Die Behandlung mit dem agonistischen TREM2-Antikörper 4D9 führt zur...
Die Behandlung mit dem agonistischen TREM2-Antikörper 4D9 führt zur Ausbildung kleinerer nekrotischer Kerne (rote Umrandungen) in atherosklerotischen Plaques der Aortenwurzel in LDLR-/- Mäusen.

Bildquelle: UKW; adaptiert von: Piollet M et al., Nature Cardiovascular Research 2024 (CC BY 4.0)

News • Rezeptor TREM2 im Fokus

Atherosklerose: Neue Ansätze für Diagnostik und Therapie

Atherosklerose ist eine chronische Erkrankung der Gefäßwand. Ablagerungen von Lipiden, insbesondere von Cholesterin, treiben die Entstehung von Plaques in der innersten Schicht von Arterien voran.

Diese Ablagerungen können das Innere der Gefäße verengen und den Blutfluss behindern. Im schlimmsten Fall führen sie zu Blutgerinnseln, die je nach betroffenem Teil des Gefäßsystems Herzinfarkte oder Schlaganfälle verursachen können, welche weltweit für rund ein Drittel der Todesfälle verantwortlich sind. 

Seit Jahren erforschen Prof. Dr. Alma Zernecke-Madsen und Clément Cochain, PhD, vom Institut für Experimentelle Biomedizin II am Uniklinikum Würzburg (UKW) sowie Prof. Dr. Christoph Binder vom Klinischen Institut für Labormedizin der Medizinischen Universität Wien diese chronische Erkrankung der Gefäße. Ein Fokus ihrer Untersuchungen liegt auf dem Immunsystem, welches in allen Phasen der Atherosklerose eine wichtige Rolle spielt. So können Makrophagen, die auch als Fresszellen des Immunsystems bekannt sind, durch Aufnahme von Lipiden zu so genannten Schaumzellen werden, die sich besonders in atherosklerotischen Plaques ablagern. „Wir wussten bereits, dass diese Schaumzellen den Rezeptor TREM2 (Triggering Receptor Expressed on Myeloid cells 2) auf der Oberfläche tragen und dieser Rezeptor die Makrophagenfunktion in unterschiedlichen Pathologien wie Alzheimer oder Fettleibigkeit reguliert. Die Mechanismen, über die der Rezeptor auf die Atherosklerose einwirkt, waren jedoch noch nicht vollständig bekannt“, erläutert Alma Zernecke-Madsen, die das Institut für Experimentelle Biomedizin am UKW leitet. 

Einen wichtigen Baustein lieferten die Arbeitsgruppen aus Würzburg und Wien nun in der neuesten Publikation im Journal Nature Cardiovascular Research. „Wir haben den Einfluss von TREM2 auf die frühe und späte Atherosklerose sowie auf die Makrophagenfunktionen in zwei unterschiedlichen Laboren, in Wien und in Würzburg, unabhängig voneinander untersucht, was die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse noch unterstreicht“, betonen die drei Studienleiter.

Zusammen mit den Ergebnissen aus den präklinischen Tiermodellen könnte dies darauf hindeuten, dass TREM2 diagnostisch wie auch therapeutisch nutzbar sein könnte, was in den nächsten Jahren weiter erforscht werden muss

Marie Piollet

Gemeinsam konnten die Forschenden zeigen, dass TREM2 für Makrophagen entscheidend an der Aufnahme von Lipiden und dem effizienten Abräumen von toten Zellen im Gewebe beteiligt ist, der so genannten Efferozytose. TREM2 fördert das Überleben von Schaumzellen. Auf diese Weise scheint TREM2 das Gleichgewicht zwischen dem Absterben von Schaumzellen und ihrer Beseitigung in atherosklerotischen Läsionen zu steuern. 

Einen möglichen therapeutischen Ansatz lieferten Untersuchungen an so genannten LDLR-/- Mäusen. Da bei den Mäusen das LDLR-Gen ausgeschaltet wurde, haben sie eine erhöhte Konzentration von LDL-Cholesterin im Blut, was das Risiko für die Entwicklung von Atherosklerose erhöht. Diese Mäuse wurden mit einem von Kai Schlepckow und Christian Haass vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in München hergestellten agonistischen TREM2-Antikörper namens 4D9 behandelt, wodurch die Aktivität von TREM2 verstärkt wurde. Es hat sich gezeigt, dass durch die Stimulation von TREM2 die Bildung nekrotischer Kerne innerhalb der atherosklerotischen Plaques begrenzt wurde (siehe Abbildung oben). 

Diese protektive Funktion von TREM2 könnte Alma Zernecke-Madsen, Christoph Binder und Clément Cochain zufolge sehr wichtig sein, da die Ansammlung von abgestorbenen Plaquezellen maßgeblich die Stabilität der Ablagerungen und damit klinische Komplikationen der Atherosklerose beeinflusse. Das heißt: Wenn zu viele Zellen durch Nekrose absterben und die geschädigten Zellen nicht effizient entfernt werden, kommt es zu Entzündungen und nachfolgenden schädlichen Effekten. Durch die Gabe von 4D9 sterben jedoch weniger Zellen aufgrund von Nekrose ab. 

Darüber hinaus konnten die Forschenden Daten erheben, die TREM2 im menschlichen Serum bei der Atherosklerose nachweisen. „Das im Blut lösliche TREM2 („sTREM2“) korrelierte mit dem weiteren Wachstum von Plaques in der Halsschlagader der Patienten“, schildert die Ko-Erstautorin Dr. Florentina Porsch. „Zusammen mit den Ergebnissen aus den präklinischen Tiermodellen könnte dies darauf hindeuten, dass TREM2 diagnostisch wie auch therapeutisch nutzbar sein könnte, was in den nächsten Jahren weiter erforscht werden muss“, fasst Ko-Erstautorin Marie Piollet zusammen. Aktuell untersucht Clément Cochain gemeinsam mit Alma Zernecke-Madsen und Antoine-Emmanuel Saliba vom Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) mit ihren jeweiligen Arbeitsgruppen am Standort Würzburg die Funktion von TREM2 auch in anderen kardiovaskulären Erkrankungen wie dem Myokardinfarkt und bei Herzinsuffizienz. Die Untersuchungen finden unter anderem im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereichs SFB 1525 „Interaktion zwischen Herz und Immunsystem“ statt, dessen stellvertretende Sprecherin Alma Zernecke-Madsen ist. 


Quelle: Universitäts­klinikum Würzburg

14.03.2024

Mehr aktuelle Beiträge lesen

Verwandte Artikel

Photo

News • Neue Ansätze für Therapien

Atherosklerose: Welche Rolle spielt das Immunsystem?

Atherosklerose gehört zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland: Dabei lagern sich Cholesterin und andere Fette in die innere Wandschicht arterieller Blutgefäße ein und verengen diese. Das…

Photo

News • Vielversprechende Studie

Morbus Osler: Neue Therapien für unheilbare Gefäßerkrankung

Morbus Osler ist eine seltene Erkrankung, die zu schweren Blutungen, Schlaganfällen oder Herzversagen führen kann. Forscher verfolgen jetzt eine Spur, die zu neuen Therapien führen könnte.

Photo

News • Erhöhte Gefahr für Infektionen

Immunschwäche nach Schlaganfall und Herzinfarkt: Ursache entdeckt

Nach einem Schlaganfall oder Herzinfarkt steigt das Risiko für Infektionen – bislang war jedoch kaum bekannt, warum. Forscher fanden nun eine bisher unbekannte Ursache – und einen Therapieansatz.

Verwandte Produkte

Newsletter abonnieren