Der Kampf mit dem Krampf

MRT ist nach wie vor der Goldstandard für Epilepsie-Bildgebung

Während bei einem Teil der Epilepsie-Patienten Medikamente überhaupt nicht anschlagen, zeigen sie bei anderen sogar unerwünschte Nebenwirkungen. Das führt bei vielen Betroffenen und deren Ärzten zur Suche nach chirurgischen Behandlungsalternativen. Da der technische Fortschritt der letzten Jahre die Epilepsie-Bildgebung erheblich verbessert hat, werden solche chirurgischen Eingriffe auch immer häufiger vorgenommen.

Prof. Walter Kucharczyk
Prof. Walter Kucharczyk
Photo: Der Kampf mit dem Krampf

Professor Walter Kucharczyk, Leiter MRI des University Health Network in Toronto, Kanada, spricht beim Internationalen Symposium MR 2011 Garmisch über die neuesten Ansätze der bildgebenden Diagnostik bei Konvulsionen.

Diagnostisches Ziel der Epilepsie-Bildgebung ist der Nachweis anatomischer Anomalien des Gehirns, die für die Krämpfe verantwortlich sein könnten. Laut Prof. Walter Kucharczyk ist dazu die Magnetresonanztomographie nach wie vor die am besten geeignete Technologie. In jüngster Zeit gehen Radiologiezentren allerdings vermehrt dazu über, MRT mit anderen Modalitäten zu kombinieren, um so zu noch präziseren Ergebnissen zu gelangen. „Wird eine strukturelle Anomalie gefunden“, so Kucharczyk, „eröffnet dies Perspektiven nicht nur für medikamentöse Behandlungen, sondern auch für chirurgische Interventionen.“

Konvulsionen können isolierte Ereignisse sein und bei Patienten unterschiedlichen Alters auch unterschiedliche Ursachen haben – so werden sie bei Kleinkindern oft durch Fieber hervorgerufen, bei älteren Kindern durch Dysplasie oder einen Gehirntumor. Erwachsene dagegen erleiden Krämpfe häufig in Folge von Tumoren, Schlaganfällen, Gefäßverformungen oder Schädeltraumata.

„Zeigt die MRT“, so Kucharczyk, „keine eindeutige anatomische oder strukturelle Ursache der Konvulsionen, und ergeben auch andere Untersuchungen wie die Elektroenzephalographie (EEG), Positronenemissionstomographie (PET) oder Magnetoenzephalographie (MEG) keine klaren Befunde, muss für den betroffenen Patienten ein chirurgischer Eingriff ausgeschlossen werden. Stattdessen werden antiepileptische Medikamente verabreicht, die die elektrische Entladung, die die Konvulsionen auslösen, abschwächen.“

Verbesserte Bildgebung ermöglicht mehr chirurgische Behandlungen

Radiologen und Neurochirurgen sind sich der verheerenden Wirkung, die epileptische Anfälle auf die Betroffenen haben können, sehr bewusst. „Konvulsionen oder epileptische Anfälle können das Leben eines Menschen ruinieren“, weiß Kucharczyk. „Daher wird bei immer mehr Patienten, für die bis vor Kurzem eine chirurgische Behandlung nicht in Frage kam, eine möglichst umfassende Befundung durchgeführt. Damit will man eventuellen anatomischen Anomalien auf die Spur kommen und zweifelsfrei belegen, ob es irgendwelche Auffälligkeiten gibt, die vorher in den diagnostischen Untersuchungen unentdeckt geblieben sind.

Die verbesserte Visualisierung von Läsionen im Verbund mit anderen diagnostischen Tests erleichtert die Abwägung der Komplikationsrisiken einer Operation und damit die Entscheidungsfindung, ob ein chirurgischer Eingriff sicher vorgenommen werden kann. Prof. Kucharczyk: „Da wir immer kleinere und subtilere Anomalien erkennen können, ist heute die chirurgische Intervention wesentlich häufiger eine Option als noch vor 10 oder 20 Jahren.“ Weitere Elemente einer umfassenden Diagnostik sind darüber hinaus die Blutanalyse, um sicherzugehen, dass keine Anomalie der Elektrolyten vorhanden ist, sowie eine EEG. Bei manchen Patienten wird auch eine PET durchgeführt, die hilft zweifelhafte Diagnosen von MRT-, EEG- oder anderen Verfahren eindeutig abzuklären.

„Vor allem PET wird immer häufiger eingesetzt und mit MRT-Resultaten fusioniert. Das Ergebnis ist ein multimodales Hybridbild, das sowohl die Anatomie als auch den Metabolismus des Gehirns zeigt“, erklärt Professor Kucharczyk. „PET hat eine hohe Sensitivität in Bezug auf biochemische Anomalien des Gehirns, aber die Auflösung ist nicht so gut wie beim MRT. Daher gehen viele größere Zentren mit entsprechender Ausstattung dazu über, beide Verfahren zu kombinieren und eventuell noch mit MEG zu ergänzen.“

1,5 Tesla, 3 Tesla oder 7 Tesla?

Die meisten MRT-Scanner, die derzeit in Betrieb sind, verfügen über eine Feldstärke von 1,5 Tesla und sind für die Epilepsie-Bildgebung völlig ausreichend. Auch 3-Tesla-Systeme sind inzwischen klinische Routine. Sogar der Einsatz von 7-Tesla-Scannern wird derzeit diskutiert, da sie eine bessere Darstellung der Gehirnstrukturen ermöglichen. „Ob diese Systeme allerdings für die klinische Routine geeignet sind, ist zweifelhaft. Ihre Vorteile liegen eher im Forschungskontext“, meint der Experte.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Steigerung der Signalstärke, die eine bessere Bildqualität mit sich bringt, nicht auch zu biologischen Nebenwirkungen beim Patienten führt. Manchen Menschen wird schwindelig, wenn sie sich einem 7-Tesla-Magneten nähern, andere sehen blitzende Lichter oder fühlen, wie die Nerven in ihren Armen und Beinen reagieren. „Ohne den künftigen Nutzen eines 7-Tesla-Scanners in Frage stellen zu wollen“, so Prof. Kucharczyk, „ist 7 Tesla mit Sicherheit ein System, an dem alle Disziplinen – von Ärzten, über Physiker bis zu Ingenieuren noch viel zu forschen haben werden.“

 

Im Profil

Prof. Dr. Walter Kucharczyk schloss 1979 sein Medizinstudium an der Universität von Toronto ab und absolvierte dann eine Facharztausbildung in Radiologie. Von 1984 bis 1986 setzte er seine Ausbildung in den Spezialgebieten Neuroradiologie und Magnetresonanztomographie an der Universität von Kalifornien in San Francisco fort. 1986 folgte er einem Ruf an die Universität von Toronto und wurde später der erste Director of Magnetic Resonance Imaging am Toronto General Hospital. Professor Kucharczyk ist Past-President der International Society of Magnetic Resonance in Medicine (ISMRM) und leitender Wissenschaftler der Division of Clinical Investigation & Human Physiology des Toronto General Research Institute in Canada sowie Affiliate Scientist der Division of Brain, Imaging & Behaviour Systems – Neuroscience am Toronto Western Research Institute.

 

18.01.2011

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