Kardiologenkongress

Die Qualität muss stimmen: TAVI steht im Mittelpunkt

Die minimalinvasive Implantation künstlicher Aortenklappen (TAVI) soll in Zukunft nach geregelten Qualitätskriterien erfolgen. Solche Qualitätsstandards hat die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie im vergangenen Jahr erarbeitet und sie bei der 81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Mannheim der Öffentlichkeit vorgestellt.

Report: Rainer Klawki

v.l.n.r.: Prof. Karl-Heinz Kuck (Qualitätssicherung bei kardiologischen...
v.l.n.r.: Prof. Karl-Heinz Kuck (Qualitätssicherung bei kardiologischen Eingriffen), Prof. Christian Hamm (Innovative Therapieverfahren), Prof. Stephan Felix (Kardiomyopathie, Herzinsuffizienz -neue Therapien)
Quelle: European Hospital

Prof. Dr. Karl-Heinz Kuck (Hamburg), President Elect der DGK will mit drei Qualitätsschritten den Spagat zwischen einer hohen Methodensicherheit und einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung schaffen. Dazu gehörte die Erarbeitung eines Positionspapiers mit klaren Indikationen, die Implementierung eines Zertifizierungprozesses für Kliniken und schließlich die Erarbeitung von Curricula für die Fort- und Weiterbildung.

Die Vorteile der TAVI kommen vor allem bei den Patienten zum Tragen, für die eine Operation zu riskant wäre. Bei TAVI muss der Brustkorb nicht geöffnet werden und eine Herz-Lungenmaschine wird nicht benötigt. Kuck: „Die vielen Vorteile und die rasante technische Entwicklung führen dazu, dass Herzkatheter bei der Aortenimplantation immer häufiger zum Einsatz kommen. So verzeichnen aktuelle AQUA-Registerdaten nicht nur einen steigenden Trend beim Einsatz, sondern weisen auch darauf hin, dass das Transkatheterverfahren im Bereich des mittleren Risikos mit der Herzoperation konkurrieren kann.


Einheitliche Qualitätsstandards für TAVI-Eingriffe
„War die TAVI zunächst nur für Patienten gedacht, die so krank waren, dass ihnen eine Operation an der Herz-Lungenmaschine nicht mehr zugemutet werden konnte, so mehrt sich nun die wissenschaftliche Evidenz, dass durchaus auch operationsfähige Patienten von dieser Methode profitieren können. In dieser neuen Situation besteht dringender Bedarf an Empfehlungen zur Indikationsstellung der TAVI gegenüber dem herzchirurgischen Klappenersatz sowie zu praktischen Aspekten der TAVI-Implantation.“ Diese Empfehlungen wurden kürzlich von einer Task Force der DGK erarbeitet und in einem Positionspapier publiziert. Darin werden unter anderem einheitliche Qualitätsstandards für TAVI-Eingriffe formuliert. Prof. Kuck: „Ziel dieses Papiers ist vor allem die Sicherung der Versorgungsqualität bei steigendem klinischen Bedarf.“

Dabei wurde Wert auf eine flexible Indikationsstellung gelegt, berichtet der President Elect der DGK: „Die Entscheidung zwischen TAVI und chirurgischer Klappenprothese für Patienten mit hochgradiger, symptomatischer Aortenklappenstenose soll in einem TAVI-Zentrum unabhängig von der aufnehmenden Fachabteilung stets gemeinsam im Herz-Team getroffen werden. Dieser Ansatz schließt explizit den Willen des Patienten und gegebenenfalls seiner Angehörigen mit ein. Score-Systeme können zur Entscheidungsfindung herangezogen werden, sind aber immer als Teil des klinischen Gesamtbildes zu sehen und führen nicht zu automatischen Indikationsstellungen.“

Zu den Anforderungen an TAVI-Zentren gehören personelle, technische, strukturelle und organisatorische Maßnahmen, die erfüllt werden müssen, um eine entsprechende Indikations-, Prozess- und Ergebnisqualität garantieren zu können. Im Zentrum dieses Teams stehen Kardiologen und Herzchirurgen mit jeweils ausreichender Erfahrung in der Durchführung der TAVI-Prozedur (>50 supervisierte TAVI-Prozeduren/Jahr/Zentrum und =25 TAVI-Prozeduren/Jahr/Operateur werden als Mindestmenge gefordert – eine weltweit erst- und einmalige Anforderung).

