruchteil ihrer Möglichkeiten. Dem interdisziplinären und internationalen Forschungsteam des Medizinphysikers Dr. Jan-Bernd Hövener vom Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) der Medizinphysik am Partnerstandort Freiburg ist es gelungen, eine neue, kostengünstige Methode für die Magnetresonanztomographie (MRT) zu entwickeln: die sogenannte kontinuierliche Hyperpolarisation. Sie ermöglicht hochaufgelöste MRT-Bilder bereits in schwachen Magnetfeldern, die von kleinen Magnetspulen erzeugt werden. Dies könnte der entscheidende Schritt sein, um spezielle Anwendungen der MRT auf lange Sicht selbst für mobile Einsätze und in entlegenen Gebieten zugänglich zu machen. Die Wissenschaftler publizierten ihre Forschungsergebnisse in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications.

Die Magnetresonanztomographie ist ein Schnittbildverfahren, mit dem Weichgewebestrukturen wie Organe gut dargestellt werden können. In einem starken, künstlichen Magnetfeld wird ein Teil der Wasserstoffatome des Körpergewebes parallel ausgerichtet und durch Radiofrequenzwellen in Schwingung versetzt. Dabei werden je nach Struktur und Wassergehalt des Gewebes unterschiedliche Signale ausgesendet, anhand derer ein MRT-Schnittbild berechnet werden kann. Anschließend kehren die Wasserstoffatome wieder in Ihre ungeordnete Ausgangslage zurück. Mit der gängigen Technik lässt sich aufgrund der Eigenschaften von Gewebe und Atomen nur ein kleiner Anteil der Wasserstoffatome - eines von sieben Milliarden - ausrichten und messen. Der Rest ist für das MRT unsichtbar. Klinische MR-Tomographen sind zwar in der Lage, das Magnetfeld um das 100.000-fache zu verstärken und die Ausrichtung der Wasserstoffatome so künstlich zu erhöhen, um Aufnahmen zu ermöglichen. Jedoch machen auch diese sehr teuren Spezialmagneten nur wenige Millionstel aller Atome sichtbar: Mehr als 99,999 % aller Wasserstoffatome bleiben im MRT weiterhin unsichtbar.

Hövener und seine Kollegen aus der Radiologischen Klinik des Universitätsklinikums Freiburg wählten daher einen anderen Ansatz, um das MRT-Signal zu erhöhen: Die Hyperpolarisation bewirkt, dass sich ein weit größerer Anteil der Wasserstoffatome magnetisch ausrichtet. Bisherige Versuche in dieser Richtung waren stets mit dem Problem behaftet, dass sich jedes Atom nur einmal polarisieren ließ. Die MRT-Aufnahme selbst zerstört diese Ausrichtung und verhindert damit Mehrfachaufnahmen. Das Forscherteam aus Freiburg und vom Centre for Hyperpolarisation in York, Großbritannien, setzte daher auf Parawasserstoff: Eine Form des normalen Wasserstoffgases, bei dem sich die Atomkerne in einem besonderen Quantenzustand befinden, und das mittels einer chemischen Austauschreaktion andere Moleküle magnetisch ausrichten kann - im richtigen Magnetfeld immer wieder. Dieser dauerhafte Polarisierungseffekt, beruhend auf Vorarbeiten aus York und Freiburg, steht beliebig lange zur Verfügung, erneuert sich nach jeder Messung und macht somit mehrfache MRT-Aufnahmen möglich. Das dadurch erzeugte Signal ist selbst in einem schwachen Magnetfeld, wie es beispielsweise von einer einfachen Batterie erzeugt werden kann, einhundert Mal stärker als in heutigen MRT-Anlagen.

"Es ist aufregend, diesen neuartigen physikalischen Effekt zu erforschen", sagt Hövener, der in der Abteilung für Medizinphysik der Radiologischen Klinik des Universitätsklinikums Freiburg forscht und Mitglied des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung ist. Zahlreiche Anwendungen in der Chemie und der Molekularbiologie sind denkbar. Bisherige Experimente wurden ausschließlich in vitro durchgeführt. Tests in Zellkulturen und Tiermodellen sollen folgen. Auf lange Sicht hofft der Freiburger Medizinphysiker, dass die kontinuierliche Hyperpolarisation für die biomedizinische Forschung nutzbar wird: "Wasserstoffgas scheint für Menschen gut verträglich zu sein. Von seinem Einsatz könnte die medizinische Diagnostik entscheidend profitieren, auch wenn der Weg noch weit ist", so Hövener. Als Fernziel seien kostengünstige MRT-Geräte für Screenings ebenso denkbar wie tragbare MRTs für die Diagnose vor Ort.

Hövener J.-B., Schwaderlapp N., Lickert T., Duckett S.B., Mewis R.E., Highton L.A.R., Kenny S.M., Green G.G.R., Leibfritz D., Korvink J.G., Hennig J., von Elverfeldt D. A hyperpolarized equilibrium for magnetic resonance. Nature Communications, 2013.doi: 10.1038/ncomms3946

Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) verbindet sich das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg als Kernzentrum langfristig mit onkologisch besonders ausgewiesenen Universitätskliniken in Deutschland. Am Kernzentrum DKFZ und den sieben Partnerstandorten Berlin, Dresden, Essen/Düsseldorf, Frankfurt/Mainz, Freiburg, München und Tübingen arbeiten insgesamt zwanzig Einrichtungen zusammen. Vorrangiges Ziel der im DKTK kooperierenden Wissenschaftler und Ärzte ist es, die Ergebnisse der Grundlagenforschung möglichst rasch in neue Ansätze zur Prävention, Diagnostik und Behandlung von Krebserkrankungen zu übertragen. Dazu werden an allen Partnerstandorten gemeinsame Translationszentren aufgebaut. Patienten sollen für innovative Studien gemeinsam rekrutiert, Daten einheitlich erfasst und Labormethoden harmonisiert und innerhalb des Konsortiums verfügbar werden. Dafür bietet das DKTK den Partnern eine gemeinsame Infrastruktur für die Forschung. Aufgabe des DKTK ist es weiterhin, junge Mediziner und Naturwissenschaftler in der Krebsmedizin und der translationalen Krebsforschung auszubilden. Das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung ist eine gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der beteiligten Bundesländer, der Deutschen Krebshilfe und des Deutschen Krebsforschungszentrums. Es zählt zu den sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG).

06.01.2014

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