Artikel • Medizintechnik
Atemluft mit System
Der Einsatz von Sensortechnologien in der Medizin
Lena Petzold
Samuel Wehrli, Produktmanager Gas Flow bei der Sensirion AG in der Schweiz, berichtet im Interview mit European Hospital auf der MST-Konferenz in Dortmund wie Neugeborene von Sensoren mit Chiptechnologie profitieren und wie die Zukunft für Sensordaten aussehen könnte.
Herr Wehrli, Sie sind seit 2007 in unterschiedlichen Bereichen bei Sensirion tätig, woran arbeiten Sie momentan?
Sensirion hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Sensorik einen Schritt weiter zu bringen, indem wir Sensoren mit Mikrochips ausstatten. Sensoren liefern wertvolle Informationen in ganz verschiedenen Bereichen. Insbesondere in der Medizintechnik entstehen durch den Einsatz von Chiptechnologien ganz neue, spannende Lösungen. An dieser Entwicklung bin ich mit meinem Team beteiligt.
Warum sollte man Sensoren mit Chiptechnologie ausrüsten?
Die Chiptechnologie wird eingesetzt, um Signale zu verarbeiten oder zu rechnen. Vereint man sie mit Sensoren, wird am Ende ein Signal produziert, das auf ein standardisiertes Protokoll passt. Zusammen mit der Chiptechnologie können Sensoren also optimal verwertbare Informationen liefern. Hinzu kommt, dass die Chiptechnologie besonders gut skalierbar ist und in Massen produziert werden kann. Mit Chips ausgerüstete Sensoren können deshalb auch in Kleinstformaten hergestellt werden, die in Kombination zu einem deutlich besseren und stabileren Produkt führen. Durch die Verschmelzung mit Chiptechnologien bekommt der Kunde also ein massentaugliches Produkt in hoher Qualität.
Was genau macht einen guten Sensor aus?
Ein Sensor funktioniert innerhalb eines Systems; je mehr Funktionen ich in den Sensor integrieren kann, zum Beispiel eine Kalibration, desto gezieltere Informationen bekomme ich.
Samuel Wehrli
Zunächst die Qualität des Signals. Je genauer die Messungen, desto besser ist der Sensor. In Kombination mit Chiptechnologien ist die Signalfarbe bzw. die Signalqualität häufig sehr gut, da die dort verwendete elektrische Verdrahtung sehr kompakt ist, was die Störungsanfälligkeit enorm reduziert. Auch die technische Verarbeitung spielt eine Rolle. Ein Sensor funktioniert innerhalb eines Systems; je mehr Funktionen ich in den Sensor integrieren kann, zum Beispiel eine Kalibration, desto gezieltere Informationen bekomme ich. Wird beispielsweise die Atemluft gemessen, hat der Kunde mehr davon, wenn er die Angabe erhält, wie viele Liter pro Minute durch den Sensor fließen, als nur eine Rohkennlinie gezeigt zu bekommen, wie dies bei gerade bei älteren Sensorgenerationen noch der Fall ist.
Wo kommen Sensoren im Gesundheitswesen zum Einsatz?
In der Medizin sind wir intensiv mit Flow-Sensorik beschäftigt, also mit der bereits beschriebenen Messung von eingehender und ausgehender Atemluft. Dank Digitalisierung und neuer Messmöglichkeiten wird die genaue Überwachung der Atemluft in der Medizin immer detailreicher und bietet ein weites Feld für die Sensortechnik. Ein neues Einsatzgebiet ist die Neonatologie. In Zusammenarbeit mit Herstellern von Beatmungsgeräten hat Sensirion einen besonders kleinen und leichten Sensor entwickelt. Ein typischer Sensor ist in etwa so groß wie zwei Streichholzschachteln; für ein Frühgeborenes, das vielleicht gerade eben in eine Hand passt, ist das zu groß. Der neue Sensor ist deshalb deutlich kleiner und beeinträchtigt die Beatmung durch sein geringes Gewicht so wenig wie möglich. Auch der Atemfluss bei Kleinkindern kann dadurch besser überwacht werden.
Wobei können Sensoren im Krankenhaus noch unterstützend eingesetzt werden?
Zum Beispiel bei dem heiklen Thema Hygienestandards in Krankenhäusern: zur Einhaltung der Standards können Sensoren beitragen. Das ist zugegebenermaßen eine Herausforderung, denn Sensoren kommen bei der Messung menschlicher Atemluft mit Keimen in Kontakt. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, gibt es zwei Lösungen: „single use“-Sensoren, die nach einmaligem Gebrauch entsorgt werden und die in großen Stückzahlen und mit geringen Kosten zur Verfügung stehen müssen. Oder der sterilisierbare Sensor, der durch Wasch- oder Dampfsterilisatoren für den erneuten Gebrauch gereinigt wird. Im letzteren Fall muss der Sensor so robust sein, dass er das intensive Sterilisationsprozedere unbeschädigt überlebt – und das ca. 50 Mal pro Sensor. Durch beide Lösungen wird verhindert, dass Keime übertragen werden.
Wo liegt die Zukunft der Sensortechnologie?
Es gibt viele Ansätze, wie die Sensortechnik weiterentwickelt werden könnte. Ein Beispiel ist die Anästhesie: In Anästhesiegeräten wird unter anderem Luft mit zusätzlichem Sauerstoff vermischt; je präziser man diese Konzentration via Sensorik kontrollieren und einstellen kann, desto besser für den Patienten. Die Sensorik kann überall dort eingesetzt werden, wo Gase in Bewegung sind, wie bei Sauerstoff, CO2 oder anderen Substanzen.
Das Thema Datenschutz sorgt immer wieder für hitzige Diskussionen, wie gehen Sie mit den von den Sensoren produzierten Daten um?
Bei unseren Produkten ist der Endkunde für die Nutzung der Daten zuständig. Es gibt eine klare Grenze zwischen Sensorik und Datenverarbeitung. Denn zur Weiterverarbeitung von Daten werden spezielle Zulassungen benötigt, die eine klare Trennung schaffen. Nichtsdestotrotz liegt in diesen Daten – wenn Sie verlässlich und geschützt verarbeitet werden – eine große Chance. Momentan wertet der Arzt die Daten punktuell am Monitor aus, er prüft also beispielsweise, ob mit der Beatmung eines Patienten während seiner Visite alles stimmt. Würden diese Daten jedoch in einer Cloud gespeichert, könnte man sie im Nachhinein analysieren oder Fälle vergleichen und darüber wichtige Erkenntnisse gewinnen. Das ist allerdings noch Zukunftsmusik.
15.08.2017