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Der letzte blinde Fleck - die Koronararterien im MRT
Vor einem Vierteljahrhundert wurden die ersten vielversprechenden Ergebnisse über die Untersuchung der Koronararterien mit Magnetresonanztomographie im New England Journal of Medicine publiziert. Seither hat die MRT in der Herzdiagnostik unglaubliche Fortschritte gemacht, nur bei der Untersuchung der Koronararterien ist der Durchbruch noch nicht endgültig gelungen.
Lediglich die Beurteilung des richtigen Verlaufs, bzw. von so genannten Anomalien der Herzkranzgefäße, gerade bei jungen Patienten und Sportlern, ist eine heute schon etablierte Indikation für die MRT der Koronararterien. Prof. Konstantin Nikolaou sieht darin aber keine Geschichte des Scheiterns, ganz im Gegenteil, er ist optimistisch, dass auch die MRT der Koronararterien, inklusive des Plaque- und Arteriosklerose-Imaging und damit die gesamte Herzbildgebung in einem „One-Stop-Shop“ durch die MRT in einigen Jahren auch in der Breite zur Verfügung stehen kann.
Wo der Schuh drückt
Wenn Patienten sich heute mit Verdacht auf eine koronare Herzkrankheit bzw. mit Beschwerden einer Angina Pectoris vorstellen und der Kardiologe vermutet, dass die Herzkranzgefäße dafür ursächlich sind, dann erfolgt die Bildgebung mit dem Herzkatheter oder alternativ mit der CT Angiographie der Koronararterien, falls verfügbar. Das Problem der Darstellung der Koronarien im MRT liegt nach wie vor an der geringen Größe der Herzkranzgefäße und ihren starken Bewegungen. „Koronararterien sind nur wenige Millimeter breit, und bewegen sich, da das Herz ja ständig schlägt, relativ schnell in einem Radius von bis zu mehreren Zentimetern pro Sekunde. Bei einem Gefäßdurchmesser von zwei bis drei Millimetern müsste dann auch noch der Grad der Stenose nachweisbar sein. Die räumliche Auflösung, die Genauigkeit der Bildauflösung, muss also mindestens bei einem halben Millimeter oder darunter liegen. Obwohl die MRT sich technisch weiter entwickelt hat, schneller und in der Raumauflösung genauer geworden ist, fällt es ihr immer noch schwer, diese kleinen und sich schnell bewegenden Koronararterien ausreichend genau und robust darzustellen”, erklärt Nikolaou, „Mit anderen Worten: ihre Darstellung ist immer noch häufig eine Domäne des Herzkatheters, dies ist jedoch eine invasive Untersuchung“. Soll der Ausschluss der koronaren Herzerkrankung nicht-invasiv erfolgen, so ist das bislang nur mit der CT möglich. Sie hat sich in den letzten 15 Jahren so gut entwickelt, dass sie die kleinen Gefäße wie mit einer Schnappschusskamera ganz schnell und in 95 Prozent der Fälle adäquat abbilden kann.
One-Stop-Shop
Die CT kann zwar die Koronararterien nicht-invasiv im Moment besser darstellen, aber die MRT kann den Herzmuskel genauer abbilden.
Prof. Konstantin Nikolaou
Warum lässt man die MRT der Herzkranzgefäße dennoch nicht auf sich beruhen? Ganz einfach, weil sie sehr wünschenswert und quasi das I-Tüpfelchen der MRT-Herzbildgebung ist. „Die CT kann zwar die Koronararterien nicht-invasiv im Moment besser darstellen, aber die MRT kann den Herzmuskel genauer abbilden: Sie zeigt, ob eine Infarktnarbe vorliegt, wie groß sie ist, wie gut sich der Muskel bewegt, wie schwer und wie dick er ist, und ob er andere Erkrankungen hat, wie Hypertrophien oder Speichererkrankungen. Mit der MRT können inzwischen auch quantitative Parameter, wie die Relaxationszeiten, gemessen werden. Mit der MRT kann die gesamte Herzmuskelbeschreibung präzise und besser als mit jeder anderen Methode, gemacht werden”, schildert der Klinikdirektor.
