Interventionelle Schmerztherapien helfen, sogar richtig gut

90 bis 95 Prozent aller Schmerzpatienten, die in der interventionellen Radiologie behandelt werden, weisen degenerative muskuloskelettale Erkrankungen auf. Sehr häufig handelt es sich dabei um Patienten mit einem chronisch degenerativen Wirbelsäulenschaden.

Ergebniss nach Vertebroplastie von ca. 100 osteoporotischen...
Ergebniss nach Vertebroplastie von ca. 100 osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen: Schmerzscore – angegeben über VAS (visual analog score) – vor, 2 Tage und 6 Monate nach Vertebroplastie

Schmerztherapeutische Interventionen wie die Truncus-coeliacus-Blockade bei einem nicht operablen Pankreaskarzinom oder die Verödung von schmerzhaften Hämangiomen oder Osteoid-Osteomen machen dem gegenüber nur einen Bruchteil des Patientenaufkommens aus. „Die klassischen Therapieformen wie die periradikuläre Therapie (PRT), die Facettendenervation oder die Vertebroplastie sind die Hauptfelder der Schmerzbehandlung und extrem effizient“, erklärt Prof. Dr. Thomas Helmberger, Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin am Klinikum Bogenhausen in München.

Vorübergehende und dauerhafte Schmerzlinderung
Insgesamt kann man drei große Bereiche bei der CT-gestützten Schmerztherapie unterscheiden: Zum einen gibt es die passageren, analgetischen/anästhetischen Schmerzmaßnahmen. Hierzu gehört die perineuronale/radikuläre Infiltration mit Lokalanästhetika ohne steroidale Antiphlogistika (probatorische Infiltration) oder mit steroidalen Antiphlogistika, wobei angemerkt werden muss, dass die Verabreichung bestimmter Präparate eine Off-Label-Anwendung darstellt. Zu diesen lokal medikamentösen Therapien zählen auch die peri- und intraartikulären Infiltrationen an den kleinen Wirbelgelenken und zum Beispiel an den Iliosakralgelenken.

Bei der zweiten Gruppe handelt es sich um permanente Denervierungen. „Die perineurale Thermoablation funktioniert technisch wie eine Tumorthermoablation: Die Sonde wird an der Spitze erhitzt, um die kleinen Nerven um das Facettengelenk durch Hitze dauerhaft zu denervieren. Ein anderes permanentes Verfahren ist die perineuronale Alkoholinstillation“, erklärt Prof. Helmberger. Dieses Verfahren kommt zum Beispiel bei der Truncus-coeliacus-Blockade zur Behandlung von ausgeprägten Schmerzsyndromen bei chronischer Pankreatitis oder Pankreaskarzinom und bei Patienten mit einem Pancoast-Tumor mit Intercoastal-Nerveninfiltration zum Einsatz. Abhängig von der Konzentration des verwendeten Alkohols können mit diesem Verfahren die schmerzleitenden Nervenfasern dauerhaft ausgeschaltet werden.

Hilfe durch Entlastung und Stabilisierung
Drittens gibt es die supportiven Maßnahmen, wozu auch die Zementoplastie mit der Vertebroplastie zählt. Hierbei wird der durch Fraktur oder anderweitige Destabilisierung bedingte Knochenschmerz mithilfe der Restabilisierung des Knochens gemindert. Wenn auch eine eher seltene Maßnahme, so kann auch die CT-gestützte, hochpräzise Einbringung von stabilisierenden Schrauben bei komplexen Frakturen (meist des Beckens) schnell, sicher und unkompliziert zur Schmerzlinderung beitragen. „Darüber hinaus gibt es natürlich auch noch andere Maßnahmen, Schmerzen zu lindern, etwa wenn ein Tumor, Abszess oder Hämatom auf angrenzende Nervenstrukturen drückt. Als symptomatische Maßnahme kann eine Tumorablation oder eine Drainage bei Hämatom oder Abszess die Raumanforderung dekomprimieren und somit zu einer Schmerzentlastung beitragen“, schildert der Interventionsspezialist.

Schneller und präziser mit CT
Fast alle genannten Verfahren können und werden unter CT-Kontrolle durchgeführt, wobei je nach Region und Fragestellung auch Röntgen-Fluoroskopie und Ultraschall zum Einsatz kommen können. Bei modernen Computertomographen spielt nach Ansicht von Helmberger hierbei die Strahlenbelastung mittlerweile eine eher untergeordnete Rolle – zumindest für den Patienten: „Sowohl bei der Durchleuchtung – die bei der perineuralen Facettengelenksinfiltration immer noch gern Anwendung findet – als auch bei der CT ist der Zeitaufwand für die Bildgebung so gering und die zu untersuchenden Bereiche so klein, dass die Dosis unter Strahlenschutzaspekten eine eher untergeordnete Rolle spielt. Hinzu kommt, dass sich die Lage des Interventionsmaterials meist mit deutlich reduzierter Dosis kontrollieren lässt.“

Früh übt sich, …
… wer ein Meister werden will. Die radiologische Schmerztherapie ist ein weites Feld, wobei man mit relativ einfachen Mitteln einen hohen Patientennutzen erzeugen kann. Prof. Helmberger rät daher angehenden Radiologen mit Interesse für interventionelle Fragestellungen, sich diese Verfahren frühzeitig anzueignen, denn weder bei der Facettenblockade noch bei der Vertebroplastie handele es sich um Hexerei, sondern vielmehr um Basisrüstzeug. „Entscheidend ist auch hier – wie eigentlich immer in der Medizin – die richtige Indikationsstellung, was man aber mit einer zunehmenden klinischen Erfahrung auch lernt.“ Komplexere Anforderungen gibt es für Radiologen bei der Schmerztherapie von Tumorpatienten; diese bestehen meist auch weniger in der Durchführung als im interdisziplinären Konzept. Da sind vor allem das Verständnis der klinischen Zusammenhänge und die Zusammenarbeit mit Schmerztherapeuten, Onkologen, Neurologen, Neurochirurgen oder auch Traumatologen gefragt. Und gefragt ist auch das Bewusstsein über die Grenzen des radiologischen Handelns. Der Patient mit Tumorschmerzen stellt nicht die häufigste Indikation in der täglichen Praxis dar. Vielfach sind die Möglichkeiten der systemischen Schmerztherapie nicht ausgeschöpft, sodass die Vorstellung bei spezialisierten Schmerztherapeuten zur Bestimmung des Schmerzsyndroms und zur Einleitung entsprechender Maßnahmen der erste Behandlungsschritt sein sollte. Denn nur bei mehr oder weniger fokal verursachten Schmerzen kann der interventionelle Radiologe wirklich helfen – und das sehr gut.

IM PROFIL
Bevor Prof. Dr. Thomas Helmberger im Jahr 2007 seinen Dienst als Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin am Klinikum Bogenhausen, München, aufnahm, leitete er zweieinhalb Jahre die Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin und das damalige medizinische Leistungszentrum Strahlenmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck. Thomas Helmberger ist Mitherausgeber der Fachzeitschriften „Der Radiologe“ und „CardioVascular and Interventional Radiology“ (CVIR) und engagiert sich als Gutachter für zahlreiche Zeitschriften. Er ist darüber hinaus aktiv in zahlreichen Fachgesellschaften wie ESR, CIRSE sowie ESGAR und war unter anderem Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie
(DeGIR) und der International Liver Cancer Association (ILCA).

27.01.2014

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