Teleradiologieverbund Ruhr

Eine junge Erfolgsgeschichte

Strukturwandel ist im Ruhrgebiet ein bekanntlich recht langwieriger Prozess. Am 16. Oktober wurde im Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum die Aufnahme des Regelbetriebs des Teleradiologieverbunds Ruhr (TVR) gefeiert.

Dr. Uwe Kremer, Geschäftsführer der MedEcon Ruhr GmbH
Dr. Uwe Kremer, Geschäftsführer der MedEcon Ruhr GmbH

Damit hat sich im Ruhrgebiet in nur zwei Jahren die medizinische Bilddatenkommunikation grundlegend gewandelt und ist deutschlandweit zu einem Vorzeigeprojekt geworden. Denn mit 50 Krankenhäusern und Praxen, die Patientenbilder schnell und barrierefrei untereinander austauschen, ist der TVR inzwischen auch Deutschlands größter Regionalverbund in der Teleradiologie. Gleichzeitig wurde in Bochum-Langendreer im Beisein von Ministerin Barbara Steffens das Verbundprojekt „TeBiKom.Ruhr“ gestartet, das bis Mitte 2015 neue medizinische Anwendungsfelder mithilfe der Teleradiologie erschließen soll.
„Das TVR-Projekt innerhalb so kurzer Zeit zur Zufriedenheit aller Teilnehmer auf den Weg gebracht zu haben, erfüllt uns schon ein wenig mit Stolz“, erklärt Dr. Uwe Kremer, Geschäftsführer der MedEcon Ruhr GmbH, in deren Verantwortung das Projekt entwickelt und umgesetzt wurde. Auf Initiative klinischer Radiologen bildete sich Ende 2009 innerhalb des regionalen Netzwerks der Gesundheitswirtschaft eine Initiative mit dem Ziel, ein offenes und sicheres, schnelles und barrierefreies teleradiologisches Netzwerk der regionalen Kliniken und Praxen zum Austausch medizinischer Daten zu organisieren. „Bildgebende Verfahren spielen in der medizinischen Diagnostik und für vielfach lebenswichtige Entscheidungen eine immer stärkere Rolle. Die Kommunikation der gewonnenen Bilddaten zwischen den verschiedenen medizinischen Einrichtungen und Disziplinen hinkt aber hinter dieser Entwicklung her und stellt einen Engpass in der medizinischen Versorgung dar“, erklärt Kremer. Neben der MedEcon Ruhr GmbH sind der Software-Anbieter VISUS, die Unternehmensberatung contec sowie das Fraunhofer Institut für Software und Systemtechnik (ISST) und das Zentrum für Telematik (ZTG) maßgeblich an der Projektentwicklung beteiligt. Auf dem RadiologieKongressRuhr2010 fiel dann der Startschuss für den TVR mit zunächst 20 geplanten, dann aber tatsächlich 35 teilnehmenden Partnern.
Ein Geschäftsmodell mit Perspektive
Ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg des Projekts liegt nach Ansicht von Dr. Kremer in der Benutzerfreundlichkeit des Systems. Der Austausch der Daten erfolgt unter Beibehaltung der IT-Infrastruktur in den beteiligten Einrichtungen; die Integration in die bestehenden Workflows der Häuser wurde kontinuierlich verbessert. Während der Pilotphase in den ersten zwei Jahren wurden der von VISUS entwickelte und finanzierte zentrale Server und die Kommunikation via DICOM-E-Mail erprobt und evaluiert. Die personelle Betreuung des Projekts konnte mithilfe von Landesfördermitteln abgedeckt werden. Mit Gründung der MedEcon Telemedizin GmbH im März 2012 wurde der Regelbetrieb in Angriff genommen. „Bislang sind 50 Teilnehmer angebunden, was zeigt, dass es sich um ein Geschäftsmodell mit Perspektive handelt. Denn oftmals scheitern telemedizinische Verbünde daran, dass sie zu klein sind, um wirtschaftlich erfolgreich sein zu können“, schildert Kremer, der davon ausgeht, dass die Teilnehmerzahl bis Ende 2013 auf etwa 100 ansteigen wird. Das Verhältnis von stationären zu ambulanten Einrichtungen beträgt derzeit etwa 4:1. Von den insgesamt 50 Teilnehmern sind 40 radiologische Abteilungen in Krankenhäusern und zehn radiologische Gemeinschaftspraxen. Nach Angabe von Dr. Kremer sind die großen Player und vor allem auch die Universitätskliniken im Ruhrgebiet im Verbund integriert; das zukünftige Wachstum des TVR ist deshalb auf Nachbarregionen wie Sauerland, Münsterland, Rheinland und Ostwestfalen ausgerichtet. Ein weiteres Ziel muss es nach Ansicht von Kremersein, künftig auch bildaffine Bereiche wie Kardiologie, Orthopädie und Traumatologie in die Kommunikation einzubinden– und das sowohl in den Krankenhäusern selbst als auch im niedergelassenen Bereich.
