Infrastruktur I
Zäh aber stetig: Die Digitalisierung der Krankenhäuser
Die Anforderungen an die IT Infrastruktur werden immer komplexer, die Erwartungen der Anwender steigen und die Angebote seitens der Industrie werden immer vielfältiger. Ohne eine klare Ausrichtung des IT-Bereiches ist die Gefahr groß, den Überblick zu verlieren und sich zu „verzetteln“. Stefan Smers, CIO im Bereich Informationsmanagement am Universitätsklinikum Leipzig, stand der Redaktion Rede und Antwort über die Komplexität und Vernetzung von IT-Infrastrukturen und die „Revolution“ des Gesundheitswesens.
Interview: Marcel Rasch
Herr Smers, es herrscht kein Mangel an Systemen und Software für IT-Infrastrukturen. Behält man da noch den Überblick oder kocht jeder sein eigenes Süppchen?
In Leipzig haben wir seit Jahren eine festgelegte IT-Strategie, die regelmäßig auf den aktuellen Stand gebracht wird. Sie richtet sich an der Gesamtstrategie der Universitätsmedizin Leipzig aus, unterstützt also in ihren Aussagen die geplante Entwicklung des Hauses. Eckpunkte sind die Konsolidierung der IT-Landschaft, aber auch ihre innovative Weiterentwicklung, die Zentralisierung der Verantwortlichkeit für IT sowie die Ausrichtung des IT-Bereiches am IT Servicemanagement.
Damit haben wir gute Voraussetzungen, den angesprochenen Herausforderungen zu begegnen und Konzepte zu entwickeln. Natürlich muss das Management die IT-Strategie und die sich daraus ergebenden Konsequenzen mittragen. Ohne diese Verankerung im Management sind die Herausforderungen nicht zu bewältigen.
Welche Vorteile bietet die komplette Vernetzung eines Krankenhauses?
Die Komplexität und das Zusammenspiel der Beteiligten im Behandlungsprozess und den so genannten unterstützenden Sekundärprozessen steigen und damit auch der Bedarf, Informationen verfügbar zu haben. Heute wird beinahe jeder Geschäftsprozess im Krankenhaus mittels Informationstechnologie unterstützt. Die Daten müssen den handelnden Personen zur Verfügung gestellt werden, aber sie müssen auch in einer sicheren Umgebung verarbeitet und gespeichert werden. Über eine Vernetzung sind diese Anforderungen zu realisieren. Die Verarbeitung und Speicherung erfolgt in unseren redundant ausgelegten Rechenzentren. Die Bereitstellung erfolgt über unterschiedliche Netzwerkstrukturen. An der WLAN-Vollausleuchtung arbeiten wir noch, weil sie aufgrund der anstehenden „use cases“ immer wichtiger wird.
Muss der Patient nicht Angst haben, weil seine Daten plötzlich überall herumschwirren?
Wir haben in den vergangenen Jahren alle Vorkehrungen getroffen, Patientendaten im Universitätsklinikum innerhalb einer redundanten IT-Infrastruktur sicher aufzubewahren. Das Thema, mit Patientendaten „in der Cloud“ umgehen zu müssen, stellt sich aktuell für uns nicht. Im Gegenteil, unser Ziel ist, unsere sichere Infrastruktur auch externen Partnern zur Verfügung zu stellen, so dass auch bei Kooperationen der Schutz der Patientendaten gewährleistet ist.
Die meisten Menschen sind in der Zeit der Digitalisierung angekommen – spätestens seit Social Media und mit dem neuen Boom der Wearables. Auch viele Unternehmen haben sich inzwischen damit angefreundet und digitalisieren ihre kompletten Strukturen. Müssen wir damit rechnen, dass die Digitalisierung in Zukunft alles umkrempeln wird?
Die Digitalisierung im Krankenhaus sehe ich nicht als Revolution, sondern als einen Prozess. Es gibt klinische Bereiche, in denen ist das papierlose Arbeiten bereits schon lange Realität. Ganze Krankenhäuser gehen diesen Weg. Außerhalb Deutschlands gibt es eindrucksvolle Beweise, dass das papierlose Krankenhaus möglich ist. Der Weg dahin ist steinig, vor allem für die IT-Bereiche. Die Anforderungen an Verfügbarkeit und Performance der IT-Systeme werden weiter steigen. Das heizt das Thema IT-Investitionsstau und IT-Personalbedarf weiter an. Die Prozesse der Anwender müssen angepasst werden, diese Aufgabe erinnert bisweilen an eine Revolution.
Im Rahmen einer vollständigen elektronischen Patientenakte im Krankenhaus und darüber hinaus sehe ich Riesenvorteile, die sich für Behandler und Patienten ergeben: die Informationen liegen zum gewünschten Zeitpunkt unabhängig vom Standort vor. Für die Patientensicherheit und optimale Behandlungsabläufe ist das ein großer Schritt nach vorn. Wer Innovation und Effizienz in den Krankenhausprozessen als strategisches Ziel sieht, kommt um eine umfassende IT-Unterstützung mittels geeigneter Lösungen nicht herum. Dies bedingt einen wesentlichen Ausbau der Innovationskraft und den Aufbau von Prozessknowhow und -kompetenz in allen IT-Bereichen.
PROFIL:
Stefan Smers ist einer der beiden Sprecher des Arbeitskreises der Leiter der Klinischen Rechenzentren der Universitätskliniken Deutschlands (ALKRZ). Bereits während seines Studiums der Medizin und Informatik in Aachen und Leipzig beschäftigte er sich mit Themen der Medizinischen Informatik und arbeitete in Projekten des Instituts für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie (IMISE) der Universität Leipzig mit. 2003 wechselte Smers in den IT-Bereich des Universitätsklinikums Leipzig. Im Anschluss an die Leitung der Stabsstelle IT des Universitätsklinikums Rostock im Jahre 2010, übernahm Smers 2011 den IT-Bereich des Universitätsklinikums Leipzig. Hier ist er für die strategische Ausrichtung des Informationsmanagements und für die Sicherstellung des operativen Betriebes der IT-Landschaft von Universitätsklinikum und Medizinischer Fakultät verantwortlich.
22.04.2015