Das Puzzle im Kopf

Angeborene Herzfehler stellen die häufigste organische Fehlbildung bei Neugeborenen dar, etwa jeder 100. Säugling ist betroffen.

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Diese Herzkrankheit ist im Ultraschall gut diagnostizierbar, klassischerweise bei der Feindiagnostik zur Mitte der Schwangerschaft. „In Expertenhand können bis zu 90 Prozent aller Herzfehler pränatal ausgeschlossen werden. Bereits im Rahmen der Nackentransparenzmessung im ersten Trimester sind Herzfehler erkennbar, besonders das Fehlen  einer Herzkammer oder -klappe. Aber ein Loch zwischen den Kammern kann man erst ab der 22. Schwangerschaftswoche richtig beurteilen “, erklärt PD Dr. Kai-Sven Heling, der in Berlin-Mitte gemeinsam mit Prof. Dr. Rabih Chaoui eine Praxis für Pränataldiagnostik betreibt.

Häufige Herzfehler
Vorgeburtlich sind Herzfehler in der Regel nicht relevant, sie werden erst dann akut, wenn der Kreislauf des Kindes selbstständig arbeiten muss. Prinzipiell gilt: je mehr Fehlbildungen auftreten, desto schlechter ist die Prognose des Kindes. Eine rechtzeitige Diagnose ist daher überlebenswichtig, denn sie verhindert, dass das Kind als vermeintlich gesund entlassen wird und dann zu Hause erkrankt. „Das ist gut vermeidbar, denn sobald die Diagnose klar ist, kann man die Überlebenschancen des Kindes erhöhen, indem beispielsweise die Geburt in einer Spezialklinik eingeleitet wird“, erklärt der Gynäkologe.

Zu den Herzfehlern, die sich wieder verwachsen können, gehört zum einen ein Loch zwischen den Kammern, ein sogenannter Ventrikelseptumdefekt (VSD), der vorgeburtlich nicht komplett ausgeschlossen werden kann. Denn es gibt hier kleine Löcher, die nicht unbedingt sichtbar sind, bzw. die auch spontan wieder verwachsen können. Auch ein Loch zwischen den Vorkammern ist kein pathologischer Befund, weil dieses sich erst nach der Geburt schließt. Erst wenn sich dieses Loch in der Phase der Anpassung an das nachgeburtliche Leben nicht verschließt, kann ein Herzfehler diagnostiziert werden. „Eine Einengung der Lungenarterie ist nachgeburtlich ein viel häufigerer Herzfehler, als wir das vorgeburtlich sehen. Sehr häufig verkennen wir das und auch bei einer Diagnose wird dieser Fehler nicht immer behandelt, obwohl die Kinder sogar manchmal klinische Symptome haben und unter Belastung blau anlaufen. Aber manchmal wächst es sich auch aus, ohne dass die Kinder klinisch auffällig werden müssen“, so Dr. Heling.

Operationen bei Herzfehlern
Bei verschiedenen Herzfehlern ist die sofortige Intervention nach der Geburt dringend gegeben, insbesondere dann, wenn kein oder deutlich zu wenig Blut in die Lunge fließt, also das Kind keine Sauerstoffversorgung hat. Das ist klassischerweise der Fall bei der Transposition – der Vertauschung der Gefäße – der Fall. Vorgeburtlich zu intervenieren ist ein experimentelles Konzept und bislang kein Goldstandard in der Medizin. Dieses Verfahren wird momentan kontrovers diskutiert, die größte Expertise in Europa hat das Zentrum in Linz. Vorgeburtliche Eingriffe kommen vor allem dann zum Einsatz, wenn die Aorta zu eng ist und sich in der Folge die linke Kammer nicht weiterentwickeln kann. Tritt dies langfristig auf, kann das zu einer Funktionslosigkeit der linken Kammer führen und im Endzustand zu einer Kreislaufsituation mit einem funktionell einkammerigen Herzen. „Um das zu vermeiden, wird über einen Katheter die Herzklappe gesprengt. Das verhilft allerdings nur in einem Drittel der Fälle zu einem funktionierenden Herzen mit zwei Kammern. Ohnehin kommt für diesen Eingriff nur eine ganz kleine Gruppe von Patienten in Frage, denn die vorgeburtliche risikobehaftete Operation kann nur durchgeführt werden, bevor eine Funktionslosigkeit der Herzkammer auftritt.“

Erfolgsversprechender ist das dreistufige Operationsverfahren nach Norwood. Hier wird bei einer Funktionslosigkeit des linken Herzens versucht, die Kreislaufsituation nach der Geburt zunächst medikamentös aufrechtzuerhalten, so dass diese Kinder nicht klinisch auffällig werden. Dann werden in einem ersten Eingriff die Gefäße umgesetzt, sodass aus der rechten Kammer ausreichend Blut in den Körperkreislauf gelangt. Es folgen Operationen nach drei Monaten und drei Jahren. Auch in diesem Fall hat das Kind nur eine rechte Kammer, wobei das Blut passiv in die Lunge weitergeleitet wird. Wie erfolgsversprechend dieses Verfahren ist, kann noch nicht abschließend beurteilt werden, Berichte weisen aber darauf hin, dass die Probleme nur vom Kindes- ins Erwachsenalter verschoben werden.

„Es gibt Herzfehler, die man wirklich korrigieren kann. Es ist daher aus unserer Sicht ein Drama, wenn solche Kinder heute noch versterben, weil man die Fehler in der Feindiagnostik nicht erkannt hat. Und es gibt andere Herzfehler, die heute operabel sind, für den Patienten aber ein Leben mit Einschränkungen bedeuten. Trotzdem ist das positiv zu bewerten und sie profitieren davon, wenn die Fehler vorgeburtlich diagnostiziert werden, sodass sie in einem guten Zustand operiert werden können“, schließt Heling. Es sei daher wichtig, selbstkritisch mit den eigenen Befunden umzugehen und die Technik so optimal zu nutzen, wie möglich. Denn das Ultraschallbild ist immer nur so gut, wie der Untersucher selbst und das, was er sich dabei gedacht beziehungsweise vermutet hat.

Im Profil:
PD Dr. Kai-Sven Heling hat nach dem Studium an der Humboldt-Universität in Berlin seine Facharztausbildung an der Universitäts-Frauenklinik Charité absolviert und dort auch als Oberarzt gearbeitet. Bereits in seiner Promotion hat er sich mit dem fetalen Herzen beschäftigt. Seit 2005 ist er niedergelassen in der Praxis Friedrichstraße. Heling leitet die Sektion Gynäkologie/Geburtshilfe in der DEGUM und hat die Qualifikation der DEGUM Stufe III.

Veranstaltung:
Saal Tirol
Mi., 29.10., 16:00–16:20 Uhr
Herz
K.-S. Heling, Berlin (D)
Session: Pränatalmedizin, Teil 4: Pränatalmedizin aktuell (AWS1)

23.10.2014

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