TeBiKom.Ruhr entwickelt neue Lösungen für die Gesundheitsversorgung
Bereits jetzt kann mithilfe des Netzwerks die externe Analyse und Befundung von Bildern erfolgen, zum Beispiel von zu Hause aus. Für die Zukunft sieht Kremer hier aber noch sehr viel mehr Potenzial: „In Zukunft werden die Radiologen auch die Möglichkeit haben, echte Teleradiologie nach der Röntgenverordnung durchführen zu können. Dann werden die Krankenhäuser nicht für die Einbindung in den TVR bezahlen, sondern sie werden darüber auch selbst Leistungen erbringen und abrechnen können.“ Um derartige Anwendungsszenarien zu entwickeln, ist mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen und der Europäischen Union die Entwicklungsplattform für telemedizinische Bilddatenkommunikation – TeBiKom.Ruhr– ins Leben gerufen worden. 2,5 Millionen Euro (darunter rund 1 Million Euro Eigenanteil) stehen für die Erforschung innovativer telemedizinischer Nutzungskonzepte in Gesundheitsversorgung und -forschung bis Juni 2015 zur Verfügung. Dafür gibt es bereits ausdefinierte Projekte, aber die Plattform ist auch noch offen für weitere Anwendungsszenarien.
Eine vorrangige Aufgabe ist die teleradiologische Verbindung des Schlaganfallnetzwerks des Ruhrgebiets. Derzeit kooperieren 26 neurologische Kliniken, aber nur acht Kliniken sind in der Lage, Gefäßverschlüsse im Hirn durch Thrombektomie zu beheben. „Eine schnelle Zuweisung der Patienten und ein schneller Bildtransfer zwischen den Einrichtungen ist deshalb lebenswichtig. TeBiKom.Ruhr entwickelt hierfür ein teleradiologisch gestütztes Versorgungskonzept“, schildert der Geschäftsführer. Weitere Entwicklungsfelder sind der Einsatz der Teleradiologie im betrieblichen Gesundheitsmanagement, die Präventionsdiagnostik, die Telekardiologie sowie der Ausbau eines Verzeichnisdienstes und einer Wissensdatenbank. „Der TVR hat eine gute Basis geschaffen, um solche ehrgeizigen Projekte technisch umzusetzen. Nun geht es darum, mithilfe der TeBiKom.Ruhr neue Lösungen für die Gesundheitsversorgung zu entwickeln und mittelfristig zu einem qualitativen Ausbau des Teleradiologieverbunds beizutragen.“

 

29.10.2012

Mehr zu den Themen:
Mehr aktuelle Beiträge lesen

Verwandte Artikel

Photo

News • Fiktive Fallstudie zu Ransomware & Co.

Cybersicherheit: Wie sicher ist die medizinische Infrastruktur?

Digitale Plattformen werden in der Medizin immer wichtiger – aber wie sicher sind sie im Falle einer Cyberattacke? Eine neue Studie untersucht mögliche Szenarien für den Fall eines Angriffs.

Photo

News • Umfrage auf der DMEA 2023

Cybersecurity: Gesundheitsbranche zeigt sich selbstbewusst

Die meisten Akteure im Gesundheitswesen sehen sich im Bereich Cybersicherheit gut gegen Attacken gewappnet. Das zeigt eine Umfrage von Imprivata auf der DMEA.

Photo

Artikel • Kollateralschäden von Cyberangriffen

Ukraine-Krieg bringt auch IT deutscher Kliniken in Gefahr

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine spielt sich auch im Cyberspace ab. Dabei könnten auch Kliniken in Deutschland ins digitale Kreuzfeuer geraten, warnen IT-Experten.

Verwandte Produkte

Newsletter abonnieren