Ein CT für alle Fälle

Akute Thoraxschmerzen sind nach den akuten Bauchschmerzen die zweithäufigsten Symptome, mit denen Patienten in der Notaufnahme landen. Experten schätzen, dass allein in Deutschland täglich 10.000 Betroffene mit diffusen Brustschmerzen in ein Krankenhaus eingeliefert werden. In den USA liegt die Zahl bei etwa fünf bis sechs Millionen Patienten pro Jahr.

Prof. Dr. Dominik Fleischmann
Prof. Dr. Dominik Fleischmann

Dr. Dominik Fleischmann, Professor für Radiologie an der Stanford Universität im US-Bundesstaat Kalifornien, kennt die große Herausforderung, hier die richtige Diagnose zu stellen: „Es können vergleichsweise harmlose Erkrankungen wie etwa eine Bronchitis dahinter stecken, aber auch lebensbedrohliche Ereignisse.“ Bei seinem Vortrag wird der Radiologe aufzeigen, wie die Untersuchungen anhand von Protokollen zu eindeutigen Ergebnissen führen.

Oberstes Ziel in der Notaufnahme ist es, lebensbedrohliche Gefahren möglichst schnell zu erkennen und zu behandeln: „Die Untersuchungen erfolgen nach etablierten Algorithmen, in welche radiologische Untersuchungen regelmäßig integriert sind.“

Eine häufige, schwerwiegende Erkrankung mit Thoraxschmerz ist der Herzinfarkt. Wenn in einem ersten Schritt bereits das EKG und auch einzelne Laborwerte einen Herzinfarkt feststellen, kann der Patient sofort behandelt und versorgt werden. Eine CT ist hier nicht notwendig und würde nur Zeit kosten. Nicht alle Patienten mit einem akuten Herzinfarkt haben aber typische EKG-Veränderungen und Laborwerte. Die Herausforderung ist es nun einen Herzinfarkt auszuschließen, bevor der Patient aus der Notaufnahme entlassen werden kann. „Die weitere Abklärung ist dabei nicht nur abhängig vom vorliegenden Verdacht, sondern auch von der technischen Ausstattung im jeweiligen Krankenhaus“, sagt Fleischmann. „Ein modernes CT-Gerät kann in dieser Situation helfen: Wenn sich keine Veränderungen an den Herzkranzgefäßen erkennen lassen, schließt eine Koronar-CT einen Herzinfarkt weitgehend aus.“

Im Gegensatz zu den Patienten deren Thoraxschmerz auf eine kardiale Ursache hindeutet, gibt es eine größere Gruppe von Patienten mit uncharakteristischen oder atypischen Thoraxschmerz. Das heißt auch: Nach dem tatsächlichen Auslöser der Thoraxschmerzen muss erst noch gesucht werden – und zwar unter Hochdruck. Schließlich kann auch bei ihnen eine andere potentiell lebensbedrohliche Erkrankung vorliegen. Oft ist ein Thoraxröntgen ausreichend, um die Symptome zu erklären, z.B. durch den Nachweis eines Pneumothorax oder einer Lungenentzündung. Andere potentiell lebensbedrohliche Erkrankungen wie z.B. die Pulmonalembolie oder akute Aortenerkrankungen erfordern jedoch eine Abklärung mittels CT.

„Wir haben unsere Untersuchungsprotokolle speziell auf die drei Hauptdiagnosen Pulmonalembolie, akutes Koronarsyndrom und akute Aortenerkrankung zugeschnitten, um entlang dieses Gefahrenspektrums die Diagnostik abzuarbeiten“, berichtet der Radiologe aus seinem Klinikalltag in den USA. „Je nach klinischem Verdacht wird ein Protokoll für das weitere Abklären der Ursachen ausgesucht und umgesetzt. Um sicher zu gehen, dass keine Lungenembolie hinter den Symptomen steckt, ist beispielsweise eine mit Kontrastmittel verstärkte Lungenembolie-CT-Untersuchung angezeigt. Die Lungenembolie-CT ist bei weitem die häufigste CT-Untersuchung bei Thoraxschmerz (85 %) in unserer Notaufnahme, verglichen mit ungefähr 12 % für akute Aortenerkrankungen und nur 3 % zum Ausschluss eines Herzinfarktes.“

Meist liefert ein CT die entscheidenden Daten sowohl für die Diagnose wie auch für die Auswahl und Planung der weiteren Behandlung. „Das CT ist eine Standardmethode für alle Notfälle, die an allen Tagen rund um die Uhr zur Verfügung stehen sollte. In Europa und den USA ist der Zugang zum CT gang und gäbe; die spezifische Ausstattung der Kliniken kann aber sehr unterschiedlich sein – je nach Alter des Gerätes. Eine Pulmonalembolie und akute Aortenerkrankungen können heute praktisch überall diagnostiziert werden, lediglich für die Koronar-CT ist es ein klarer Vorteil, wenn neueste Technologie zur Verfügung steht. Für unsere Notfall-Abteilung haben wir ein leistungsstarkes 64-Zeilen-CT-Gerät, aber es gibt bereits neuere Technologien mit erheblich schnellerer Aufnahmezeit. Eine der großen Stärken der CT ist ihre Verlässlichkeit mit der eine Reihe von anderen möglichen Diagnosen wie beispielsweise eine Lungenentzündung, Frakturen oder auch mögliche Krebserkrankungen erkannt werden können, die man zunächst gar nicht im Blick hatte“, erläutert Fleischmann. „Die CTA kann nicht nur eine Lungenembolie nachweisen oder ausschließen, sondern liefert den Ärzten oft eine alternative Ursache der Beschwerden.“

Die akute Aortenerkrankung und besonders die Aortendissektion zählen ebenfalls zu den lebensbedrohlichen Hauptdiagnosen, bei denen eine unverzügliche Diagnostik und oft eine rasch eingeleitete Operation absolut notwendig sind, um Leben zu retten. „Ob eine Aortendissektion oder Blutung zwischen die Schichten der Gefäßwand vorliegt und welcher Abschnitt der Aorta betroffen ist, können wir mit einem CT heute mit beinahe 100%iger Genauigkeit erkennen“, so Fleischmann. Die CT ist nicht nur die diagnostische Methode der Wahl, sondern auch die Basis für eine rasche Therapieentscheidung und Therapieplanung, die heute oft endovaskulär erfolgt. „Eine schnelle, verlässliche Bildgebung, rund um die Uhr verfügbar, das ist es, was die CT ausmacht“, findet er.

 

Im Profil

Prof. Dr. Dominik Fleischmann hat an der Universität Wien Medizin studiert und die Ausbildung 1989 abgeschlossen. Nach einzelnen Stationen an verschiedenen Krankenhäusern in Allentsteig und Wien kam er bereits 1998 an die Stanford Universität im US-Bundesstaat Kalifornien – damals als Schroedinger-Stipendiat der österreichischen Wissenschaftsgesellschaft im Rahmen seiner fachärztlichen Ausbildung. Nach diesem Forschungsaufenthalt schloss er in Wien seine Habilitation ab und arbeitete von 2000 bis 2002 als Dozent für Radiologie am Klinikum der Universität Wien. 2002 ging er erneut nach Stanford. Der gebürtige Österreicher leitet heute die kardiovaskuläre Sektion der radiologischen Abteilung an der Universität Stanford und ist dort zugleich Direktor für Computertomographie in den angeschlossen Kliniken.
 


 

05.01.2012

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