Leise Geräusche wie das Berühren eines Mikrofons mit den Fingerspitzen lösen bei manchen Menschen ein angenehmes Gefühl aus. ASMR-Videos sind daruf spezialisiert, diesen Effekt gezielt auszulösen.

© RUB, Marquard 

News • Autonomous Sensory Meridian Response

Warum wirken ASMR-Videos entspannend?

Forschende der Ruhr-Universität haben eine erste systematische Übersichtsarbeit zur Autonomous Sensory Meridian Response (ASMR) veröffentlicht.

Millionen Menschen schauen auf YouTube und Social-Media-Plattformen wie TikTok Darstellenden dabei zu, wie diese im Flüsterton beruhigende Worte sagen, simulierte Rollenspiele wie etwa einen Frisörbesuch umsetzen oder mit bestimmten Objekten wie zum Beispiel der Tastatur eines Computers in einem bestimmten Rhythmus interagieren. Etwa 25-30% der Menschen können dabei die mit Wohlbefinden assoziierte Autonomous Sensory Meridian Response (ASMR) erleben, ein charakteristisches Kribbeln auf der Kopfhaut und dem Nacken. Tobias Lohaus von der Ruhr-Universität Bochum hat gemeinsam mit Prof. Dr. Patrizia Thoma (ebenfalls Ruhr-Universität) und Prof. Dr. Silja Bellingrath (Universität Duisburg-Essen) eine erste systematische Übersichtsarbeit veröffentlicht. Das systematische Review zeigt, dass das Phänomen unter anderem mit kurzfristigen positiven Effekten auf die psychische Gesundheit verbunden ist. Das Forschungsteam berichtet in der Zeitschrift Psychology of Consciousness: Theory, Research, and Practice

Während die Videos für die einen irritierend sind, sind sie für viele Menschen, darunter auch viele Studierende, zum bedeutsamen Teil des Alltags geworden, zum Beispiel um nach einem anstrengenden Tag an der Universität zu entspannen oder als Einschlafhilfe. Aber was ist wirklich dran an dem Phänomen der ASMR?

portrait of tobias lohaus
Tobias Lohaus hat das Phänomen ASMR untersucht.

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Um das herauszufinden, screenten die Forschenden mehr als 1.000 Artikel und filterten 54 zum Thema ASMR heraus, die bisher in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift nach einem peer review durch unabhängige Experten veröffentlicht wurden. „Wir konnten herausarbeiten, dass es sich bei der ASMR um ein klar umschriebenes Phänomen handelt, das von vielen Menschen auf eine sehr ähnliche Weise erlebt und beschrieben wird“, so Tobias Lohaus. „Erfahrene Nutzende von ASMR-Materialien scheinen sich dabei zudem nicht von Erwartungseffekten leiten zu lassen.“ Insbesondere für die etwa 25-30% der Menschen, die ASMR erleben können, zeigte sich in mehreren Studien, dass das Betrachten von ASMR-Videos mit kurzzeitigen, positiven Effekten in Bezug auf die Stimmung, aber auch mit physiologischen Veränderungen wie einer Verlangsamung des Herzschlags sowie einer Senkung des Blutdrucks in Verbindung steht. 

Darüber hinaus wurde in EEG-Studien wiederholt gezeigt, dass ASMR-Erleben mit einer Abnahme von sogenannten Delta-Wellen einhergeht, die üblicherweise mit Tiefschlaf, zuletzt jedoch auch mit Bewusstseinszuständen in Verbindung gebracht werden konnten. „Vielleicht genau jenen Bewusstseinszuständen, die sich in einer entspannten Verfassung einstellen“, mutmaßt Lohaus. In fMRT-Studien konnte wiederholt gezeigt werden, dass unter anderem ganz bestimmte Hirnareale am ASMR-Erleben beteiligt sind, insbesondere der anteriore cinguläre Gyrus, der mit Aufmerksamkeitsprozessen zusammenhängt, sowie bewegungsbezogene Hirnregionen.

Wichtig ist jedoch zu betonen, dass wir bisher keine Studie gefunden haben, die über ASMR vermittelte Langzeiteffekte auf die psychische Gesundheit nachgewiesen hätte

Tobias Lohaus

„Wichtig ist jedoch zu betonen, dass wir bisher keine Studie gefunden haben, die über ASMR vermittelte Langzeiteffekte auf die psychische Gesundheit nachgewiesen hätte“, betont Tobias Lohaus. „Dazu müssen in Zukunft Studien durchgeführt werden, die die Effekte von ASMR-Videos über einen längeren Zeitraum hinweg betrachten und mit dem Schauen von Kontrollvideos vergleichen.“ Eine solche Studie plant das Forschungsteam der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Duisburg-Essen bereits in einem größeren gemeinsamen Forschungsantrag. 

Als Vorarbeit dazu konnte das Forschungsteam Anfang 2023 bereits eine ASMR-Studie veröffentlichen, die zeigte, dass sogenannte Walking-Tour-Videos, in denen Menschen ihren Spaziergang durch eine bestimmte Gegend filmen, passende Kontrollvideos darstellen könnten. Diese Videos stehen im Vergleich zu ASMR-Videos mit signifikant weniger ASMR-Erleben in Verbindung. 


Quelle: Ruhr-Universität Bochum

11.11.2023

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