Interview • Automatisierung
Autofokus für die pränatale Diagnostik
Mehr PS bei der Automatisierung im Ultraschall stehen auf dem Wunschzettel von Dr. Alexander Weichert, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe an der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Im Gespräch verrät der Diagnostiker wie Automatisierungstechniken die Früherkennung von kardialen Erkrankungen in der Pränataldiagnostik unterstützen können und warum detaillierte pränataldiagnostische Befunde die Mortalität und Morbidität betroffener Kinder reduzieren.
Welche Bedeutung haben kardiale Erkrankungen in der pränatalen Diagnostik?
Herzfehler gehören zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen und sind von großer Bedeutung in der pränatalen Diagnostik. Leider werden sie auch heute noch zu selten erkannt.
Ab welchem Stadium sind Fehlbildungen am Herzen diagnostizierbar?
Unter optimalen Bedingungen schon zur Zeit des Ersttrimesterscreenings, also zwischen der 12. und 14. Schwangerschaftswoche. Die meisten Herzfehler werden zum Zeitpunkt der Feindiagnostik zwischen der 20. und 22. Schwangerschaftswoche diagnostiziert – allerdings leider nicht häufig genug.
Nur die Minderheit der angeborenen Herzfehler wird pränatal diagnostiziert, da nicht alle Schwangeren systematisch von Echokardiographie-Spezialisten untersucht werden. Erst wenn Risikofaktoren wie Mehrlinge, Wachstumsverzögerungen oder sonstige Verdachtsmomente im Spiel sind, werden diese Fälle an den Experten überwiesen. Eine Spezialdiagnostik oder ein Screening auf kardiale Pathologien findet also meistens nicht statt. Das ist fatal, denn Ultraschall ist, anders als beispielweise die CT oder die MRT, ein stark benutzerabhängiges Verfahren. Es ist langjährige Praxis vonnöten, um angeborene Herzfehler diagnostizieren zu können. Natürlich gibt es Leitlinien, die beispielsweise die Darstellung bestimmter Ebenen empfehlen, aber auch dazu ist viel Erfahrung nötig, die nur vorweisen kann, wer sich intensiv mit Ultraschalltechniken befasst. Diese Schieflage ist allerdings kein rein deutsches Problem, sondern auch in anderen Ländern weit verbreitet.
Warum ist es so elementar, Herzfehler pränatal zu diagnostizieren?
Zum einen gibt es bestimmte Herzfehler, die bereits pränatal therapiert werden können. Dazu gehört eine Verengung der Aortenklappe, die mittels eines Herzkatheters gesprengt werden kann. Die Früherkennung an sich – ohne unmittelbare therapeutische Konsequenzen - hat jedoch weitere durch zahlreiche Studien belegte fundamentale Auswirkungen: Werden angeborene Herzfehler rechtzeitig erkannt, sinken nicht nur Mortalität und Morbidität, auch der Aufenthalt auf der Intensivstation verringert sich und das Operationsergebnis wird besser. Früherkennung ermöglicht eine optimale Vorbereitung, denn bei pränatalen Herzerkrankungen kommt es auf die schnelle Reaktion nach der Geburt an – insbesondere bei Ductus abhängigen Herzfehlern.
In der Fetalzeit bestehen Querverbindungen auf Vorhofebene (Foramen ovale) und zwischen den großen Gefäßen (Ductus arteriosus), die zu einer Parallelschaltung des Lungen- und Körperkreislaufs führen.
Als Ductus-abhängige Herzfehler werden die Herzfehler bezeichnet, bei denen das Blut obstruktionsbedingt nicht in direkt in die Lunge oder den Körper fließen kann, sondern den Umweg durch den Ductus arteriosus nehmen muss, um in Lunge bzw. den Körper zu gelangen.
In der fetalen Situation ist das unproblematisch, weil eine Verbindung zwischen den Kreisläufen besteht. Nach der Geburt verschließt sich diese Verbindung, die bei Kindern mit Ductus abhängigen Herzfehlern lebenswichtig ist und das Kind leidet unter lebensbedrohlichem Sauerstoffmangel. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Ist der Herzfehler vorher bekannt, kann man dem Ductusverschluss durch die Gabe von Prostaglandin E1 entgegenwirken. Das Medikament hält die Parallelschaltung intakt und verschafft dem Kinderkardiologen und Kardiochirurgen Zeit, eine gezielte Operationsplanung vorzunehmen. Eine ansonsten lebensbedrohliche Situation wird durch frühe Diagnose deutlich entschärft.
