Female doctor holding notepad with blue background and informative graphs and...

Bildquelle: Adobe Stock/ra2 studio

News • Medizininformatikprojekt DIFUTURE

Seltene Erkrankungen: Mit Daten Leben retten

Wenn Menschen an seltenen Krankheiten leiden, stehen sie oft vor einem großen Problem: Diese Erkrankungen kommen so selten vor, dass nur wenige Mediziner sich damit gut auskennen. Und das wiederum sorgt dafür, dass schon die richtige Diagnose schwerfällt – von der erfolgreichen Behandlung ganz zu schweigen.

Mit Hilfe von großen Datenmengen und Künstlicher Intelligenz wollen Forschende im Konsortium „Data Integration for Future Medicine“ (DIFUTURE) dies verbessern. Darin haben sich mehrere Universitäten und ihre Kliniken zusammengeschlossen, um gemeinsam an Lösungen für die Präzisionsmedizin der Zukunft zu arbeiten. Nach sechs Jahren startet nun die nächste Phase dieses bundesweiten Projekts unter der Leitung der Technischen Universität München (TUM). 

Prof. Martin Boeker und seine Kollegen setzen auf das Sammeln und Zusammenführen möglichst vieler medizinischer Daten aus der Krankenversorgung und der medizinischen Forschung. In der Summe gibt es auch von sehr seltenen Erkrankungen auf die deutsche Gesamtbevölkerung von 82 Mio. Menschen gesehen doch viele tausend Betroffene. Und aus deren Gesundheitsdaten und demografischen Angaben lassen sich mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz, und hier besonders dem Maschinellem Lernen, womöglich Hinweise ableiten, welche Behandlung eine Chance auf Erfolg hat.

Dabei können auch neue bisher nicht bekannte Zusammenhänge aufgedeckt werden, um zum Beispiel für Patienten individuelle Behandlungen vorzuschlagen

Martin Boeker

Prof. Boeker ist Medizininformatiker mit einem Hintergrund als Mediziner und Informatiker an der TUM und leitet das aus sieben Konsortialpartnern bestehende Projekt DIFUTURE. „Unser gemeinsames Ziel ist es, für die Erforschung und damit mittelbar für die Behandlung von Krankheiten mehr und bessere Daten zur Verfügung zu stellen. Bessere Daten ermöglichen bessere Forschung und können auch für neue Methoden der KI genutzt werden. Denn Daten können Leben retten.“ 

Auf der Grundlage der Daten soll intelligente Software den Medizinern Ratschläge für die erfolgversprechendste Therapie geben. Dafür durchforsten die spezialisierten und lernfähigen Algorithmen möglichst große Datenbestände und analysieren beispielsweise, was bei anderen Patienten in ähnlich gelagerten Fällen gut funktioniert hat. Sie beziehen dabei einfache Kategorien wie Geschlecht und Alter genauso mit ein, wie zum Beispiel Vorerkrankungen, therapeutische Misserfolge oder genetische Komponenten. „Dabei können auch neue bisher nicht bekannte Zusammenhänge aufgedeckt werden, um zum Beispiel für Patienten individuelle Behandlungen vorzuschlagen.“ 

Die größten Probleme dabei sind die Datenqualität und die Zusammenführung in auswertbaren Datenbanken – hierfür anerkannte Standards zu entwickeln ist eine der Hauptaufgaben von DIFUTURE. „Wir haben inzwischen die entsprechende Organisation und Technik mit zugehörigen Verträgen und Prozessen aufgebaut und rechtssicher gemacht. Das ist ein großer Erfolg für unser Projekt“, betont Boeker. 

Boeker konzentriert sich in seiner eigenen Forschung vor allem darauf, aus teils langen, sehr individuell formulierten Arztbriefen und anderen medizinischen Texten automatisch die wichtigsten Informationen herauszufiltern und damit für eine tiefere Analyse zur Verfügung zu stellen. „Auch weiterhin werden Ärztinnen und Ärzte ihre Befunde und Informationen zu Patienten gerne in Texten dokumentieren, statt nur vorgegebene Kategorien anzukreuzen“, erläutert Boeker. „Doch das macht den Zugang für Datenforschende – und damit die Nutzung für die Wissenschaft und damit für eine Verbesserung der Behandlung – sehr umständlich. Unser Team, das auch eine Nachwuchsgruppe zur automatisierten Sprachverarbeitung umfasst, will das künftig mit intelligenten Texterkennungsalgorithmen lösen.“ 

Ganz wesentlich ist für die Wissenschaftler dabei der Datenschutz, der durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) auf europäischer Ebene geregelt ist. Um die Privatheit der Daten zu sichern, werden verschiedene Methoden wie Anonymisierung oder verteiltes Rechnen eingesetzt, bei dem die Daten das jeweilige Krankenhaus nicht verlassen. Für andere Analysen muss vorab die Zustimmung der Betroffenen eingeholt werden. Boeker erlebt hier große Bereitschaft bei den Patienten: „Sie wissen, dass sie mit ihren Daten anderen Kranken helfen können – und dass sie selbst von einem ebenso großzügigen Verhalten anderer Menschen profitieren.“ 

Der übergeordnete Rahmen des DIFUTURE Konsortium ist die sogenannte Medizininformatik-Initiative, die in den vergangenen sechs Jahren vom Bundesforschungministerium (BMBF) mit ca. 180 Mio. Euro gefördert wurde. 2023 hat die die zweite Förderphase begonnen, in der den zahlreichen beteiligten Forschenden noch einmal ein ähnlicher Betrag zur Verfügung gestellt wird, zusammen mit dem Netzwerk Universitätsmedizin des BMBF. 

Ein großes Ziel der künftigen Forschung ist es zum Beispiel, die Bekämpfung von Krebserkrankungen zu verbessern. Unter Einbezug der Daten zur individuellen Ausprägung molekularer Marker in Krebszellen von Betroffenen soll die Künstliche Intelligenz ganz spezifische Behandlungsmethoden ableiten. „Diese Methodik wird gerade aufgebaut und wird über die bisherige Standarddiagnostik hinausgehen“, erläutert der TUM-Professor. „Auf dieser Basis unterstützen wir die Präzisionsmedizin der Zukunft.“ 


Quelle: Technische Universität München

25.02.2023

Verwandte Artikel

Photo

Artikel • Künstliche Intelligenz

Mensch-Maschine-Kollaborationen sind ein Gewinn

Die Entwicklung Künstlicher Intelligenzen (KI) hat in letzter Zeit einen enormen Hype ausgelöst. In die anfänglich ehrfürchtigen Stimmen mischen sich nun zunehmend auch sorgenvolle, die vor den…

Photo

News • CAPTAIN-Projekt

Pankreaskrebs: KI-gestütztes Endoskop für bessere Diagnostik und Therapie

Das Projekt CAPTAIN entwickelt eine miniaturisierte Endoskopieplattform, um Bauchspeicheldrüsenkrebs in Zukunft präziser diagnostizieren und therapieren zu können.

Photo

News • Herz-MRT

Herzmuskelentzündung: Personalisierte Prognose dank Künstlicher Intelligenz

Ein Projekt treibt mit innovativen Ansätze die Personalisierung der Diagnose und Behandlung der Herzmuskelentzündung voran.

Verwandte Produkte

Newsletter abonnieren