Interview • Standardisierung
Gastrointestinale Diagnostik: Wie wichtig ist der strukturierte Befund?
Die strukturierte Befundung ermöglicht es Medizinern auch komplizierte Einteilungen und Klassifikationen sicher innerhalb eines Befunds anzuwenden. Das schafft mehr Sicherheit und ist auch als Mittel zur Qualitätskontrolle geeignet, ist Dr. Thomas Huber, Radiologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München, überzeugt.
Interview: Sascha Keutel
„Durch eine strukturierte Befundung erhält man zuverlässig vollständige Befunde mit einheitlich hoher Qualität die idealerweise alle Informationen beinhalten, die für den zuweisenden klinischen Kollegen relevant sind.“
HiE: Strukturierte Befundung dient eher als Sammelbegriff. Was verstehen Sie unter dieser Bezeichnung?
Prof: Huber: Unter strukturierter Befundung in der Radiologie verstehe ich eine gegliederte, vollständige und Kriterien-basierte Befunderstellung, idealerweise mithilfe von Experten geprüften Entscheidungsbäumen. Die Gliederung des eigentlichen Befunds kann dabei anhand von anatomischen Regionen oder verwandten Sinnabschnitten erfolgen. Der Befund muss am Ende alle relevanten Informationen enthalten, die der zuweisende klinische Kollege für die weitere Therapieplanung des Patienten benötigt. Im weiteren Sinne ist die strukturierte Befundung ein wichtiger Schritt, um die Digitalisierung in der Medizin voranzubringen und Experteninformationen maschinenlesbar und analysierbar zu machen.
Welche Mittel der strukturierten Befundung gibt es?
Strukturierte Befundung kann auf verschiedenen Wegen erfolgen, durch den Einsatz von festen Textbausteinen oder ganzen Befundvorlagen beispielsweise. Viele Kolleginnen und Kollegen praktizieren das schon, um in der klinischen Routine noch effizienter zu sein. Einfach gegliederte Befundvorlagen von Experten können auf der Seite RadReport.org der RSNA als Vorlage heruntergeladen werden. Zudem gibt es verschiedene professionelle Softwarelösungen, die strukturierte Befundung komfortabel und in das existente Befundsystem integrierbar anbieten, zum Beispiel zur gezielten RECIST-Befundung.
Was sind die Vorteile des „Structured Reporting“ (SR) im Vergleich zur Freitextbefundung?
Strukturierte Befundung führt zu einer gleichbleibenden, hohen Qualität unserer radiologischen Befunde unter Berücksichtigung von aktuellen Klassifikationen, Einteilungen und Leitlinien. Dadurch wird die Zuweiserzufriedenheit erhöht, die Kommunikation mit Kollegen aus anderen Fachbereichen verbessert und die Rolle der Radiologie im klinischen Entscheidungsprozess weiter gestärkt. Durch die zunehmende softwareseitige Verbesserung der verschiedenen Software, beispielsweise mit flexiblen Befundbausteinen oder auch von Spracherkennung, kann die bisherige Arbeitsweise in Zukunft weitgehend beibehalten werden.
Wie sehen denn ‚gute‘ Befundtemplates aus?
Einerseits müssen die Befunde detailliert genug sein und alle relevanten Informationen abfragen. Andererseits müssen sie auch in der klinischen Routine praxistauglich sein, ohne den Arbeitsfluss zu verzögern. Die Basis ist ein durchdachter Entscheidungsbaum, der am besten von mehreren Radiologen in der klinischen Routine evaluiert wurde. Zusätzlich empfiehlt es sich, die klinischen Kollegen zu konsultieren, um den Befund an die Bedürfnisse der Zuweiser anzupassen. Gerade in diesem engen Austausch mit unseren Zuweisern liegt eine große Chance für die Radiologie, um die Relevanz unserer Befunde weiter zu stärken.
In welchen Bereichen ändert SR den Befundungsprozess?