Somit fehlt nur noch der letzte Schritt zum ‚One-Stop-Shop‘. Ein Traum der kardiologischen Bildgebung würde wahr werden, wenn die Herz MRT neben der schon sehr gut etablierten und funktionierenden Funktions- und Vitalitätsdiagnostik des Herzmuskels eben auch die Koronararterien darstellen könnte.
Forschungsanstrengungen
An Motivation, in diesem Bereich weiter zu forschen, mangelt es nicht, zumal es neue Techniken gibt, die durchaus Anlass zur Hoffnung geben, dass die perfekte Untersuchung bald möglich sein wird. Nikolaou: „Mit neuen Beschleunigungs-Techniken, z.B. dem so genannten „Compressed Sensing“ sind nochmals Sprünge in der Raum- und Zeitauflösung möglich, so dass man hoffen darf, irgendwann auch die genaue und robuste Darstellung dieser kleinen, tückischen Koronararterien hinzubekommen. Es stehen auch zunehmend 3D-Techniken bereit, mit denen man das ganze Herz in einem Schwung aufnehmen kann und es gibt ständig Weiterentwicklungen in Beschleunigungs- und neue Flusstechniken. Im Einzelfall sind so schon ein paar sehr schöne Koronar-MR-Angiographien gelungen mit perfekten Bildern, die genauso aussehen wie in der CT. Aber bislang gelingt das in der Regel meist nur Spezialisten mit der neuesten Sequenz und auch nur bei selektierten Patienten. Was wir brauchen, ist eine robuste Untersuchung, die immer gelingt und nicht nur zufällig oder beim Experten.”
Was wir brauchen, ist eine robuste Untersuchung, die immer gelingt und nicht nur zufällig oder beim Experten.
Prof. Konstantin Nikolaou
Die Darstellung der Koronararterien im MRT brächte den weiteren Vorteil der Beurteilung der Koronararterienwand mit sich. So könnten Risikofaktoren wie Entzündungen im Plaque oder Thrombenbildungen rechtzeitig erkannt werden. Dann wäre es auch möglich, nicht nur eine Stenose sicher auszuschließen, sondern auch mögliche andere Ursachen für einen Herzinfarkt zu finden. “Die Bildgebung der Arteriosklerose in der Koronarwand könnte die MRT sicher besser bewerkstelligen als die CT. Es ist lohnenswert, nicht nur das Lumen, also den Durchmesser des durchflossenen Stromgebietes, in der Koronararterie zu analysieren, sondern auch auf die Wand zu schauen und somit das Plaque- und Arteriosklerose-Imaging weiter zu verbessern”, blickt Nikolaou optimistisch in die Zukunft. Der Radiologe hofft, dass er diesmal mit seiner Prognose von fünf Jahren (die er schon zu Beginn seiner Doktorarbeit 1997 abgegeben hatte) richtig liegt und dass die MRT der Koronararterien dann endlich ihren Durchbruch feiert.
Profil:
Bevor Prof. Konstantin Nikolaou im April 2014 als Ärztlicher Direktor an die Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Erhard-Karls-Universität nach Tübingen wechselte, hat er Karriere am Institut für Klinische Radiologie der LMU in Großhadern gemacht, davon sieben Jahre lang als Leitender Oberarzt und stellvertretender Ärztlicher Direktor. Seit 2001 gehörte er zum Organisationskomitee des Garmischer Symposiums und wurde dort 2013 mit dem „Magnetic Resonance Imaging Award“ ausgezeichnet. Neben seiner Professur verfügt der gebürtige Bonner über einen Master of Health Business Administration (MHBA) und einen zusätzlichen Abschluss auf dem Gebiet des ärztlichen Qualitätsmanagements.
Veranstaltungshinweis
Freitag, 03.02.2017, 17:35-17:50 Uhr
Koronararterien in der MRT: geht das jetzt endlich?
K. Nikolaou, Tübingen
Session: Kardiale Bildgebung
20.02.2017