Time is intestine

Die mesenteriale Ischämie wird nicht rechtzeitig diagnostiziert

Unter den Erkrankungen des akuten Abdomens macht die mesenteriale Ischämie nur einen kleinen Prozentsatz aus. Vorwiegend ältere Patienten mit Gefäßproblemen und einem Bypass sind betroffen. Aber wenn eine Durchblutungsstörung oder ein Durchblutungsausfall der versorgenden Gefäße des Darms auftritt, muss das schnell erkannt werden. Denn ähnlich wie beim Herzinfarkt oder Schlaganfall bedeutet auch hier Zeit Lebensqualität beziehungsweise Überleben.

83-jährige
Patientin mit akuter
mesenterialer
Ischämie. Die...
83-jährige Patientin mit akuter mesenterialer Ischämie. Die kontrastmittelgestützte CT zeigt einen Verschluss der Arteria mesenterica superior (Pfeil).
Die DSA bestätigt
den circa 2 cm
langen Verschluss
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Die DSA bestätigt den circa 2 cm langen Verschluss der Arteria mesenterica superior.

„Man weiß, dass mit jeder Minute, mit der man bei Diagnose und Therapie schneller ist, die Letalität sinkt“, erklärt Prof. Dr. Niels Zorger, Chefarzt des Instituts für Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin bei den Barmherzigen Brüdern in Regensburg, „in den ersten Stunden liegt die Letalität noch unter 30 Prozent, nach acht Stunden steigt sie aber auf 50 Prozent. Deshalb sollte die Diagnose in den ersten zwei bis drei Stunden gesetzt werden, wenn der Darm noch nicht ischäm ist.“

Doch das ist leichter gesagt als getan. Weil die Anzahl der Differentialdiagnosen beim akuten Adomen groß ist, wird zunächst meist die ganze Litanei von Magenperforation, Blinddarmentzündung, Gallenwegerkrankungen, Koliken und anderen Erkrankungen durchgebetet, ohne dass man gleich auf einen akuten Gefäßverschluss kommt. Dieser wird selbst bei der CT in manchen Fällen verkannt und in der Mehrzahl der Fälle erst nach über acht Stunden diagnostiziert. „Das dauert viel zu lange. Optimierungsbedarf besteht aber nicht nur in der Bildgebung, sondern ebenso beim behandelnden Arzt in der Notaufnahme. Auch der Internist oder der Chirurg muss die Symptome erkennen und eindeutig zuordnen“, resümiert der Professor.

Der Ultraschall als Primärdiagnostik beim akuten Abdomen ist dabei für die Detektion wenig geeignet. Man sieht hier nur die stehenden Darmschlingen und Wandverdickungen im Darm – und nur sehr geübte Schaller können den Verschluss in den Gefäßen erkennen. Leichter ist es mithilfe der Adomen-CT in der arteriellen Phase. Hier kann die mesenteriale Ischämie gut erkannt werden, allerdings nur dann, wenn man auf sie achtet. Prof. Zorger: „Im CT kann man den Verschluss sehen, aber auch indirekte Zeichen, wie eine Wandverdickung oder Luft in den Darmvenen. Letztere ist ein Zeichen dafür, dass der Darm schon nekrotisch, also abgestorben ist. In diesem Fall sind Luftblasen in den Darmvenen nachweisbar.“

Der Goldstandard für die Diagnostik des akuten Gefäßverschlusses ist die Angiographie, die aber in der Notaufnahme sehr viel schlechter verfügbar ist als eine CT-Aufnahme. Bei unklaren Befunden oder vor einem Eingriff empfiehlt sich deshalb dieses Verfahren, das aber nur bei etwa 10 Prozent der Fälle erforderlich ist. Bei mehr als 90 Prozent der Patienten kann die Diagnose mittels der CT gestellt werden.

Therapie anno 2015: Vaskularisation first

Die Behandlung der mesenterialen Ischämie hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend gewandelt. Früher hat man nur rausgeschnitten, heute bemüht man sich zu rekanalisieren. „Wenn der Darm schon nekrotisch ist oder der Patient eine Bauchfellentzündung hat, muss er natürlich operiert werden, das ist das Allerwichtigste. Seit einigen Jahren versucht man dabei aber auch gleich, die Gefäßversorgung wieder herzustellen. Das gelingt entweder operativ, indem das Gerinnsel herausgenommen wird. Oder alternativ in der Angiographie, wenn der interventionelle Radiologe versucht, das Gefäß mit einem Katheter zu aspirieren oder eine Engstelle zu stenten. Eine rein radiologische Versorgung ist immer dann möglich, wenn die Diagnose rechtzeitig gestellt wird und der Darm noch nicht ischäm ist. Der Vorteil der Vaskularisation ist eine bessere Heilung des restlichen Gewebes und auch das Verhindern weiterer Verschlüsse“, schildert der Professor.


PROFIL:
Prof. Dr. Niels Zorger leitet seit April 2010 das Institut für Radiologie, Neuroradiologie und
Nuklearmedizin am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Regensburg. Nach dem Medizinstudium und seiner Facharztausbildung arbeitete er als Oberarzt am Institut für Röntgendiagnostik von Prof. Feuerbach am Universitätsklinikum Regensburg. 2006 habilitierte er sich mit „Etablierung modifizierter
Interventionstechniken und Entwicklung neuer Verfahren in der Angioplastie der peripheren Gefäße“. Seit 2010 führt Zorger die Schwerpunktbezeichnung Neuroradiologie und seit 2011 ist er Außerplanmäßiger Professor an der Universität Regensburg.

Veranstaltungshinweis:
Raum: Europa-Saal
Freitag, 2. Oktober 2015, 15:00–15:20 Uhr
Mesenteriale Durchblutungsstörung
N. Zorger, Regensburg/
Deutschland

25.09.2015

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