Gebärmutterhalskrebs-Screening

Gynäkologen warnen: Optionsmodell überfordert Frauen

Zytologische Untersuchung oder HPV-Test? Die meisten Frauen wissen noch gar nicht, dass demnächst gravierende Änderungen bei der Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs auf sie zukommen. Der gewohnte jährliche Abstrich und dessen zytologische Untersuchung soll einem organisierten Einladungs-Programm weichen, das zunächst wahlweise beide Methoden anbietet: einmal im Jahr den üblichen PAP-Abstrich oder alle fünf Jahre einen Test auf Humane Papillomviren (HPV), ausgehend von der Erkenntnis, dass HP-Viren ein wichtiger Risikofaktor für die Entstehung des Zervixkarzinoms sind.

Ein DW- MRT-Bild und Fusionsbildern (T2WI +DWI) zeigt eine Läsion.
Ein DW- MRT-Bild und Fusionsbildern (T2WI +DWI) zeigt eine Läsion.
Quelle: Archiv

Zytologische Untersuchung oder HPV-Test? Die meisten Frauen wissen noch gar nicht, dass demnächst gravierende Änderungen bei der Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs auf sie zukommen. Der gewohnte jährliche Abstrich und dessen zytologische Untersuchung soll einem organisierten Einladungs-Programm weichen, das zunächst wahlweise beide Methoden anbietet: einmal im Jahr den üblichen PAP-Abstrich oder alle fünf Jahre einen Test auf Humane Papillomviren (HPV), ausgehend von der Erkenntnis, dass HP-Viren ein wichtiger Risikofaktor für die Entstehung des Zervixkarzinoms sind.

Jedoch gibt es bislang keine eindeutigen Daten, die eine Überlegenheit des HPV-Tests gegenüber dem bewährten PAP-Abstrich belegen. Dennoch werden sich Frauen im Alter von 30 bis 60 Jahren voraussichtlich bereits ab 2017 für eine der beiden Screeningmethoden entscheiden müssen. Das halten die Gynäkologen der Ärzteorganisation GenoGyn für eine Überforderung ihrer Patientinnen. „Solange die Nutzenbewertung wissenschaftlich nicht geklärt ist, können wir die Entscheidung nicht auf die Frauen abwälzen und sie in einen Versuch mit ungewissen Konsequenzen schicken“, warnt GenoGyn-Vorstand Dr. Jürgen Klinghammer.

Im März 2015 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beauftragt, binnen 18 Monaten standardisierte Einladungsschreiben und eine Versicherteninformation als Entscheidungshilfe für das organisierte Screening zu erstellen. Bereits bis April 2016 will der G-BA seine Richtlinien zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs derart anpassen, dass auf Dauer ein HPV-Test alle fünf Jahre bei Wegfall der zytologischen PAP-Untersuchung möglich wird. Zentrale Eckpunkte für diese Richtlinienänderung: Für eine Übergangsphase von zunächst sechs Jahren müssen Frauen zwischen 30 und 60 wählen, ob sie zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs den HPV-Test oder den jährlichen PAP-Abstrich nutzen wollen, wie es die seit 1971 bestehende Krebsfrüherkennungsuntersuchung für Frauen vorsieht. Bei diesem Optionsmodell ist weder die Kombination beider Verfahren noch ein Wechsel innerhalb des Screeningintervalls von fünf Jahren möglich. In der Übergangsphase werden für beide Screeningstrategien Daten erhoben, auf deren Basis der G-BA prüft, ob es Hinweise auf die Über- oder Unterlegenheit einer Methode gibt. In dem Fall soll nur noch die überlegene Screeningstrategie angeboten werden. Für Frauen zwischen 20 und 30 Jahren soll sich in der Übergangsphase vorerst nichts ändern: Sie haben weiterhin Anspruch auf die jährliche PAP-Abstrich-basierte zytologische Untersuchung.

Für Frauenarzt Dr. Bodo Jordan, Aufsichtsratmitglied der GenoGyn und Vorsitzender des Vorstands der Arbeitsgemeinschaft zytologisch tätiger Ärzte in Deutschland e.V. (AZÄD), ist der anvisierte Paradigmenwechsel in der Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs aus medizinischer Sicht nicht gerechtfertigt: „Unser existierendes Programm ist äußerst effektiv, wie die niedrige Sterblichkeit an Gebärmutterhalskrebs in Deutschland im Vergleich zu den meisten anderen Ländern belegt. Dem alleinigen HPV-Screening attestiert dagegen eine US-Studie 19 Prozent falsch negative Ergebnisse bei Zervixkarzinomen oder deren unmittelbaren Vorstufen, also übersehene Krebserkrankungen.“ Dazu basieren alle bisherigen Erkenntnisse zu einer HPV-Testanwendung ausschließlich auf Schlussfolgerungen aus verschiedenen Studien. Erkenntnisse aus Anwendungen in der Praxis wie bei der bestehenden gesetzlichen Krebsfrüherkennungsuntersuchung in Deutschland existieren bisher aus keinem Land weltweit. Nicht nachzuvollziehen sei außerdem die beabsichtigte Festlegung einer oberen Altersgrenze von 60 Jahren für das Screening, obwohl die Erkrankungshäufigkeit ab dem 65. Lebensjahr aktuell erneut ansteigt.

Frauenarzt Dr. Klinghammer kritisiert, dass den Patientinnen im Rahmen eines gesetzlichen Früherkennungsprogramms eine Entscheidung aufgezwungen werden soll, die bisher nicht einmal die Medizin selbst treffen kann. Diese Tatsache könnten auch beste Aufklärungsmaterialien des IQWIG nicht ändern: „Sogar der G-BA stellt fest, dass Studien zur Nutzenbewertung keine Empfehlung für eine bestimmte Screeningmethode ermöglichen.“ Auch nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums lässt sich aus dem alleinigen Nachweis von HP-Viren am Gebärmutterhals nicht direkt ableiten, ob sich das infizierte Gewebe bösartig verändern wird oder ob die Infektion ausheilt. Bisher lasse erst die Untersuchung von Zellabstrichen deutlichere Rückschlüsse zu und spüre auch Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs auf, bevor ein invasives Karzinom entstehe.

Da es keine eindeutigen medizinischen Aspekte gibt, die den angestrebten Wechsel der Screeningmethode von der bestehenden Gebärmutterhalskrebs-Vorsorge durch zytologische Untersuchung zu einem Labortest auf Humane Papillomviren rechtfertigt, sind die Motive nach Einschätzung der GenoGyn nur auf der Kostenebene zu suchen. Die Krankenkassen wollten sich hier durchsetzen. Dr. Klinghammer: „Ein Zervixkarzinom entwickelt sich zwar nicht von heute auf morgen, aber eine Patientin aus Kostengründen nur noch alle fünf Jahre für einen HPV-Test mit unklaren Folgen zu sehen, halte ich für unverantwortlich.“ Rund 60 Prozent der Frauen haben zum Zeitpunkt ihrer Zervixkarzinom-Diagnose in den vorherigen fünf Jahren keine Früherkennungsuntersuchung in Anspruch genommen. Eine Optimierung des Früherkennungsprogramms sollte, so die GenoGyn, deshalb derzeit besser darauf fokussieren, all die Frauen zu erreichen, die nicht zur Vorsorge gehen.


Quelle: GenoGyn

26.11.2015

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