Gemälde einer skeletthaften Gestalt als Schwarzer Tod, der einen Pfeil auf...
Historische Darstellung des "Schwarzen Tods"

Bildquelle: Black death XV, als gemeinfrei gekennzeichnet, Wikimedia Commons

News • Historia pestilentiae

Wie Vulkanausbrüche den Schwarzen Tod nach Europa brachten

Eine neue Studie zeigt: Baumringanalysen und historische Dokumente sprechen dafür, dass vulkanische Aktivität Mitte des 14. Jahrhunderts eine folgenschwere Ereigniskette auslöste, die schließlich zur verheerenden Ausbreitung des Schwarzen Todes in Europa führte.

Forschende der Universität Cambridge und des Leibniz-Instituts für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO) haben Klimaarchive mit Schriftquellen verknüpft und damit das bislang umfassendste Bild jener Verkettung von Umständen gezeichnet, die den Tod von Millionen Menschen und tiefgreifende gesellschaftliche Umbrüche nach sich zog. 

Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Communications Earth & Environment“ veröffentlicht

Die Studie zeigt, dass ein Vulkanausbruch, oder eine Serie von Ausbrüchen, um 1345 eine Serie außergewöhnlich kalter Jahre auslöste. Die durch Asche und Aerosole verdunkelte Atmosphäre führte in Europa und im Mittelmeerraum zu massiven Ernteausfällen. Um Hungersnöte zu verhindern, aktivierten die italienischen Stadtstaaten ihre Handelsnetze und bezogen Getreide aus dem Schwarzmeergebiet. 

[Die Fernhandelsrouten über das Mittelmeer] waren ein äußerst effizientes System zur Hungerabwehr, das zugleich aber ungewollt die Tür für eine weit größere Katastrophe öffnete

Martin Bauch

Mit diesem Getreide gelangte vermutlich das Pestbakterium Yersinia pestis nach Europa – der Ausgangspunkt der ersten, besonders tödlichen Welle der zweiten Pestpandemie. 

Erstmals kombinierten die Forschenden hochauflösende Klimadaten mit historischen Quellen, um die Zusammenhänge zwischen Klima, Landwirtschaft, Handel und dem Ausbruch des Schwarzen Todes zu präzisieren. „Ich wollte das schon immer verstehen“, sagt Professor Ulf Büntgen vom Geographischen Institut der Universität Cambridge. „Was trieb den Beginn und die Ausbreitung des Schwarzen Todes an? Warum kam es genau zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort? Diese Fragen sind enorm spannend – aber niemand kann sie allein beantworten.“ 

Büntgens Arbeitsgruppe arbeitete eng mit dem Mittelalter- und Klimahistoriker Dr. Martin Bauch vom Leipziger GWZO zusammen. „Wir haben uns die Zeit vor dem Schwarzen Tod unter dem Aspekt von Ernährungssicherheit und wiederkehrenden Hungersnöten angesehen, um die Lage nach 1345 besser einordnen zu können“, erklärt Bauch. „Wir wollten Klima-, Umwelt- und Wirtschaftsbedingungen zusammendenken, um die Auslöser der zweiten Pestpandemie präziser zu verstehen.“ 

Baumringdaten aus den Pyrenäen weisen auf extrem kalte Sommer 1345–1347 hin. Zeitgenössische Berichte über ungewöhnliche Bewölkung und dunkle Mondfinsternisse stützen die Annahme vulkanischer Aktivität. Der daraus resultierende Erntekollaps machte großflächige Getreideeinfuhren nötig, ein Handelssystem, das laut Bauch „ein äußerst effizientes System zur Hungerabwehr aktivierte“, zugleich aber „ungewollt die Tür für eine weit größere Katastrophe“ öffnete. Frühere Forschungen legen nahe, dass mit dem Getreide pestinfizierte Flöhe in die mediterranen Häfen gelangten und sich von dort rasch über den Kontinent ausbreiteten. 

Bildquelle: Cresques Abraham, 1375 Atlas Catalan Abraham Cresques, als gemeinfrei gekennzeichnet, Wikimedia Commons

Während viele Regionen Europas zwischen 1347 und 1353 extreme Verluste verzeichneten, blieben einige Gebiete, darunter Leipzig und Teile Ostmitteleuropas, von der ersten Pestwelle verschont. Auch zahlreiche Städte Italiens waren kaum betroffen, offenbar weil sie nach 1345 kein Getreide importieren mussten. „Die Verbindung zwischen Klima, Hunger und Getreidehandel könnte auch andere Pestwellen erklären“, so Bauch.

In einer globalisierten Welt wird die Wahrscheinlichkeit steigen, dass zoonotische Krankheiten unter den Bedingungen des Klimawandels entstehen und Pandemiepotenzial entwickeln

Ulf Büntgen

Die Forschenden sehen in dieser historischen Konstellation ein frühes Beispiel dafür, wie eng globale Verflechtungen, Umweltbedingungen und Gesundheitsrisiken zusammenwirken. „Auch wenn eine solche Häufung von Faktoren selten ist, wird in einer globalisierten Welt die Wahrscheinlichkeit steigen, dass zoonotische Krankheiten unter den Bedingungen des Klimawandels entstehen und Pandemiepotenzial entwickeln“, warnt Büntgen. Resilienz gegenüber künftigen Pandemien erfordere daher einen ganzheitlichen Blick – moderne Risikoabschätzungen sollten historische Erfahrungen stärker berücksichtigen. 

Die Studie wurde unter anderem vom Europäischen Forschungsrat, der Tschechischen Wissenschaftsstiftung und der VolkswagenStiftung gefördert. 


Quelle: Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa 

06.12.2025

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