Dr. Michael Schulz untersucht die Spritzen an der Neutronen-Radiografieanlage...
Dr. Michael Schulz untersucht die Spritzen an der Neutronen-Radiografieanlage ANTARES am FRM II.

Bildquelle: Astrid Eckert / TUM

News • Injektionsnadeln durchleuchtet

Warum Fertigspritzen verstopfen - und wie sich das verhindern lässt

Injektionsnadeln vorgefüllter Fertigspritzen können bei falscher Lagerung verstopfen. Ein Forschungsteam hat den Prozess detailliert und systematisch untersucht, unter anderem an der Forschungs-Neutronenquelle FRM II der Technischen Universität München (TUM). Die Ergebnisse sollen dabei helfen, die Herstellung und Lagerungsbedingungen entsprechend anpassen zu können.

Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Erkenntnisse im European Journal of Pharmaceutics and Biopharmaceutics.

Vorgefüllte Fertigspritzen sind einfach zu handhaben und ermöglichen eine exakte Dosierung. Patienten können sich ihr Medikament daher ohne Probleme selbst spritzen. Sie sind bei so verschiedenen Krankheiten wie Asthma, Krebs oder auch chronischen entzündlichen Erkrankungen wie Morbus Crohn nicht mehr aus der Therapie wegzudenken. Doch die Fertigspritzen funktionieren nicht immer einwandfrei, die Injektionsnadeln können während der Lagerung verstopfen, was zu Fehldosierungen bei der Injektion führen kann. 

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Bildquelle: Astrid Eckert / TUM

„Dieses Problem steht weltweit im Fokus der Pharma-Hersteller und der Zulassungsbehörden“, sagt Prof. Stefan Scheler. Er arbeitet für die technische Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Schweizer Pharmaunternehmens Novartis und lehrt an der Hochschule Kaiserslautern Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie. 

Scheler und sein Kollege Dr. Alexander Zürn haben eine detaillierte und systematische Studie angefertigt, die die Vorgänge beim Verstopfen der Nadeln mathematisch modelliert und so ein besseres Verständnis für die Hintergründe dieses unerwünschten Prozesses schafft. Dazu nutzten die Forschenden auch die Neutronen-Radiografieanlage ANTARES der TUM am Heinz Maier-Leibnitz Zentrum in Garching. 

„Röntgenstrahlen können das Metall der Nadel nur unzureichend durchdringen“, erklärt Dr. Michael Schulz, der für die TUM die Neutronenmessungen an der Radiografieanlage geleitet hat. „Neutronen hingegen durchdringen das Metall und zeigen zudem einen guten Kontrast zwischen Wasser und Luft.“ 

Genau darauf kam es den Wissenschaftlern an. Eine Schwierigkeit war dabei nicht zuletzt der geringe Innendurchmesser der Spritzennadeln, der nur etwa 0,2 mm beträgt. Der Detektor des ANTARES-Gerätes war jedoch in der Lage, luft- und flüssigkeitsgefüllte Segmente im Innern klar unterscheidbar und in guter Auflösung darzustellen. 

Dass Nadeln verstopfen, könnte in Zukunft öfter passieren

Stefan Scheler

27 verschieden behandelte Fertigspritzen haben die Forschenden durchleuchtet. So wurden manche etwa Temperaturschwankungen ausgesetzt, statt sie vorschriftsgemäß im Kühlschrank zu lagern. Auch Schütteln und Druckschwankungen, zur Simulation von Luftfrachttransporten, sowie unterschiedlich lange Lagerungszeiten untersuchten die Pharmazeuten. „Die Neutronenexperimente haben uns eindeutig gezeigt, unter welchen Bedingungen Flüssigkeit in die Nadel dringt“, sagt Scheler. Ein Überdruck im Spritzeninneren gegenüber der Umgebungsluft führt zu einem schnelleren Verstopfen. Auch die Lagerdauer und hohe Temperaturen wirken sich negativ aus. 

„Dass Nadeln verstopfen, könnte in Zukunft öfter passieren“, prophezeit Scheler. Denn um auch hohe Wirkstoffdosen in kleinen Volumina subcutan verabreichen zu können, werden die Wirkstoffkonzentrationen in den Spritzen immer höher gewählt. Die Gefahr von Nadelverstopfungen steigt auf diese Weise. 

„Wir arbeiten jetzt daran, das bereits im Herstellungsprozess zu verhindern“, sagt Scheler. Eine Möglichkeit sei es etwa, den Füllprozess zu ändern und einen leichten Unterdruck in der Spritze zu erzeugen, der den Eintritt von Flüssigkeit in die Nadel während der Lagerung verhindert. Um derartige Maßnahmen zu optimieren, könnten weitere Untersuchungen mit Neutronen durchgeführt werden. 


Quelle: Technische Universität München

04.06.2023

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