„Das steife Herz“ – Stiefkind der Kardiologie
von Michael Krassnitzer
28 Millionen Menschen sind laut Berechnungen der Europäischen Kardiologengesellschaft (ESC) von Herzinsuffizienz betroffen. „Nach heutigem Wissen haben rund 50 Prozent der Patienten mit Herzschwäche eine heart failure with normal ejection fraction“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Irene Lang von der Universitätsklinik für Innere Medizin II der Medizinischen Universität Wien. Bei dieser Erkrankung, die im deutschen Sprachraum seit Kurzem „Steifes Herz“ genannt wird, haben die Patienten eine normale Herzauswurfleistung, aber eine schwere Herzfüllungsstörung.
„Besonders problematisch ist, dass das ,Steife Herz‘ eine bislang wenig bekannte, wissenschaftlich noch nicht ausreichend untersuchte Form der Herzschwäche ist: ein Stiefkind der modernen Forschung, Diagnostik und Therapie“, unterstreicht die Präsidentin der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG).
Frauen sind etwa doppelt so häufig von der heart failure with normal ejection fraction betroffen wie Männer. Bei dieser diastolischen Dysfunktion nimmt die Gewebemasse der linken Herzkammer zu, was zur vermehrten Steifigkeit der Kammer und zu einer verminderten Dehnungsfähigkeit führt. Es gibt noch keine spezielle Therapiemethode. Eingesetzt werden Betablocker, welche die Ruheherzfrequenz und den Blutdruck senken, sowie Spironolacton.
„Herzschwäche als Folge von diastolischer Dysfunktion ist schwieriger zu diagnostizieren als die systolische Herzinsuffizienz“, weiß Prof. Lang: „Denn die Symptome sind im Grunde dieselben.“ Daher werde die Krankheit erst jetzt in ihrem vollen Ausmaß erkannt. „Zur hohen Dunkelziffer Patienten mit ,Steifem Herz‘ kommen also zusätzlich jene Betroffenen, bei denen die Erkrankung trotz Untersuchung nicht erkannt wurde“, erklärt Lang. „Es geht uns daher darum, Awareness für diese gefährliche, häufige und wenig bekannte Erkrankung zu schaffen“, betonte die Präsidentin der ÖKG anlässlich der Jahrestagung der Fachgesellschaft, auf der die heart failure with normal ejection fraction Schwerpunktthema war.
Auch ein weiteres Thema, das nicht nur in Österreich virulent ist, beschäftigt die Herzspezialisten: Die kardiologischen Gesellschaften in Österreich und Deutschland fordern einhellig, zur Vorbeugung von Thrombosen bei Patienten nach Stent-Implantation weiterhin das Originalpräparat Clopidogrel-Hydrogensulfat (Plavix®) zu verwenden, und nicht ein Generikum. Seit Anfang 2010 ist das in diesen Fällen eigesetzte Clopidogrel auch als Generikum auf dem Markt. „Allerdings handelt es sich bei den Produkten der Generika-Hersteller nicht um das Hydrogensulfat, sondern um Clopidogrel-Besilat oder Clopidogrel-Hydrogenchlorid. Das sind andere Salze als das Original und wir haben keine klinischen Daten, ob sie auch dieselbe Wirksamkeit haben“, warnt Prim. Univ.-Prof. Dr. Franz Weidinger von der 2. Medizinische Abteilung der Krankenanstalt Rudolfstiftung in Wien.
„Uns ist die Notwendigkeit kosteneffektiver Behandlungen sehr wohl bewusst und es spricht auch nichts dagegen, generisches Clopidogrel in anderen Indikationen einzusetzen, etwa zur Sekundärprophylaxe nach Herzinfarkt“, betont Weidinger: „Im Falle der Stent-Implantation liegt die Angelegenheit jedoch ein wenig anders. Das ist eine besonders heikle Sache.“ Verengte Herzkranzgefäße werden häufig durch das Einsetzen von Gefäßstützen behandelt. Diese Stents halten das Gefäß weit und stellen so den Blutfluss sicher. Bis zum vollständigen Einheilen, das über ein Jahr lang dauern kann, besteht jedoch die Gefahr einer Stent-Thrombose, an der rund 30 Prozent der davon Betroffenen sterben. Die CURE-Studie hat belegt, dass bei Patienten, die eine Stent-Implantation in ein Herzkranzgefäß erhalten haben, durch die kombinierte Therapie von Aspirin und Clopidogrel innerhalb eines Jahres eine Reduktion des Herzinfarkt- oder Schlaganfall-Risikos um 20 Prozent erreicht werden kann – im Vergleich zur einfachen Behandlung mit Aspirin.
„Patienten mit Stents sollen das Original bekommen, weil es nur dafür die entsprechenden klinischen Daten gibt“, unterstreicht Weidinger. Offenbar mache auch den Generika-Produzenten die Stent-Thrombose Sorgen, meint der Sekretär der ÖKG, weshalb diese Indikation auch nicht in der Zulassung der Präparate aufscheine. „Leider hat das jedoch wenig Auswirkungen auf die Verschreibungspraxis“, kritisiert Weidinger: „Die Frage der Sicherheit, sowohl rechtlich als auch für den Patienten, ist hier nicht geklärt.“
20.08.2010