MRT eines Fetus.
MRT eines Fetus.

Artikel • Pränataldiagnostik

Fetale MRT: Das Wohl des Ungeborenen im Blick

Die fetale Magnetresonanztomografie (MRT) ist eine hilfreiche Ergänzung der Pränataldiagnostik bei unklaren, auffälligen oder schwerwiegenden Ultraschallbefunden. Auf dem Garmisch-Symposium berichtet Prof. Dr. Sophia Stöcklein von der Klinik und Poliklinik für Radiologie der LMU München über Indikationen, Herausforderungen und Tipps zur praktischen Durchführung der MRT bei Ungeborenen.

Bericht: Sascha Keutel

Für die Radiologin ist es wichtig, die Rolle der fetalen MRT in der pränatalen Diagnostik einzuordnen: „Die fetale MRT ist keine Screening-Methode, die dem Ultraschall Konkurrenz machen wird. Vielmehr ist es ein komplementäres Verfahren, um fragliche Ultraschallbefunde genauer abzuklären“, betont sie. „Für ein Screening wäre die fetale MRT zeitlich und finanziell viel zu aufwendig und auch gar nicht notwendig.“

Indikationen

Aufgrund der differenten Gewebeabbildung und des höheren Weichteilkontrasts liefert die MRT zum Ultraschall ergänzende Informationen. Zudem gibt es einzelne Bereiche, deren Abbildung per MRT eine bessere Grundlage für die Diagnostik bildet. „Die hintere Schädelgrube und der Hirnstamm sind Strukturen sind häufig für die Sonografie weniger gut einsehbar sind“, nennt die Expertin zwei Beispiele.

Mit der MRT erhalten Radiologen außerdem Informationen, die über die makroskopische Struktur hinausgehen, beispielsweise bei der Traktografie. Diese DTI-Methode (Diffusions-Tensor-Imaging) wird etwa bei der Corpus-callosum-Agenesie – einer Erberkrankung und Hemmungsfehlbildung mit anteiliger oder ganzer Fehlanlage des Hirnbalkens – eingesetzt.

Weitere Indikationen, bei denen die fetale MRT eine Hilfestellung bietet, sind die Erweiterung der Liquorräume, Neuralrohrdefekte sowie angeborene Zwerchfellhernien. „Für die Prognose von Zwerchfellhernien ist es entscheidend zu volumetrieren, wie viel gesundes Lungenparenchym vorhanden ist“, berichtet die Radiologin. Eine MRT-Untersuchung kann auch nach einer auffälligen Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese), Abweichungen in der Fruchtwassermenge (Hydramnion oder Oligohydramnion) oder einer Vorderwandplazenta hilfreich sein.

Praktische Durchführung

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Prof. Dr. Sophia Stöcklein, Bereichsleitung MRT, Klinik und Poliklinik für Radiologie, LMU Klinikum der Universität München

Eine MRT-Untersuchung kann ab der 18. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden. Sie erfolgt mit einem Untersuchungsprotokoll mit geringer Energieaufnahme (spezifische Absorptionsrate; SAR) und immer ohne Kontrastmittel. Studien zur Sicherheit haben bislang keine Daten oder Hinweise auf Langzeiteffekte durch MRT‑Untersuchungen an Fetus, neugeborenem Kind oder Mutter ergeben.

Für eine aussagekräftige Untersuchung ist es wichtig, dass der Radiologe viele und möglichst akkurate Informationen schon im Vorfeld sammelt. „Wir sollten das Schwangerschaftsalter tagesgenau wissen, da sich die Strukturen im Laufe der Schwangerschaft sehr stark verändern und zur Beurteilung immer wichtig ist, altersentsprechende Normwerte heranzuziehen“, erklärt die Radiologin.

Die fetale MRT ist immer eine Ganzkörperuntersuchung, um komplexe Fehlbildungen und genetische Syndrome erkennen beziehungsweise ausschließen zu können. „Wir untersuchen sowohl den gesamten Fetus als auch die Plazenta, die auch zum Fetalsystem dazugehört“, berichtet Stöcklein. „Die T2-Sequenz von Körper und Kopf sind jeweils in drei Ebenen durchzuführen. Zudem führen wir jeweils eine T1-, eine Gradientenecho- und eine diffusionsgewichtete Sequenz in ein bis zwei Ebenen durch.“

Tipps und Tricks

Prof. Stöcklein nutzt den Vortrag auch, um auf die Tücken der fetalen MRT hinzuweisen. Sie rät Radiologen etwa, pro Untersuchung eine Zeitspanne zwischen 30 und 50 Minuten einzuplanen. Denn fetale Bewegungen können es mitunter nötig machen, Teile der Untersuchung zu wiederholen.

„Wir haben zwei schwer zu vereinbarende technische Herausforderungen, nämlich die Untersuchung einer kleinen Struktur mit hoher Auflösung in möglichst kurzer Zeit. Der kleine Fetus ist in den frühen Wochen der Schwangerschaften noch sehr mobil, weshalb nur wenig Zeit bleibt, die Sequenz zu fahren bevor der Fetus schon ganz woanders ist“, erklärt Stöcklein – und gibt einen praktischen Tipp: „Manchmal kann es helfen, wenn die Mutter kurz vor Untersuchung einen Snack zu sich nimmt. Denn wenn der Glukoselevel höher ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Fetus einschläft. Kaffee vor der Untersuchung sollte hingegen vermieden werden.“

Um flexibel reagieren zu können, ist in der Klinik und Poliklinik für Radiologie des LMU Klinikums immer ein Radiologe mit am Gerät, der bereits während der Akquisition die Bilder überprüft, bevor die Patientin aus dem Scanner entlassen wird.

Andere Herausforderungen betreffen die Lagerung der Patientinnen. Kann die Schwangere nicht gut auf dem Rücken liegen, sollte die Patientin in Linksseitenlage positioniert werden. Darüber hinaus werden die Patientinnen mit den Füßen zuerst in den Scanner eingefahren. Dies ermöglicht es, dass eine Begleitperson am Kopfende dabei sein kann, und hilft dabei klaustrophobische Reaktionen zu vermeiden. (SKE)

Profil:
Seit 2018 leitet Prof. Dr. Sophia Stöcklein am Klinikum der Universität München als Oberärztin die Bereiche MRT und Kopf/Hals-Bildgebung. Nach ihrer Promotion arbeitete die Radiologin für zwei Jahre als DFG-Forschungsstipendiatin am Center for Brain Science der Harvard Universität und des Athinoula A. Martinos Center for Biomedical Imaging, Massachusetts General Hospital. 2016 habilitierte sie zum Thema „Functional Connectivity Networks in the Human Brain: Reliability, Inter-Individual Differences and Alterations in Neuropsychiatric Disease“. 2021 erfolgte die Bestellung zur außerplanmäßigen Professorin an der LMU.

20.01.2022

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