Nosokomiale Infektionen

Auswege aus dem Resistenz-Dilemma

Immer mehr multiresistente Bakterien einerseits, immer weniger wirksame Antibiotika andererseits – das ist das Dilemma, in dem sich Krankenhäuser, aber auch andere Institutionen befinden. Neue Substanzen zur Bekämpfung von Keimen scheinen nicht in Sicht. Was ist zu tun? Professor Dr. Constanze Wendt ist Fachärztin für Mikrobiologie und Infektionsbiologie am MVZ Labor Dr. Limbach & Kollegen GbR in Heidelberg und erläutert die aktuellen Antinfektiva-Strategien in deutschen Krankenhäusern.

Das Antibiotic Stewardship-Programm soll helfen, den Umgang mit resistenten...
Das Antibiotic Stewardship-Programm soll helfen, den Umgang mit resistenten Erregern im Klinikalltag zu verbessern.
Prof. Dr. med. Constanze Wendt ist Fachärztin für Hygiene und Umweltmedizin...
Prof. Dr. med. Constanze Wendt ist Fachärztin für Hygiene und Umweltmedizin sowie für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie.

Forschung hinkt hinterher

Über lange Zeit war die Gabe von Antibiotika eine sehr effektive und schnell wirksame Therapie. Seitdem Bakterien ihre Resistenzen aber schneller ausbilden, als die Forschung mit der Entwicklung neuerAntibiotika nachkommt, wird die Situation heikel. Hinzu kommt: In den letzten zehn bis 20 Jahren sind häufig nur Abwandlungen von vorher schon eingesetzten Antibiotika auf den Markt gekommen, gegen die Bakterien noch schneller Resistenzen aufbauen. Wirklich neue Wirkstoffgruppen hat es dagegen nicht gegeben. Das hat verschiedene Gründe. Feststeht aber, dass die Entwicklung von innovativen Substanzen extrem zeitaufwändig, von Fehlschlägen begleitet und damit kostenintensiv ist. Wendt: „Die Zeit drängt. Wir haben nur noch wenige Antibiotika, die wir einsetzen können. Daher ist es dringend notwendig, andere Strategien zu entwickeln.“

Antibiotic Stewardship im Klinikalltag

Die S3-Leitlinie „Strategien zur Sicherung der rationalen Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus“ existiert seit 2013 und hat sich in Form von Antibiotic-Stewardship-Programmen als Standard weitestgehend durchgesetzt. Ziel ist es, den Einsatz von Antiinfektiva durch Auswahl der Substanzen, Dosierung, Applikation und Anwendungsdauer so zu verbessern, dass die Resistenzentwicklung möglichst gering bleibt, bei gleichzeitig besten klinischen Behandlungsergebnissen. Um dies zu erreichen, sammeln interdisziplinär zusammengesetzte Arbeitsgruppen in Krankenhäusern hauseigene Daten und bereiten diese statistisch auf. Relevante Fragestellungen sind dabei: Welche Antibiotika wurden in welcher Menge verschrieben? Welche Resistenzen kommen besonders häufig vor? Welche Antibiotika können bei welchen Keimen zielgerichtet eingesetzt werden? Je nach Komplexität der Einrichtung, ihren Fachdisziplinen und der Zusammensetzung ihrer Patientenklientel entstehen auf diese Weise hauseigene Therapie-Guidelines. Mit gutem Ergebnis: Auch wenn eine flächendeckende Evaluation des Vorgehens noch aussteht, konnte dennoch in einzelnen Häusern die Einsparung von Antibiotika nachgewiesen werden.

Interdisziplinarität

Die Leitlinie schreibt für die Umsetzung des Antibiotic Stewardship spezifische Strukturen und Qualifikationen vor. Neben Mikrobiologen, Infektiologen, Krankenhaushygienikern und den Klinikern ist für jedes Team ein „Antibiotic Expert“ vorgeschrieben. Die Weiterbildung erfolgt auf Basis eines Curriculums und schließt mit einem Zertifikat ab. „Diese Hausaufgaben, die sich aus der Leitlinie ergeben, müssen erst einmal geleistet werden, bevor das Team seine Arbeit aufnehmen kann“, so Wendt. Anbieter für diese Weiterbildung sind die Fachgesellschaften, inzwischen auch einzelne Ärztekammern und die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene.

Zielgerichtete Therapie

Auf Basis des erarbeiteten Standards im jeweiligen Krankenhaus können die behandelnden Ärzte zielgerichtet agieren. Früher wurde dem Patienten oft das breitest mögliche Antibiotikum im Falle einer Infektion verabreicht. Heute wird differenzierter vorgegangen: Auf Basis der hauseigenen Daten lässt sich eruieren, welche Keime bei welchem Infekt am ehesten zu erwarten sind. Die Statistiken geben Auskunft darüber, gegen welche Antibiotika die Keime häufig resistent sind. Das Antibiotikum der Wahl ist dann dasjenige, dessen Wirkung so schmal wie möglich, aber so breit wie nötig ist, um den Patienten optimal zu behandeln. Parallel dazu wird eine Probe ins Labor geschickt, um den Erreger zu bestimmen. Nach zwei bis drei Tagen kann erneut evaluiert und die Therapie, wenn nötig, nachjustiert werden.

Stichwort Hygiene

Auf der Suche nach neuen Strategien beim Kampf gegen bakterielle Erreger werden auch präventive Hygienemaßnahmen ins Visier genommen. Um Übertragungen zu verhindern, sollen zum Beispiel besonders gefährdete Patienten mit einem Antiseptikum gewaschen werden. Erste Studien dazu laufen, die aktuelle Datenlage lässt die grundsätzliche Einführung dieser Maßnahme allerdings noch nicht zu. „Theoretisch ist in Sachen Hygieneverhalten alles klar und bekannt. Wir müssen aber immer wieder daran arbeiten, dass das auch gelebt wird. Das klingt banal, ist tatsächlich aber die größte Aufgabe“, ist Wendt sicher. Grundsätzlich werden die Hygienevorschriften im Krankenhaus ernst genommen. Sie fallen aber manchmal der dünnen Personaldecke und den enormen Anforderungen im Klinikalltag zum Opfer. Umso wichtiger ist ein multimodales Schulungskonzept, bei dem immer wieder für die Problematik sensibilisiert und an nachhaltigen Verhaltensänderungen gearbeitet wird. Neben Vorträgen und Referaten gehören dazu auch Poster, Vorbildrollen, Beobachtung und Rückmeldung des Hygieneverhaltens sowie die Überprüfung der Compliance. Dies ist ein langwieriges Unterfangen, das aber Aussicht auf Erfolg hat. Wendt abschließend: „Mit nur drei bis fünf Prozent Infektionen konnte über die Jahre ein hohes Sicherheitsniveau erreicht werden. Denn im Umkehrschluss heißt das ja, dass 95 Prozent der Patienten ohne eine Infektion durch das Krankenhaus gehen.“

 

PROFIL:

Prof. Dr. med. Constanze Wendt ist Fachärztin für Hygiene und Umweltmedizin sowie für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie und verfügt über einen Master of Science in Preventive Medicine and Environmental Health. Sie leitet den Fachbereich Hygiene der Limbach Gruppe SE, MVZ Labor D. Limbach & Kollegen in Heidelberg. Sie und ihr Team beraten Krankenhäuser von der Grund- bis zur Maximalversorgung ebenso wie ambulante OP-Zentren, Dialysen und Reha-Kliniken kompetent und umfassend in allen Fragen des Hygienemanagements.

22.06.2017

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