Welche Ultraschalltechniken nutzen Sie zur Diagnostik?
Zuallererst das klassische B-Mode-Bild und den „einfachen“ zweidimensionalen Ultraschall, darüber hinaus den Farb- bzw. den Puls-Doppler. Um präzise zu diagnostizieren sind weitere Methoden nicht erforderlich. Für Lehre oder Dokumentation sind allerdings 3D- oder 4D-Technologien von Vorteil. Im Patientenkontakt helfen plastische Darstellungen, unserer Hauptaufgabe nach zu kommen und werdenden Müttern die Angst zu nehmen und Vertrauen aufzubauen. 3D- oder 4D-Techniken sind zudem in der Zusammenarbeit mit den behandelnden Kinderkardiologen wichtig. Denn die pränatal anvisierten Ebenen entsprechen nicht denen, die für postnatale Untersuchungen maßgeblich sind. 3- oder 4D-Befunde im Vorfeld können den Dialog mit dem Kardiologen vereinfachen und eine Brücke zwischen Diagnostik und Therapie schlagen.
Können Sie sich Automatisierungsvorgänge vorstellen, die den Einsatz von Ultraschall verbessern?
Es bleibt unser Herzenswunsch, dass jedes Kind im Verlauf einer Schwangerschaft eine fetale Echokardiographie zur Vorsorge bekommt
Alexander Weichert
Das ist ein unter dem Stichwort „operator support“ zurzeit heftig diskutiertes Thema. Es gibt verschiedenste Ansätze für die Automatisierung, einer der hervorstechendsten ist die sogenannte Fetal Intelligent Navigation Echocardiography, oder auch FINE-Technologie. Dabei wird ein Volumendatensatz vom Herzen aufgenommen, in dem sieben zentrale Punkte markiert werden. Das System erstellt im Anschluss automatisch neun Untersuchungsebenen für die Diagnostik. Diese Technologie wurde 2013 unter der Federführung von Dr. Robert Romero und Dr. Lami Yeo aus Detroit publiziert. Dieser Algorithmus hat das Potenzial, den Einsatz von Ultraschall zu verbessern – allerdings nur, wenn der Datensatz, aus dem die Ebenen erstellt werden, auch in ausreichender Qualität erzeugt wird. Deshalb plädiere ich für die Entwicklung einer Technologie, die automatische Qualitätskontrollen ermöglicht. Die schon während der Aufnahme automatisch Rückmeldung gibt, ob bestimmte Anforderungen eingehalten wurden. Sehr attraktiv wäre auch eine Art Autofokus, der wie bei einer Kamera das Bild automatisch zentriert und schärft – aber das ist noch Zukunftsmusik. Bis dahin bleibt es unser Herzenswunsch, dass jedes Kind im Verlauf einer Schwangerschaft eine fetale Echokardiographie zur Vorsorge bekommt.
Profil:
Dr. Alexander Weichert ist Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe an der Charité, Universitätsmedizin, Berlin, wo er seit 2014 die Maternal-Fetal Medicine Unit leitet. An der Charité schloss er auch seine Doktorarbeit mit magna cum laude ab und ist zertifizierter Sonograf der DEGUM-Stufe II. Dr. Weichert ist Spezialist für pränatale Diagnostik und Therapie, spezielle Geburtshilfe, Frühgeburtenund Perinatalmedizin. Er ist Mitglied der Deutschen Gesellschaften für Ultraschall in der Medizin (DEGUM), Perinatalmedizin (DGPM), Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), der Kaiserin Auguste Victoria Gesellschaft für Präventive Pädiatrie (KAV) sowie der International Society of Ultrasound in Obstetrics and Gynecology (ISUOG).
Veranstaltungshinweis:
Raum: Kongresssaal
Mittwoch, 11. Oktober 2017, 15:30 – 16:30
AWS Pränatalmedizin Teil 4
Fallbeispiele Schwerpunkt Genetik/Syndromologie
Alexander Weichert (Berlin/D) u.a.
12.10.2017