Artikel • Vertebroplastie/Kyphoplastie

Interventionelle Radiologie hilft Osteoporose-Patienten

Radiologen als Behandler – dieser Aspekt der bildgebenden Medizin spielt auf dem RadiologieKongressRuhr eine herausragende Rolle. Vorgestellt werden verschiedenste Facetten der Interventionellen Radiologie.

portrait of dieter erich apitzsch
Dr. Dieter Erich Apitzsch

Eine davon ist die Vertebroplastie bzw. die Kyphoplastie, referiert von einem „alten Hasen": Dr. Dieter Erich Apitzsch, zuletzt an der Paracelus-Klinik Marl tätig, hat in seiner Laufbahn rund 2.000 Interventionen an der Wirbelsäule durchgeführt und sich dabei weit über die Grenzen des Ruhrgebiets hinaus, bis nach China und in die Vereinigten Staaten, als Lehrer der Methode einen Namen gemacht.

Die Vertebroplastie/Kyphoplastie ist eine minimalinvasive Methode, eingefallene Wirbelknochen dauerhaft – mithilfe medizinischen Zements – von innen zu stabilisieren, analog zu den Behandlungsverfahren bei anderen Brüchen, die durch innere oder äußere Schienung zur Heilung gebracht werden können. Von den als Sinterungsbrüchen bekannten Wirbelfrakturen sind zumeist ältere Frauen mit Osteoporose betroffen. Aber auch bei Knochenmetastasen, ausgelöst durch Primärtumore in der Lunge, der Brust sowie beim Plasmozytom findet die Vertebroplastie Anwendung.

„Dies ist primär eine Methode der Schmerzmedizin“, erklärt Apitzsch. „Die Schmerzen, die ein frisch gesinterter Wirbelknochen auslöst, sind enorm – vergleichbar mit den Schmerzen, die ein akuter Herzinfarkt verursacht." Früher wurden die Patienten immobilisiert und die Brüche mit Schrauben fixiert. Ein langwieriger Prozess und ein Teufelskreislauf dazu: Denn durch wochenlange Liegezeiten schwinden die Muskeln, und die Gefahr erneuter Brüche wächst. Mit der Vertebroplastie/Kyphoplastie können die Patienten in aller Regel wenige Tage später die Klinik verlassen und alltäglichen Bewegungsabläufen – wie etwa dem Binden von Schnürsenkeln – wieder problemlos nachgehen.

Wie funktioniert das Verfahren?

vertebroplasty

Zunächst wird eine Kernspin- oder CT-Aufnahme der betroffenen Wirbelregion angefertigt, die dem Radiologen das Ausmaß des Sinterungsbruches anzeigt. Der Eingriff selbst findet in Lokalanästhesie statt und dauert üblicherweise eine halbe Stunde. Der Radiologe führt perkutan von beiden Seiten eine Kanüle in den Wirbelkörper vor und injiziert je ein Depot von 1,5 bis 3 Milliliter flüssigen Zement durch die Kanüle. Diese Form des Verfahrens nennt man Vertebroplastie. 

Werden die Wirbel vor der Zementgabe durch einen Ballon oder sich aufspreizende Metalllamellen aufgerichtet, spricht man von Kyphoplastie. Der Zement verhärtet sich und gibt dem gesinterten Wirbel seine Stabilität zurück. Dadurch werden die schmerzauslösenden Mikrobewegungen des Knochens gestoppt. 

Zur Kontrolle der Zementgabe orientiert sich der Behandler an der Durchleuchtungs-Bildgebung.

Worauf muss der Radiologe achten?

Wir geben dem Patienten ein gutes Stück Lebensqualität zurück

Dieter Erich Apitzsch

„Die Kyphoplastie ist ein hydraulischer Vorgang“, so Apitzsch. „Der Zement verdrängt Fett und Blutflüssigkeit. Wichtig ist daher, dass weder Fett noch Zement in das venöse System gelangen, wo sie Embolien auslösen können.“ Schlüssel der erfolgreichen Behandlung ist daher die richtige Konsistenz des Zementes. „Er darf nicht zu flüssig sein, sondern sollte eher die Konsistenz von Zahnpasta haben“, erklärt Apitzsch. Richtig und routiniert angewandt, ist das Verfahren weitgehend komplikationsfrei – nur etwa 1 bis 6 Prozent der behandelten Patienten entwickeln klinisch relevante Komplikationen. Langzeitstudien belegten zudem die Nachhaltigkeit des Verfahrens, sagt Apitzsch. Die Studien zerstreuten auch die Vorbehalte gegen die Vertebroplastie/Kyphoplastie. So ließen die Untersuchungen nicht den Schluss zu, dass zementierte Wirbel Frakturen an den Nachbarknochen begünstigten. „Das erneute Auftreten von Wirbelbrüchen ist nicht die Folge der Kyphoplastie, sondern liegt an der Grunderkrankung“, berichtet Apitzsch. „Wir können mit der Kyphoplastie die Osteoporose nicht heilen. Aber wir geben dem Patienten ein gutes Stück Lebensqualität zurück und das unmittelbar und ohne zeitliche Verzögerung.“

23.10.2008

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