Management
Digitalisierung aus der Sicht des Krankenhauses
Das Thema Digitalisierung beherrscht derzeit viele Schlagzeilen und Diskussionen. Wie wichtig es ist, mit der Entwicklung Schritt zu halten, zeigen die jüngsten Attacken auf Krankenhäuser in Arnsberg und Neuss. Doch Digitalisierung ist ein umfassendes Thema, das in viele Bereiche eingreift und nicht bei der Aktualisierung vorhandener Software endet. „Die Schnittstellen sind es, die zur besonderen Herausforderung werden“, sagt Dr. Stephan Helm, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Sachsen e.V. und weist damit auf die eigentliche Aufgabe.
Report: Marcel Rasch
„Ein wichtiger Punkt, der gern außer Acht gelassen wird, ist die Finanzierung von Digitalisierung“, erläutert Helm, „nicht nur bezogen auf die Eigenfinanzierung, sondern auch auf die Wege, die man gehen kann, um an die notwendigen Finanzen zu kommen.“ Viele Krankenhäuser stehen vor dem Problem, dass sie notwendige finanzielle Mittel nicht zur Verfügung haben und mit veralteten Technologien arbeiten. Was dies bedeutet, zeigen die oben angesprochenen Vorfälle von Cyberangriffen auf Krankenhäuser, die als Konsequenz einen plötzlichen Rückfall in analoge Strukturen nach sich zogen.
Von Seiten der Politik ist hier jedoch nicht viel zu erwarten. „Im eHealth-Gesetz wurde das Krankenhaus mit seinen spezifisch institutionellen Erfordernissen aus der Finanzierung herausgenommen“, erklärt Helm. Der Grund hierfür wird in der Eigenverantwortlichkeit der Krankenhäuser gesehen. Doch dies sieht er nicht als Problem. „Krankenhäuser sind gewohnt, die Notwendigkeit für eine moderne, leistungsfähige Medizintechnik darzustellen“, betont Helm. Dies inkludiere eine entsprechende IT-Struktur, die er einerseits als Betriebskosten seitens der Häuser selbst, auf der anderen Seite aber auch als Investitionskosten der Länder sehe. „Wir erleben momentan noch, dass dieses ganze Thema ein Annex ist, der hinten am System der Gesundheitswirtschaft hängt und die Finanzierung von ganz anderen Akteuren getrieben wird“, sagt Helm.
Diffuse Ausgangssituation
„Die Ausgangssituation ist diffus, weil es Krankenhäuser gibt, die ein Stück weiter fortgeschritten sind und welche, die hinten nachkommen. Grundsätzlich aber ist die Krankenhauswelt heute doch schon digital“, konstatiert Helm. Unzählige Daten werden in der Gesundheitsbranche hin und her transportiert. Viele dieser Daten werden für begleitende Forschungen, Evaluierungen, Planungen und Simulationen genutzt. Ohne eine belastbare und leistungsfähige IT ist dieses nicht möglich. Eine zentrale Herausforderung sieht Helm deshalb zunächst darin, zu versuchen, dieses System auf einen gemeinsamen Stand zu heben – eine Herausforderung, die er für alle beteiligten Kostenträger, die Länder und die Krankenhäuser selbst sieht. „Nehmen wir das klassische Feld der Krankenhausplanung. Hier geht es um Kapazitäten, um Strukturen, aber es geht selten um die zugrunde liegenden Anschlüsse. Es geht nicht um Kommunikationsinstrumente“, verdeutlicht er. „Wir sind uns aber einig, dass Anschlüsse ein immanenter Bestandteil auch zur Entwicklung und Stabilisierung von Versorgungstrukturen sind“, führt er weiter aus. Betrachte man den Ausbauprozess der Kommunikationskapazitäten, also der Leitungen in Hausanschlusskästen, so falle auf, dass man mit der Frage, was es bräuchte, um in Zukunft nachhaltig, regional und sektorenübergreifend miteinander zu kommunizieren, eher durch Zufall als Krankenhaus angesprochen würde.
Verbesserungsbedarf an den Schnittstellen
Die Beschäftigung mit den Schnittstellen der Kommunikation sei eine besondere Herausforderung, betont Helm. Hier sehe er noch viel Nachbesserungsbedarf. Vor allem in der Kommunikation von Krankenhäusern, Ärzten und Rettungsmedizin sehe er noch einige Aufgaben, die es zu lösen gilt. „Gleichzeitig führt dies zur Frage nach nutzbaren Standards“, schlägt Helm ein neues Kapitel auf. Regionale und bundesweite Projekte und Anwendungen, vom Modell hin zu approbierten Versorgungsstrukturen in Netzwerken, müssen alle miteinander synchronisiert werden. „Diese Inhomogenität in den Ebenen ist eine schwierige Situation für uns. Dem folgt die Schwierigkeit für die Häuser, auf relativ kurzem Wege die vorhandenen Finanzierungsmöglichkeiten zu erschließen“, betont er und ergänzt: „Das führt auch zu Brüchen innerhalb des Hauses selbst. Bei einer Zielplanung, die nach wie vor sehr stark von den Vorständen in Medizin, Organisation, Logistik und Pflege geprägt ist, fällt die Antwort nach der Frage nach Kommunikationsstrukturen zum Teil sehr unterschiedlich aus.“
Ein Treiber
Trotz allem Verbesserungsbedarf sieht Helm die Krankenhäuser im Allgemeinen gut aufgestellt. Auch vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Standards sehe er dank der Gematik zur Etablierung von Standards einer digitalen Nutzerwelt einen guten Weg beschritten. „Einmal losgelöst von der Frage des Datenschutzes, sehe ich dieses ganze Thema eher als Treiber. Die Gesundheitsbranche hat sich stark differenziert und man findet sehr komplexe Welten vor, die ohne leistungsfähige, belastbare IT nicht mehr vorstellbar sind“, so Helm. Dies sei auch eine Frage der Generation. „Den jungen Leuten muss man nicht erklären, dass es eine digitale Entwicklung gibt und welche Vorteile sich daraus ergeben. Dies ist vor allem deshalb ein wichtiger Punkt, weil wir mit einer zunehmenden Zahl älterer Patienten in der Kommunikation hauptsächlich mit deren Angehörigen zu tun haben.“
PROFIL:
Dr. Stephan Helm, promovierter Ökonom, ist seit der Gründung 1991 Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Sachsen e.V. (KGS). Er war einige Jahre Vorsitzender der Kommission „Europa und internationales Krankenhauswesen“ der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG) und hat aktuell den Verwaltungsratsvorsitz der Deutsche Krankenhaus TrustCenter und Informationsverarbeitung GmbH (DKTIG mbH) und den Vorsitz des DKG-Fachausschusses Daten-Information und Kommunikation inne. Er ist Mitglied der DKG-Satzungskommission, des DKG-Haushaltsausschusses sowie zahlreicher Gremien auf sächsischer Landesebene.
Veranstaltungshinweis:
conhIT, 20. April 2016, 9:30 Uhr, Saal 2
Notwendigkeit einer „digitalen Offensive“ in der Krankenhauslandschaft
Dr. Stephan Helm, Krankenhausgesellschaft Sachsen
Session 7: Digitalisierung aus der Sicht des Krankenhauses
19.04.2016