News • Covid-19-Strategie
Intensivmediziner sehen "keine Alternative zum Lockdown"
Die Lage auf den Intensivstationen ist trotz eines Rückgangs der Patienten mit einem schweren Covid-19-Verlauf weiterhin ernst, warnt die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI).
„Wir haben immer noch keine durchschlagende Therapie. Insofern ist die Vermeidung der SARS-CoV-2-Infektion durch den Lockdown in Kombination mit der Impfung das medizinisch einzig Richtige“, sagt DIVI-Präsident Professor Gernot Marx, Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care am Universitätsklinikum Aachen. Als Intensivmediziner trage er derzeit eine besondere Verantwortung – für alle Patienten, die eine optimale und engmaschige Behandlung benötigten, nicht nur für die Patienten mit Corona. „Natürlich können wir den Lockdown nicht unendlich fortsetzen. Aber es ist zwingend erforderlich, dass wir die geltenden Maßnahmen weiter verlängern. Anfang März sollten wir dann wieder in die Diskussion einsteigen.“
Knapp 4.000 Patienten mit einer SARS-CoV-2-Infektion werden heute auf den Intensivstationen des gesamten Landes behandelt – immerhin bereits 1.700 weniger als zum Peak am 3. Januar mit 5.745 Patienten. „Aber das sind immer noch 1.000 Patienten mehr als zum Hochpunkt der ersten Welle im April 2020“, erinnert Marx. „Ärzte und Pflegekräfte auf den Intensivstationen sind wirklich erschöpft – und wir rechnen mit einer dritten Welle, ohne die zweite schon hinter uns zu haben.“ Es gäbe bereits Regionen in Deutschland, die mit Blick auf die englische Mutation sehr genau beobachtet werden, um Rückschlüsse aus den Zahlen im DIVI-Intensivregister ziehen zu können.
Wie die Intensivstationen ihre Situation derzeit selbst einschätzen, fragt das DIVI-Intensivregister täglich ab (siehe Grafik links). Die meldenden Ärzte werden gebeten nach dem Ampelsystem anzuzeigen, ob ihr Betrieb ganz regulär läuft. Dann steht die Klinikampel auf Grün, also alles okay. „Im Dezember standen dann relativ rasch die Klinikampeln auf Rot – Hauptgrund Personalmangel“, erklärt Professor Christian Karagiannidis, medizinisch-wissenschaftlicher Leiter des DIVI-Intensivregisters sowie Leiter des ECMO-Zentrums der Lungenklinik Köln-Merheim. Rot bedeute Schwierigkeiten, hohe Belastung durch vor allem fehlendes Pflegepersonal oder zu wenig Räumlichkeiten, um die hochansteckenden Patienten zu isolieren. „Jetzt, Anfang Februar, setzt gerade der Punkt ein, in dem etwa gleich viele Kliniken auf Rot und Grün stehen“, so Karagiannidis. „Das ist noch keine Entspannung der Situation, auch wenn sie eben nicht so angespannt ist, wie um den Jahreswechsel herum.“
Der DIVI-Präsident wird deshalb nicht müde zu betonen, dass die Intensivmediziner vor allem Zeit bräuchten – Wochen, und am besten Monate, mit weiter sinkenden Infektionszahlen. „Wenn sich der Rückgang der Corona-Patienten auf den Intensivstationen seit Jahresbeginn in diesem Tempo fortsetzt, wird es April oder Mai, bis die Situation als entspannt gelten kann. Dies ist nur ohne einen erneuten Neuanstieg der Infektionszahlen realistisch.“ Er sei deshalb überzeugt, dass die Lage bis Ostern sehr ernst bleibe. „Es gibt drei Dinge“, so Marx, „die wir brauchen, um die Pandemie dauerhaft unter Kontrolle zu bekommen:
- Ausbreitung der Mutationen solange es geht hinauszögern, also Kontakte reduzieren,
- sehr viel testen, um rasch auf Veränderungen im Infektionsgeschehen aufmerksam zu werden,
- möglichst rasch möglichst viele Menschen impfen“
Quelle: Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI)
08.02.2021