Der unfreiwillige Kotau vor der Mamma-MRT

Das Verfahren der Magnetresonanztomografie ist in vielen Bereichen der Medizin als hochwertige und schonende Untersuchungsmethode längst anerkannt. Den außenstehenden Betrachter verwundert es daher, dass ausgerechnet in der Mammadiagnostik der Nutzen dieser Technologie unter Gynäkologen und Radiologen in Deutschland umstritten ist und die Mediziner in zwei Lager teilt.

Univ. Prof. Dr. Christiane Kuhl
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Eine Verfechterin der Mamma-MRT ist Univ.-Prof. Dr. Christiane Kuhl, Direktorin der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Uniklinikum Aachen. In RöKo Heute schildert sie, wieso dieses Verfahren aus ihrer Sicht nach wie vor der Goldstandard für die (Früh-) Erkennung von Brustkrebs ist.

„Auch wenn es in den letzten zwei Jahren keine wirklich technisch neuen Methoden gegeben hat, die die Brutkrebsdiagnostik verbessert haben, ist die MRT unverändert die bei weitem sicherste Methode, um Brustkrebs zu erkennen – auch solchen, der in der Mammografie und/oder im Ultraschall nicht wahrgenommen werden kann“, erklärt die Aachener Professorin. Dass gut gemachte Mamma-MRT-Untersuchungen selbst kritische Geister überzeugen, diese Erfahrung hat Kuhl im Universitätsklinikum Aachen selbst machen können: „Innerhalb kürzester Zeit ist die MRT hier vom Saulus zum Paulus geworden, und das, obwohl es für die Kollegen höhere Kosten bedeutet. Die Methode spricht für sich selbst, sie braucht keine Reklame“, so Kuhl.

Dass nicht alle in Europa diese Meinung teilen, haben jüngst zwei Studien aus den Niederlanden und Großbritannien gezeigt. Diese Studien hatte die Zielsetzung, das präoperative Staging der Patientinnen zu verbessern. Die Studien kamen zu dem Ergebnis, dass die MRT die Operationsplanung nicht verbessert, sondern stattdessen häufiger zu Mastektomien führt. „Eine Ursache für dieses eher überraschende Ergebnis ist, dass in den vielen, vielen Studienstandorten, die hier teilgenommen hatten, bis dato die Mamma-MRT überhaupt kaum, und in jedem Fall nicht zur Operationsplanung genutzt worden war, und entsprechend keine Möglichkeit zur MR-gesteuerten Biopsie zur Verfügung stand. Natürlich kann die Operationsplanung nicht verbessert werden, wenn das, was in der MRT diagnostiziert wird, nicht auch histologisch abgesichert werden kann. Die Krönung war dann, dass die Kollegen in diesen Zentren ohne histologische Sicherung bei Nachweis zusätzlicher Anreicherungen einfach auf Verdacht hin eine Brustamputation vorgenommen haben. In Deutschland wäre das undenkbar und auch strafbar“, empört sich die Radiologin. Das Ergebnis der Studie, dass die Mamma-MRT die Mastektomierate erhöhe, bezeichnet sie folglich als völligen Unfug.

Prof. Kuhl unterstreicht, dass alle bildgebenden Verfahren ihre blinden Flecken haben, die allerdings jeweils unterschiedlich groß und erfreulicherweise zumeist jeweils anders gelegen sind. Diese blinden Flecken eines Untersuchungsverfahrens können aber durch andere Verfahren ausgeglichen werden. „Wenn Sie über viele Jahre hinweg eigene praktische Erfahrung mit allen drei bildgebenden Verfahren – Ultraschall, Mammografie und MRT – sammeln, können Sie eine sehr fundierte Haltung dazu gewinnen, welches Verfahren wann, wie und warum überlegen ist. Und noch wichtiger ist, dass Sie präzise einschätzen können, in welcher klinischen Situation Sie einem Verfahren, vielleicht sogar Ihrem „Favoritenverfahren“, eben nicht glauben dürfen, sondern zum Beispiel das weiter verfolgen müssen, was die Mammografie Ihnen zeigt“, so Kuhl.