Prof. Kuck erläutert, dass gemäß DGK-Positionspapier an einem TAVI-Zentrum nicht unbedingt eine herzchirurgische Fachabteilung vorhanden sein muss. Dies steht derzeit im Gegensatz zu den Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschuss vom 22. Januar 2015. In dessen Papier heißt es in Paragraph 4: „Kathetergestützte Aortenklappenimplantationen (TAVI) müssen in Krankenhäusern mit einer Fachabteilung für Herzchirurgie und einer Fachabteilung für Innere Medizin und Kardiologie erbracht werden.“ Eine Übergangsregelung von einem Jahr erlaubt allerdings Häusern mit Erfahrung, vorübergehend weiter TAVI-Implantation vorzunehmen (§9). Das DGK-Papier sieht lediglich eine vertragliche Kooperation mit einer Fachabteilung für Herzchirurgie vor, die nicht zwingend in der Klinik vorhanden sein muss. Dies reiche, um die Rate schwerwiegender Komplikationen, die bei TAVI-Eingriffen ein sofortiges Eingreifen des Herzchirurgen erfordern, zu bewältigen. Der Anteil von Komplikationen liege bei nur einem Prozent mit weiter fallender Tendenz. Hier verwies Kuck auf aktuelle Daten des AQUA-Instituts (Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen), wonach die Mortalität bei TAVI-Behandlung in Zentren mit Fachabteilung für Herzchirurgie und ohne entsprechende Abteilung – aber mit Beteiligung von kooperierenden Herzchirurgen bei TAVI-Eingriffen – nicht unterschiedlich war (H. Möllmann, DGK 2015). Wurden Häuser mit und ohne herzchirurgische Fachabteilungen verglichen, zeigte sich ein Unterschied von 4,8 % (Euro-Score (16,0) und 3,8 % (Euro-Score 17,3), der nicht signifikant war. Kritisiert wurde von Kuck der lange Zeitraum, der für eine Evaluation durch den GBA vorgesehen ist. „Der 31. Dezember 2019 liegt viel zu weit in der Zukunft“, dagegen möchte die DGK noch etwas unternehmen. Mit der jetzigen GBA-Entscheidung sei man seitens der DGK jedenfalls nicht zufrieden.

Kuck ging auch auf die Frage der Haltbarkeit der Klappen ein. Wurde zeitweilig vermutet, dass die auf den Katheter gefalteten Klappen eine verminderte Haltbarkeit haben, so können die nun vorliegenden Daten dies nicht bestätigen. Die Sterblichkeit der Patienten liegt sowohl nach Verwendung der Transkatheterklappe als auch nach herzchirurgischem Klappenersatz nach 5 Jahren bei 60 Prozent, wobei diese Hochrisikopatienten nicht an Klappenerkrankungen, sondern an Komorbiditäten sterben. Im Vergleich zum natürlichen Verlauf der Erkrankung haben die Patienten durch den Transkatheterersatz eine Lebensverlängerung, wie bereits die erste PARTNER-Studie ergeben hat, so Kuck auf Nachfrage.


Zweiter Baustein: die Zertifizierungs-Offensive
Die Empfehlungen zu den Qualitätsstandards von TAVI-Eingriffen sollen regelmäßig in Abhängigkeit von der wissenschaftlichen Datenlage aktualisiert werden. „Die entsprechende Zertifizierungen von Zentren durch die DGK hat bereits begonnen“, es wurden bisher fünf Kliniken auf TAVI zertifiziert (Lübeck, St. Georg – Hamburg, Bad Nauheim, Städt. Kliniken Neuss, CCB Frankfurt) so Prof. Kuck. „Mit den Erfahrungen der ersten Zertifizierungen ist für die nächsten Wochen die Einrichtung einer Webseite auf der DGK-Homepage geplant, so dass sich Zentren aus ganz Deutschland für die Zertifizierung anmelden können. Der Plan für meine Präsidentschaft ist, derartige Qualitäts-Initiativen auszuweiten und als nächstes Projekt die Zertifizierung von Vorhofflimmer-Zentren zu initiieren."

Die Infarktsterblichkeit geht in Deutschland seit Jahren kontinuierlich zurück
Professor Christian Hamm aus Bad Nauheim erinnerte an die Aktivitäten der Fachgesellschaft DGK im vergangenen Jahr. Sie leistete einen zentralen Beitrag zur Sicherstellung einer hohen Versorgungsqualität: „Wir haben Leitlinien und Positionspapiere zu wesentlichen Fragen unseres Fachs entwickelt. So zum Beispiel zu den neuen oralen Antikoagulantien (NOAK), deren leitliniengerechten Einsatz die DGK, auch entgegen einer rein auf Kostenersparnis ausgerichteten Pharmakritik, voll unterstützt. Die Sicherheit von NOAKs ist in großangelegten Studien erwiesen.“ Das Positionspapier mit Qualitätskriterien zur Durchführung von TAVIs lobte Hamm als weltweit richtungsgebend. „Der Inhalt macht deutlich, dass die DGK größten Wert auf ein höchstes Qualitätsniveau bei diesen Eingriffen legt. Auch Qualitätskriterien für die Zertifizierung von TAVI-Zentren wurden definiert und publiziert.“


Qualitätsoffensive: Neue Curricula
Nicht zuletzt hat die DGK in den vergangenen Jahren auch wichtige Akzente in der Fortbildung gesetzt. Beispielsweise wurde ein neues Curriculum „Kardiale Magnetresonanztomographie“ geschaffen, in dem die Anforderungen beschrieben werden, die zur Erlangung der Zusatzqualifikation „Kardio-MRT“ Voraussetzung sind. Prof. Hamm: „Auch Curricula für die Ausbildung interventioneller Kardiologen, die Untersuchungen und Behandlungen mit dem Herzkatheter durchführen, sowie für Rhythmologie wurden von der DGK entwickelt und erfreuen sich extrem hoher Nachfrage.“

08.04.2015

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