T-Zellen greifen Krebszelle an (Illustration)
T-Zellen greifen Krebszelle an (Illustration)

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News • Jahrestagung Hämatologie und Medizinische Onkologie

Fortschritte in der Krebsmedizin kommen früher bei Patienten an

Der Austausch in der Krebsmedizin ist gerade während der Pandemie wichtiger denn je. Am Beispiel molekularer Tumorboards wird deutlich, wie über Fachdisziplinen und Sektorgrenzen hinweg unter Nutzung modernster diagnostischer Methoden, lernender Systeme und innovativer Informationstechnologien Empfehlungen für individuelle Therapien entwickelt werden können. Im Rahmen der gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie hielten die Experten fest: Onkologische Innovation kommt früher bei Patienten an.

Die Jahrestagung findet in diesem Jahr aufgrund der fortdauernden Covid-19-Pandemie als Hybridveranstaltung mit einer begrenzten Teilnehmerzahl statt. Vom 1. bis 4. Oktober 2021 können die Teilnehmer das umfangreiche Wissenschafts- und Fortbildungsprogramm mit 236 Sitzungen im CityCube in Berlin oder online via Livestream verfolgen.

Digitalisierung und künstliche Intelligenz für die Bearbeitung großer Datensätze und deren Integration in die klinische Entscheidungsfindung sowie verbessertes Management von Nebenwirkungen durch elektronische Einbindung der Patienten sind brennende Themen, die wir auf der Jahrestagung diskutieren wollen“, erklärt Prof. Dr. med. Andreas Mackensen, diesjähriger Kongresspräsident und Direktor der Medizinischen Klinik – Hämatologie und Internistische Onkologie – des Universitätsklinikums Erlangen. Dabei nehmen auch niedergelassene Hämatologen und Onkologen an der wissensgenerierenden Versorgung teil. Wie das im Detail aussehen kann, wird am Beispiel der molekularen Tumorboards für den Bereich der niedergelassenen Hämatologie und Onkologie vorgestellt.

Moderne Krebstherapie: Noch mehr Kooperation

Durch die Entwicklung der Hochdurchsatzsequenzierung (Next Generation Sequencing, NGS) werden zahlreiche genetische Veränderungen in Tumorzellen identifiziert, die unter bestimmten Voraussetzungen auch Ansatzpunkte für gezielt wirksame Therapien sein können. „Die Sequenzierung genügt deswegen eben nicht als alleinige Entscheidungsbasis für die individuell beste Krebstherapie“, betont Prof. Dr. med. Lorenz Trümper, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO und Vorstand Krankenversorgung der Universitätsmedizin Göttingen. Die optimale onkologische Behandlung sollte sowohl auf Basis dieser genetischen Befunde, vor allem aber auch in persönlicher Kenntnis klinischer und patientenindividueller Faktoren gewählt werden, wie die DGHO in einem gemeinsamen Positionspapier mit anderen wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften 2019 bereits betont hat. 

In molekularen Tumorboards beteiligen sich deshalb auch Experten verschiedener Disziplinen an der Entwicklung einer Therapieempfehlung für die individuellen Patienten, beispielsweise neben dem betreuenden Fachgebiet wie der Hämatologie/Onkologie auch andere organspezifische Fächer wie die Pathologie, die Humangenetik, die Bioinformatik oder die Molekularbiologie/Biochemie. Dabei wird der Einschluss von Patienten in klinische Studien immer diskutiert, weil nur so aus der Versorgung Erkenntnisse für künftige Patienten generiert werden können. Initiiert wurden molekulare Tumorboards seinerzeit als forschungsorientierte Einrichtungen für Patienten mit seltenen Tumorerkrankungen. Inzwischen sind sie an allen onkologischen Spitzenzentren in Deutschland etabliert.

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News • Reduzierung von Nebenwirkungen

Krebstherapie: Antikörper, die sich erst am Tumor 'scharf schalten'

Auf therapeutischen Antikörpern ruht eine große Hoffnung der Krebstherapie. Forschende der TU Darmstadt und der Firma Merck haben einen Weg gefunden, Antikörper erst am Tumor selbst zu aktivieren. So werden unerwünschte Nebenwirkungen in gesundem Gewebe vermieden. Die Ergebnisse der Forschung wurden in der Fachzeitschrift „Frontiers in Immunology“ veröffentlicht.

Ein herausragendes Beispiel für die Identifikation molekularer Veränderungen von Tumoren als Basis für die Entscheidung für eine bestimmte medikamentöse Tumortherapie (und damit für ein bestimmtes Arzneimittel) ist die zielgerichtete Therapie von Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC). Das Netzwerk Genomische Medizin (NGM) Lungenkrebs hat bereits 2010 begonnen, molekulare/genetische Tests für Betroffene mit NSCLC verfügbar zu machen. Etwa zwei Drittel der Patienten mit NSCLC weisen eine spezifische genetische Mutation im Tumor auf. Für immer mehr genetische Veränderungen stehen mittlerweile zielgerichtete Therapien zur Verfügung. „Dabei gilt dieses Prinzip längst nicht mehr nur für Lungenkrebs. Auch bei anderen Krebserkrankungen spielt die Diagnose von spezifischen Mutationen zur Identifikation der am besten passenden medikamentösen Tumortherapie eine immer wichtigere Rolle“, betont Trümper. 

 Auch die Immuntherapie kann die Prognose bei vielen Krebserkrankungen deutlich verbessern. In verschiedenen erkrankungsspezifischen Symposien werden aktuelle Empfehlungen und Studienergebnisse zum Einsatz von Immuncheckpoint-Inhibitoren, monoklonalen Antikörpern und CAR-T-Zellen präsentiert. Ein besonderes Augenmerk wird auf klinische Erfahrungen mit der CAR-T-Zelltherapie gelegt. Auch neue Entwicklungen dieses therapeutischen Prinzips wie duale CAR-T-Zellen, Adapter-CAR-T-Zellen oder NK-CAR-T-Zellen werden vorgestellt.  

Neben fachspezifischen Fragestellungen beschäftigt sich die Jahrestagung 2021 auch mit wichtigen gesellschaftlichen und ethischen Themen. So werden Forschungsergebnisse zur Priorisierung in der Krebsversorgung im Kontext der Covid-19-Pandemie vorgestellt, und ein Symposium beschäftigt sich mit der palliativen Versorgung im Kontext der Pandemie. Auch dem Thema der (ärztlich) assistierten Selbsttötung, das in diesem Jahr wieder auf die gesellschaftliche und politische Agenda gelangt ist, widmet sich der Kongress. „Wir freuen uns, dass wir die Bundestagsabgeordneten Renate Künast und Katrin Helling-Plahr sowie Prof. Alfred Simon von der Akademie für Ethik in der Medizin als Referenten gewinnen konnten“, erklärt Mackensen. Auch die Frage, welche Rolle Ärzte beim assistierten Suizid einnehmen sollen, wird im Symposium diskutiert.

16.09.2021

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