Die Expertin ist davon überzeugt, dass gerade in der Mammadiagnostik zu viele Verfahren zu schnell und zu unkritisch eingeführt werden, die dann auch genauso schnell wieder von der Bildfläche verschwinden. Beispiele dafür sind z.B. die Impedanz-Tomografie oder auch die Sestamibi-Mammaszintigrafie, die jeweils Mitte bzw. Ende der 90er Jahre boomten, von denen heute allerdings nur noch die wenigstens überhaupt etwas wissen. „Aktuell werden Tomosynthese, Scherwellen-Elastografie, kontrastverstärkte digitale Mammografie und Positronen-Emissions-Mammografie (PEM) durchs Dorf getrieben.“ So seien die Untersuchungsergebnisse aus den USA für PEM positiv, zeigten aber auch, dass die PEM nur Funktion und Stoffwechsel und nicht die Morphologie abbilden kann. „Die Beobachtung, dass PEM eine höhere Spezifität hat, lässt sich schon dadurch erklären, dass sie besser zu interpretieren ist und die Empfehlung zur Biopsie vereinfacht.“ Ob das PEM aber tatsächlich Leben rettet und die Diagnostik verbessert, ist nach Kuhls Ansicht bisher noch nicht ausreichend geklärt. Denn gerade aufgrund der höheren Spezifität könnten Frauen in Zukunft vielleicht lebensrettende Operationen eher verwehrt werden.

Doch es gibt auch Anlass für Optimismus in der Frage des Einsatzes von Kernspinverfahren in der Mammadiagnostik, denn neue Verfahren werden und wurden schon immer faktisch an den Ergebnissen aus der MRT gemessen. „Selbst die Ergebnisse der Tomosynthese werden mit der MRT verglichen. Im Grunde ist das nichts anderes als der Kotau vor diesem Verfahren, die ungewollte Anerkennung der lang bekannten Tatsache, dass die MRT der Goldstandard ist“, so Kuhl.

So hat es im Bereich Mamma-MRT in den letzten zwei Jahren auch keine wirklich neuen technischen Entwicklungen gegeben. Trotz gegenteiliger Äußerungen sind funktionierende Fusionsverfahren nach Ansicht von Prof. Kuhl für die Mamma-MRT derzeit nicht zu erwarten. „Da die MRT der Brust in Bauchlage ausgeführt wird, der Ultraschall in Rückenlage und die Mammografie bei komprimierter Brust im Stehen ergeben sich drei komplett verschiedene Konfigurationen derselben Brust, was eine Zuordnung der Befunde in verschiedene Modalitäten extrem erschwert.“ Die einzige Möglichkeit einer Fusion sieht Prof. Kuhl in einem sonografischen Abtasten der Brust während der MRT-Untersuchung in der Brustspule. Doch aufgrund des immensen technischen Aufwands und damit einhergehenden Kosten sieht Prof. Kuhl hier derzeit (noch) keine Realisierungsmöglichkeit.

Bericht über die Veranstaltung, Saal Wachsmann, Do, 17.05., 14:35 - 14:50 Uhr, Spezialisierung in der Radiologie – Wie viel brauchen wir? Was ist realistisch? – Mamma Kuhl C / Aachen, Session: Radiologie der Zukunft: Vom Generalisten zum Spezialisten

 

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Im Profil

Univ. Prof. Dr. Christiane Kuhl wurde 1966 in Bonn geboren. Sie ging dort zur Schule, studierte im Anschluss Medizin und nahm 2004 eine C3-Stelle in der Onkologischen Diagnostik und Interventionellen Radiologie am Uniklinikum Bonn an. Seit 2010 ist Christiane Kuhl Direktorin der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums Aachen.

Prof. Kuhl zählt zu den renommiertesten deutschen Brustkrebsforschern und macht sich insbesondere für die Brustkrebs-Früherkennung mittels Magnetresonanztomografie stark. Ihre Arbeiten wurden im In- und Ausland mit verschiedenen Preisen gewürdigt.

10.05.2012

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