Herzkranke Diabetespatienten häufig falsch behandelt?
Bypass-Operation sichert längere Überlebenszeit als Stent
Diabetespatienten, die unter mehrfach verengten Herzkranzgefäßen leiden, sollten sich eher einer Bypass-Operation unterziehen als sich eine Gefäßstütze, einen sogenannten Stent, legen zu lassen.
Dies zeigt eine internationale Studie, die in der Fachzeitschrift „New England Journal of Medicine“ erschienen ist. Demnach überleben Diabetespatienten nach einer Bypass-OP deutlich länger als Diabetespatienten mit einer Gefäßstütze. „Beratung und Behandlung von herzkranken Menschen mit Diabetes müssen sich verbessern“, erklärt Professor Dr. med. Stephan Matthaei, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Es sei dringend erforderlich, dass Ärzte die Betroffenen vor einer Herzkatheteruntersuchung über den Überlebensvorteil der Bypass-Operation aufklären, fordert der DDG-Präsident. Nur so könnten herzkranke Diabetespatienten eine informierte Entscheidung treffen.
An der Studie nahmen von 2005 bis 2010 insgesamt 1900 Diabetespatienten aus 140 internationalen Behandlungszentren teil – darunter Kliniken aus den USA, Spanien, Kanada, Brasilien, Indien, Frankreich und Australien. Die Patienten litten unter mehrfach verengten Herzkranzgefäßen, die einen Eingriff erforderlich machten. Die Ärzte teilten die Patienten dafür nach dem Zufallsprinzip in zwei Behandlungsgruppen ein. Einer Gruppe legten Chirurgen bei einer offenen Herzoperation Bypässe, um die verstopften Herzkranzgefäße zu überbrücken. Die zweite Gruppe unterzog sich einer perkutanen Koronarintervention mit Medikamenten freisetzenden Stents. Bei diesem Eingriff schieben Herzspezialisten über einen Katheter eine kleine Metallstütze bis zur Engstelle vor, um das Gefäß zu weiten. Die Medikamente sollen zusätzlich verhindern, dass sich die Arterie wieder verschließt. Zum Zeitpunkt des Eingriffs waren die Patienten im Schnitt 63 Jahre alt. Bei den meisten waren die Herzkranzgefäße an drei Passagen verengt.
Ergebnis der Vergleichsstudie nach einem Beobachtungszeitraum von fünf Jahren: Todesfälle und Herzinfarkte traten insgesamt deutlich seltener nach einer Bypass-Operation auf. Während innerhalb von fünf Jahren 10,9 Prozent der Patienten in der Bypass-Gruppe verstarben, betrug die Rate der Todesfälle in der Stent-Gruppe 16,3 Prozent. Einen Herzinfarkt hatten sechs Prozent der Bypass-Patienten erlitten, bei den Stent-Patienten waren es dagegen 13,9 Prozent. Lediglich bei den Schlaganfällen kam die Stent-Gruppe besser weg: Nur 2,4 Prozent der Patienten mit einer koronaren Gefäßstütze bekamen innerhalb von fünf Jahren einen Schlaganfall, bei den Bypass-Patienten waren dies 5,2 Prozent.
„Herzkranke Diabetespatienten sollten dies bereits vor einer geplanten Katheteruntersuchung erfahren, damit sie eine informierte Entscheidung für Bypass oder Stent treffen können“, betont Professor Dr. med. Andreas Fritsche, Pressesprecher der Deutschen Diabetes Gesellschaft aus Tübingen. „Nur so ist sichergestellt, dass der Patient ausreichend Zeit hat, seine Therapieentscheidung mit seiner Familie, dem behandelnden Herzteam und seinem Diabetologen gründlich zu besprechen.“ Dies wird auch in einem begleitenden Editorial zu dieser Arbeit im New England Journal of Medicine gefordert. In Anbetracht der Studienergebnisse müsse man wohl davon ausgehen, dass viele herzkranke Diabetespatienten derzeit nicht richtig behandelt würden.
Bei einer koronaren Katheteruntersuchung folgt auf die Diagnostik der Herzkranzgefäße häufig sofort auch der Einsatz von Gefäßstützen. Denn beides – Diagnostik und Stent-Therapie – kann in einer Sitzung erfolgen. Dies gilt unter Experten als einer der Gründe, warum in Deutschland immer mehr Stents eingesetzt werden, die Zahl der Bypass-Operationen hingegen abnimmt.
Quelle:
Michael E. Farkouh et al. Strategies for Multivessel Revascularization in Patients with Diabetes. The New England Journal of Medicine, November 4, 2012. DOI: 10.1056/NEJMoa1211585
http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1211585
28.11.2012