Wichtig ist, die strukturierte Befundvorlage gut in den bestehenden Arbeitsfluss einzubinden – entweder über die Integration in das bestehende RIS / PACS System oder über Shortcuts oder Verlinkungen
Thomas Huber
Zu Beginn der Umstellung braucht der Radiologe zunächst etwas länger, um den Befund zu erstellen, weil er die routinierten und optimierten eigenen Pfade verlässt. Nach einer Phase der Geduld kennt man die Befundvorlage bald genau, wodurch sich die Anwendungszeit deutlich verkürzt. Auch hat man die Gewissheit, dass der Befund vollständig ist und keine Rechtschreibfehler enthält, weil die Textbausteine standardisiert sind. Wichtig ist, die strukturierte Befundvorlage gut in den bestehenden Arbeitsfluss einzubinden – entweder über die Integration in das bestehende RIS / PACS System oder über Shortcuts oder Verlinkungen.
In der Onkologie wurde bereits vor über 30 Jahren damit begonnen, SR-Kriterien für die Verlaufskontrolle einzurichten. Warum spielt sie erst jetzt eine so große Rolle in der Radiologie?
Die steigende Zahl der radiologischen Untersuchungen und die fest etablierte Rolle der Radiologie beispielsweise bei Staging-Untersuchungen haben die Nachfrage nach einer konsequent strukturierten Befundung deutlich erhöht. Die Radiologie ist ein sehr breites Fachgebiet mit unterschiedlichen Fragestellungen aus vielen Fachbereichen. Oft sind verschiedene Fragestellungen aus einzelnen Fachbereichen parallel in einer einzigen radiologischen Untersuchung zu beantworten, da das Untersuchungsfeld (z. B. CT Thorax / Abdomen) sehr breit ist. Die aktuellen Ansätze des SR möchten diesen unterschiedlichen Anforderungen in der klinischen Routine möglichst flexibel begegnen.
Studien zeigen, dass Template-Nutzer bessere Befunde schreiben. Warum?
Bei der Beurteilung der Befundgüte wurden bei den meisten Studien zur strukturierten Befundung nicht Radiologen, sondern klinische Zuweiser befragt, die den Befund am Ende lesen. Hier schneiden vollständige und sauber gegliederte Befunde, die alle Fragen des Zuweisers adressieren, natürlich häufig besser ab. Doch sind sie auch für die Radiologie ein Vorteil und eine Chance denn sie helfen, Rückfragen zu minimieren und verbessern die Kommunikation mit den Kollegen.
Welche Rolle spielt SR in der Gastroenterologie?
Es gibt eine Reihe an guten Anwendungsbeispielen zum Einsatz von strukturierter Befundung in der abdominalen Radiologie. So wurden erst kürzlich die überarbeiteten Befundkriterien zum Staging des kolorektalen Karzinoms der European Society of Gastrointestinal and Abdominal Radiology (ESGAR) sowie ein Vorschlag für eine strukturierte Befundvorlage dazu publiziert. Außerdem werden die LI-RADS und RECIST-Klassifikationen inzwischen breit eingesetzt. Das vereinfacht ganz deutlich die Kommunikation in Tumorboards und mit den internistischen Kollegen.
Über die Templates werden zahlreiche unterschiedliche und vergleichbare Daten gesammelt? Was passiert nun mit diesen?
Strukturierte Befundung schafft zwar die Grundlage zur weiteren Datenauswertung, automatisch analysiert werden die Daten jedoch nicht. Allerdings kann ein im RIS gespeicherter Befund später für Fragen rund um das Controlling oder die Wissenschaft unter Beachtung des Datenschutzes ausgewertet werden.
Profil:
Dr. Thomas Huber hat Humanmedizin an der LMU München und Mc Gill University Montreal, Kanada, studiert Seine Promotion legte er in der Arbeitsgruppe Tumorimmunologie der Abteilung für Klinische Pharmakologie der LMU München ab. Seit Oktober 2016 arbeitet Huber als Assistenzarzt in der Klinik und Poliklinik für Radiologie der Universität München, Campus Großhadern. Sein Forschungsgebiete sind die Software-basierte Therapieunterstützung, strukturierte Befundung und 3D-Technologien zur Therapieplanung und Befundkommunikation in der onkologischen Radiologie. Seit April 2017 ist Huber als Medical Consultant bei Smart Reporting GmbH, München, einer Ausgründung der LMU München, tätig.
Veranstaltungshinweis:
Samstag, 29. September 2018, 12:20–12:40
Raum: Röntgen-Saal
Session: Symposium 15 – Refresher Course: GI Bildgebung
Strukturierte Befundung – Klarer Mehrwert?
Dr. Thomas Huber (München)
27.09.2018